Kennt Ihr den Papalagi? Das bist Du, das seid Ihr und wir und ich betrachtet durch die erstaunten Augen eines fiktiven Südseehäuptlings. Alltäglichkeiten, die schon immer so waren, die man einfach so macht, die doch richtig sind, erscheinen in dessen Worten plötzlich gar nicht mehr so normal und logisch, allenfalls witzig oder absurd manchmal sogar falsch. So etwas mache ich jetzt auch. Jeden Monat in der
eltern.family nehme ich mir eine Selbstverständlichkeit aus dem Leben mit Kindern vor und frage mich: Klar, alle machen das so, aber wie so eigentlich?
Mir macht diese Kolumne riesigen Spaß und sie fällt mir auch nicht besonders schwer, denn ich kann einfach nur aus meinem Leben mit meinen Kindern erzählen. Irgendwie haben wir nämlich meistens alles etwas anders gemacht, als man es gemeinhin so macht.
Seit der Oktoberausgabe 2015 also in der
eltern.family und immer um einen Monat versetzt auch hier. Viel Freude damit!
Das hast du supertoll gemacht –
Jahrelang bastelten und malten meine Kinder im Akkord. Die
entstandenen Objekte und Bilder bekam ich geschenkt. Alle. Ich nannte sie
Kunstwerke, stellte sie aus oder archivierte sie. Natürlich nicht ohne zuvor
Jubelrufe ausstoßend drum herum getanzt zu sein.
Wie großartig sie das gemacht hatten! Wie einmalig! Was für ganz und
gar unglaubliche Künstler sie waren! Es galt doch, das Selbstbewusstsein
der Kleinen zu stärken und sie zum kreativen Weitermachen zu animieren. Eine
Erziehungsregel, die mir so selbstverständlich war, dass sie ausgesprochen
beinahe zur Plattitüde geriet.
Regelmässig kaufte ich Rahmen und Mappen für die Gemälde und
staubte vorsichtig die kleinen Knet- und Pappmachéhaufen ab, die überall im
Wohnzimmer herumstanden. Tatsächlich gefielen mir die entstandenen Kunstwerke.
Alle. Alle?
Zugegeben, hin und wieder schob ich eines der seltsameren
Gebilde aus der vordersten Reihe hinter die Bücher. Das fiel den kleinen
Argusaugen jedoch sofort auf. „Wo ist denn mein Nageligel (ersatzweise: mein
Salzteighandy, meine Monstermaske)?“ Schuldbewusst murmelte ich etwas von
„sauber gemacht“, „fotografiert“ oder „Omi und Opo gezeigt“ und rückte das
entsprechende Artefakt an seinen angestammten Platz.
Irgendwann entdeckte ich einige Skizzen meiner Tochter – zusammengeknüllt
und wegschmissen. Entsetzt kramte ich die Werke aus dem Mülleimer und glättete sie.
Es waren Portraits verschiedener Filmstars. „Die sind doch total schön!“, rief
ich.
„Mama, hör auf, im Müll zu wühlen. Ich finde sie nicht gut, okay?“,
erwiderte die 12-Jährige.
Erschüttert schlich ich aus ihrem Zimmer. Und erst in dem
Moment wurde mir bewusst, dass das breite Kinderstrahlen ob meiner Lobhuddelei
irgendwann zu einem Mundwinkelzucken verkommen war.
Das Fass zum Überlaufen brachte ein aus Versehen erlauschter
Satz, den mein damals 9-jähriger Sohn seinem Kumpel zuraunte. „Meine Mama hat nicht
so einen guten Geschmack. Die findet alles toll, was ich gemacht habe. Sogar das
Strumpfhosenwürmchen, das wir im Kindergarten basteln mussten.“ Giggelnd
rannten die frechen Kerle davon.
Kurzentschlossen packte ich die von den Händen meiner Kinder
produzierten Staubfänger in eine Kiste. Nur einige ganz besondere Stücke ließ
ich stehen. Ich sah mich zufrieden um und atmete erleichtert auf.
„Hey, du hast ja mal aufgeräumt“, sagte das vorbeirauschende
Töchterchen. „Sieht toll aus.“
Später zeigte sie mir eine nahezu perfekte Bleistiftskizze
von Jack Sparrow.
„Super schön“, staunte ich.
„Ach, das sagst du doch immer. Du findest doch alles toll,
weil du meine Mutter bist.“
„Nein, nein, wirklich, die ist super schön. Das fände ich
auch, wenn wir nicht verwandt wären“, beteuerte ich.
Ihr Zucken im Mundwinkel wurde beinahe ein echtes Lächeln.
Mein Sohn hat außer im Kunstunterricht nie wieder einen Stift
in die Hand genommen oder irgendetwas gebastelt. „So was interessiert mich
einfach nicht“, erklärte er. „Aber gestern bin ich im Ranking drei Plätze
aufgestiegen (Anmerkung: Das hat irgendwas mit Online-Computer-Spielen zu tun.)
Doch das interessiert dich ja nicht.“
Darüber muss ich jetzt erst einmal nachdenken.