Montag, 26. Dezember 2016

Good bye, George Michael

Als ich 12-jährig Anfang der 80er mit meinen Eltern aus dem Osten kam, hatte ich keine Musik.
Wir besaßen in Magdeburg zwar einen Plattenspieler, doch auf dem liefen klassische Konzerte, Peter Maffay, Märchenplatten und „Komm wir malen eine Sonne“ von Frank Schöbel. Als meine Eltern sich ein neues Radio kauften, stellten sie das alte in unser Zimmer. Sonntagsabends, wenn wir eigentlich nur noch etwas lesen sollten, lauschte ich heimlich der NDR 2 Hitparade. Das wars. Irgendwann schleppte mein Vater einen kleinen Kassettenrecorder an. Für den besaß meine Familie genau 2 Kassetten. Englisch 1 und Englisch 2. Wir wollten ja in den Westen und mussten vorbereitet werden. Also kauerten wir jeden Abend zu viert drumherum und lernten.
Hier im sagenumwobenen Westen war eine Steroanlage nicht das erste, was meine Eltern kauften. Aber nette Menschen schenkten meiner Schwester und mir einen kleinen braunen Kassettenrekorder. Musik hatten wir jedoch noch immer keine.
Als ich das erste Mal auf eine Klassenparty eingeladen wurde, hörte ich Wake me up before you go go. Das gefiel mir gut.
„Wenn du magst, kann ich dir die Platte auf Kassette aufnehmen“, bot mir ein Klassenkamerad an.
Am nächsten Tag brachte er mir tatsächlich eine Kassette mit. Vor Dankbarkeit war ich völlig erschüttert. Wie einen wohlgehüteten Schatz brachte ich sie nach Hause, nahm den kleinen braunen Kassettenrekorder, erlitt einen kleinen Panikanfall, weil ich die Kassette erst einmal falsch einlegte und befürchtete, sie zerstört zu haben, und dann drückte ich schließlich auf Play. Ich bekam kaum Luft vor Spannung, vor Aufregung, vor Glück. Diesen Moment, als die ersten Töne meiner ersten eigenen Musik erklangen, werde ich nie vergessen. Wham! Mitten ins Herz.

Dienstag, 13. Dezember 2016

Gedanken kurz vor Ladenschluss

Gedanken kurz vor Ladenschluss: Vielleicht kann man die Welt tatsächlich nicht mehr retten. Zumindest nicht die Menschheit. Jedenfalls nicht vor sich selbst. Klar, eine Zombieapokalypse abzuwehren, das könnte man schaffen. Eine Alieninvasion auch. Ebenso wie man wahrscheinlich einen auf den Planeten zurasenden Meteoritenschwarm umlenken, eine Springflut besänftigen oder ein alles zerlegendes Virus ausmerzen könnte. Zur Not könnten wir sicher auch auswandern, irgendwohin. Das All soll ja unendlich sein. Müssten wir nur die Gravitation überwinden. Ich bin sicher, das sind alles Kleinigkeiten. Im Gegensatz zum Kampf gegen das gefährlichste, dümmste, egoistischste und brutalste Wesen, das es überhaupt gibt, dem Menschen selbst. Ich schreibe das mit tiefem Ingrimm, absoluter Überzeugung und dem heimlichen Wissen, dass ich aber nicht dazu gehöre. Wahrscheinlich wie alle, die das hier gerade lesen.
Dabei stimmt das gar nicht. Dass ich nicht dazugehöre, meine ich. Ich wüsste es nur manchmal besser. Aber bin ich das auch? Besser? Bin ich immer und absolut konsequent, in dem was ich tue, weil ich weiß, was ich weiß?
Ich erwarte nichts von mir, das Superhelden, Gremien, ethische Räte und Versammlungen weiser Menschen auch nicht hinbekommen. Das wäre albern. Ich denke auch nicht, dass ich allein deshalb ein guter Mensch wäre, wenn ich Online-Petitionen unterschriebe oder weinende Icons unter Kriegsbilder setzte. Ein wenig weiter bin ich schon. Das darf ich sagen.
Mir ist klar, wenn ich hier mehr konsumiere und verbrauche, als mir zusteht (und das ist qua Geburtsort und Lebensraum immer mindestens + 0,8 Erden – klickt Euch mal durch den FoodPrint-Rechner – http://www.fussabdruck.de/fussabdrucktest/#/start/index/ –, es ist zum Heulen), dass ich anderen woanders ihren Anteil wegnehme. Das ist nicht gerecht. Und Ungerechtigkeit führt in letzter Konsequenz zu Kriegen. Gegen die ich doch mit jeder Faser meines Herzens bin. Eine Krux. Die ich durch vorbildliches Verhalten zu lösen versuche. Ich baue mein eigenes Gemüse an, fahre mit dem Fahrrad und mit öffentlichen Verkehrsmitteln, lebe in einer Wohnung voller angespülter Lebenserinnerungen und wackliger geerbter oder gefundener Gebrauchsgegenstände, habe kein Smartphone, konsumiere so wenig wie möglich. Ehrlicherweise muss ich zugeben, dass mir all das leicht fällt. Ich liebe meinen Acker und die Feldarbeit, ich fahre gerne Rad und Zug, ich habe kein Geld, um letztlich Überflüssiges zu konsumieren, außerdem erlebe ich lieber etwas, als dass ich Materielles um mich häufen möchte.
Ist das also genug? Zumal es mir eben auch liegt und keine wirklichen Opfer fordert? Es fühlt sich oft nämlich nicht gut und ausreichend an.
Vielleicht schreibe ich darum Kinderbücher. Zwischen den Geschichten und Abenteuern möchte ich meine eigenen Werte formulieren und – ja, ich gebe es zu – auch weitergeben. Und natürlich freut es mich dann, wenn meine Bücher beispielsweise wegen der Vermittlung des Demokratiegedankens von Kinderrechtsorganisationen gelobt werden. Aber ist das nun genug?
Gestern zum Beispiel kaufte ich eine Weihnachtsbaumbeleuchtung. Dabei muss hier noch irgendwo eine vom vorletzten Jahr sein. Ich konnte sie nur nicht finden. Nein, stimmt nicht. Ich war zu faul, danach zu suchen. Wenn ich ganz ehrlich bin, bin ich öfter mal zu faul, zu kaputt, zu erschöpft. Dann gehe ich doch in den Laden. Danach habe ich zu recht ein schlechtes Gewissen. Das versuche ich dann am Schreibtisch im aktuellen Manuskript wieder abzubauen.
Und so entstehen Bücher, die letztlich meiner Wunschvorstellung des Menschseins entsprechen. Weil ich aber wahrhaftig bin, breche ich sie immer auch gleich selbst wieder, in dem ich innere Konflikte einbaue. Denn perfekte Menschen gibt es nicht. Außerdem würden die entsetzlich nerven. Von Nervenden wollen wir nichts annehmen, auch nicht das Gute.
Und so schreibe ich weiter, male mir die Welt in meinen Farben und versuche hinterher selbst danach zu leben. Es würde mich freuen, wenn ich nicht die einzige wäre.
Was wollte ich eigentlich mit all dem hier sagen? Vielleicht alles, vielleicht nichts. Gedanken kurz vor Ladenschluss eben. Und ein inniger Wunsch: Lasst uns bitte besser werden.

