Dienstag, 7. Oktober 2014

Gesellschaftliche Events – Frau Herden scheitert kläglich (nicht nur am Smalltalk)



Normalerweise sitze ich zu Hause am Rechner und schreibe. Oder ich lese irgendwo in der Republik vielen Kindern vor. Dorthin fahre ich mit dem Zug und gucke mir dabei die vorbeiziehende Landschaft an. Manchmal liege ich gemütlich und lese Bücher von anderen. Meistens jedoch bin ich in Gedanken, eigenen Geschichten und inneren Dialogen verstrickt.
So ist mein Leben und so geht mein Beruf. Ich muss mir dafür keine elegante oder sonstwie aussagekräftige Kleidung kaufen, ich habe weder wichtige Geschäftsessen zu bestreiten noch zelebriere ich Weihnachtsfeiern mit Kollegen und meine Büro-Teeküche heißt Facebook (Kenner wissen, das habe ich bei Herrn Bertram geklaut). Nicht nur das Geschichten Ausdenken und mit 100 Kids Krawall Machen liegt mir also im Blut, sondern auch dieses Zurückgezogene, diese kleine Freiheit, nicht an gesellschaftlichen Konventionen teilnehmen zu müssen. Ich kann das auch gar nicht. Im Speziellen meine ich hier: Ich weiß nicht wie man smalltalkt.

Himmel, welch furchtbare Vorstellung: mit Menschen zusammenzustehen und über Stunden in vielen freundlichen, nicht länger als 120 Sekunden andauernden Beiträgen über Nichtigkeiten zu plaudern, die niemanden intellektuell überfordern können (so will es der Smalltalkknigge). Das ist meine Sache nicht, obwohl ich das Wort plaudern ganz bezaubernd finde.
Ich möchte sogar behaupten, nicht einmal die etwas weiterentwickelte Form, das Reden mit Bekannten über die Kinder, das Büro, den letzten Urlaub, über Politik im allgemeinen und über Empörendes im Speziellen will mir so recht gelingen.
Ich mag es indes, mir eine Flasche Wein zu schnappen und mich mit einem oder auch zwei oder drei Gesprächspartnern, gerne mir völlig Fremden, philosophierend und diskutierend in eine Ecke zu verkrümeln, die wir dann stundenlang nicht verlassen, höchstens um eine nächste Flasche Wein zu holen.
Aber dieses etwas haltlose Herumstreunen auf gemeinschaftlichen Treffen wie Geburtstagen, Hochzeiten und anderen Festivitäten lässt mich zumeist hilflos lächelnd zurück. Darum übernehme ich dann gerne den Küchendienst.

Und nun ist sie also wieder da: die Frankfurter Buchmesse. DAS soziale Event aller Buchschaffenden, auf das sich alle, nach Facebookaussagen, so sehr freuen und vor dem mir doch etwas graust.
Ich stöbere gern durch die Hallen 3 und 4, blättere durch neue Kunst- und Illustrationsbände, schmökere in Kochbücher hinein oder nehme mal ein schönes Kinderbuch in die Hand. 
Dazwischen habe ich einige Termine (zwei Interviews, drei Gespräche, eine Lesung im Lesezelt auf der Agora und einen Absacker mit meiner Agentin) auf die ich mich tatsächlich sehr freue. Es könnte also alles gut sein.

Ist es aber nicht. Das geht schon mit der Kleiderfrage los. Denn es wird ein langer ungemütlicher Tag, den ich eigentlich am liebsten in einer bequemen zweiten Haut bestehend aus Jogginhose, Kapuzenjacke und Sneakers verbringe würde. Auf einem Jahrmarkt der Eitelkeiten geht das aber nicht. Nicht weil ich mithalten wollen würde, sondern weil ich peinlicherweise furchtbar auffallen würde. Ein bisschen Anpassung muss sein und damit grummelt der erste Streßfaktor in meinem Bauch herum.

Der nächste Punkt ist die Deutsche Bahn und das in doppelter Hinsicht. Da die Lokführer nichts mehr von der Lokomotivführerehre halten, wie sie Jim Knopf noch erklärt bekommen hat, wollen sie streiken. Soll ich also doch lieber mit dem Auto fahren? Sind dann eventuell die Parkhäuser völlig dicht?
Außerdem: Auweia, das ist doch dann bestimmt DAS Smalltalkthema auf der Messe! Aber darüber möchte ich eigentlich gar nicht reden. Auch nicht über das Wetter oder über „Kruso“ (Deutscher Buchpreis), denn das habe ich nicht gelesen.

Überhaupt bin ich ganz schlecht mit Namen oder Gesichtern. Weder kenne noch erkenne ich die wichtigen Drahtzieher der Branche, die Autoren, die man gelesen haben muss, oder meine Facebookfreunde. Das ist im günstigsten Falle einfach peinlich. Im ungünstigsten hinterlässt es einen extrem arroganten Eindruck. Ich könnte mir da unbemerkterweise richtig etwas kaputtmachen.

Vielleicht könnte ich dem mit der richtigen Kleiderwahl oder doch einem gut ausgewählten Smalltalkthema entgegenwirken. Dazu könnte ich mir kleine Karteikarten mit 120 Sekündern anlegen. Vielleicht tatsächlich über die Deutsche Bahn oder den bösen Amazon. Allerdings müsste ich dann die Lesehilfe aufsetzen, so ein Lupengestell in Brillenform von Rossmann, hinter dem mir aber furchtbar schlecht wird, wenn ich den Blick zu heben versuche.

Die Panik vor dem gesellschaftlichen Event ist stampfend und grölend im Anmarsch.
Falls Ihr mich also am Donnerstag durch die Hallen schleichen sehen solltet, sprecht mich ruhig an. Mein verwirrter Gesichtsausdruck ist gar nicht so gemeint. Ich bin eigentlich sehr nett. Wir könnten gemeinsam an irgendeinem Stand ein Gläschen Sekt mopsen oder kurz über das Leben philosophieren. Gerne in 120 Sekündern.

3 Kommentare:

  1. ach ja - der smalltalk. ich brauch ihn beruflich leider sehr oft und finde mich persönlich auch sehr schlecht darin. es stresst mich. nicht, dass ich nicht ohne inhalt reden könnte, aber sehr oft hängt das von meinem gegenüber ab. es gibt nämlich erstaunlich viele menschen, die schlecht smalltalken. deshalb fühlt man sich selbst immer so hilflos. wenn du einen profismalltalker vor dir hast, wuppt der das ganze gespräch und du brauchst nur 'ja' und 'nein' und 'wirklich?' sagen. dazu nett lächeln und die sache ist geritzt. aber wenn sich zwei miese smalltalker gegenüber stehen, dann bricht mir persönlich fast der schweiß aus. dann muss man neben dem smalltalk-thema nämlich auch noch einen grund für den rückzug finden. und das alles hinter einem netten lächeln verbergen. wie dem auch sei - ich wünsche dir trotz smalltalk und klamottenstreß eine schöne buchwoche! und wirklich, das wetter im moment... also, unglaublich!
    herzliche grüße
    die frau s.

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  2. Hach Frau Herden,
    auch wenn ich nur bedingt zur schreibenden Zunft gehöre (es geht nie über die 80 bestellten Zeilen für die Tageszeitung hinaus) kann ich sie gut versehen. Ich würde ja zu gerne mal auf die Buchmesse gehen, einfach der Neugierdehalber, aber meist siegt die Vernunft, dass es a) alleine keine Spaß macht und b) wobei dies eher a) ist, eigentlich hier viel zu viel auf dem Schreibtisch liegt. Also bleibe ich zuhause, verbringe meine Mittagspause, dank der Mittagsschule der Jungs, vor dem PC und stöbere durch diverse Blogs. Ihren lese ich immer ausgesprochen gerne und hab mich schon oft beim schmunzeln oder stillem Zustimmen erwischt.
    So der Kaffee ist leer und hier ruft die Arbeit wieder, denn am Donnerstag wollen diverse Studierende von mir unterrichtet werden. Ihnen wünsche ich trotzalledem viel Spaß auf der Buchmesse, viele neue positive Eindrücke und einen stressfreien Tag!

    Annette, welche hier auch am liebsten in der Jogginghose am PC sitzt

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  3. Der Smalltalk wird ohnehin überschätzt, finde ich. Gekonnt die Klappe halten können finde ich viel schöner! ;) Und wer bei Gesichter-nicht-erkennen in dem Gesichter-Strudel der Messe anderen Arroganz unterstellt, sollte vielleicht erstmal an der eigenen Eitelkeit arbeiten... ;) also: genießen und nicht unterkriegen lassen!

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