Donnerstag, 24. November 2016

Die Mutter-Kolumne – Sag Danke!

Kennt Ihr den Papalagi? Das bist Du, das seid Ihr und wir und ich betrachtet durch die erstaunten Augen eines fiktiven Südseehäuptlings. Alltäglichkeiten, die schon immer so waren, die man einfach so macht, die doch richtig sind, erscheinen in dessen Worten plötzlich gar nicht mehr so normal und logisch, allenfalls witzig oder absurd manchmal sogar falsch. So etwas mache ich jetzt auch. Jeden Monat in der eltern.family nehme ich mir eine Selbstverständlichkeit aus dem Leben mit Kindern vor und frage mich: Klar, alle machen das so, aber wieso eigentlich.


„Du musst danke sagen“, raunte das Töchterchen ihrem Bruder zu.
Mir hatte das ebenfalls auf der Zunge gelegen, obwohl ich wusste, dass mein Sohn Hustenbonbons nicht mag. Ein solches hatte ihm aber gerade eine ältere Dame zugesteckt.
„Danke“, knurrte das Söhnchen. „Das kannst du aber behalten. Das schmeckt nicht.“
„Unverschämtheit“, zischelte die Dame beleidigt.
Das Töchterchen kicherte.
„Warum muss ich danke sagen, wenn ich was kriege, was ich gar nicht haben will?“, fragte mein Sohn.
„Man muss immer danke sagen, wenn man etwas geschenkt bekommt“, erklärte seine Schwester.
„Warum?“, fragte mein Sohn.
„So zeigt man dem anderen, dass man sich freut, weil der an einen gedacht hat“, versuchte ich mal wieder in einen Satz zu stecken, was eigentlich von rotem Wein begleitetes Philosophieren gefordert hätte.
„Wegen der guten Absicht, stimmt´s?“, meinte das Töchterchen.
„Mhm“, machte ich nachdenklich.
„Aber vielleicht mag die Frau selbst keine Hustenbonbons und hat es mir nur gegeben, damit sie es los ist“, wandte mein Sohn ein.

Diesen Gedanken hatte ich in anderen Situationen auch schon des öfteren. Auf dem Dachboden häuften sich alte Bücher, Nippes und unsinniger Küchenkram, den mir liebe Menschen geschenkt hatten, weil sie der Meinung waren, ich könnte das alles gut gebrauchen. Ich hatte immer brav danke gesagt und werde eines Tages ein ernstzunehmendes Entsorgungsproblem haben.
Dabei gab es einiges, was ich tatsächlich gerne gehabt hätte. Das hatte ich auch formuliert, diese Dinge aber nie bekommen. Wenn ich ehrlich war, traf diese Diskrepanz zwischen Wunsch und Wirklichkeit auch auf ganz anderes im Leben zu. Männer zum Beispiel.
Darum seufzte ich leise, als wir die Metzgerei betraten.
„Nehmt eine Wurst“, forderte die Fleischthekenfachkraft und wedelte bedrohlich mit einem langen Messer, an dessen Spitze zwei dünne Scheiben Wurst baumelten.
Das Töchterchen griff beherzt zu.
„Danke schön“, trompetete es genüsslich kauend.
„Hilfe“, flüsterte mein Sohn.
Er mag nur Wurst mit einem Bärchen darauf, doch die Frau stieß gnadenlos ihr Messer in seine Richtung. Ergeben nahm der Kleine die Scheibe und stopfte sie in seine Hosentasche zu den billigen Kaubonbons vom Bäcker.
„Das gibt es ja gar nicht!“, ereiferte sich die Verkäuferin. „Andere Kinder auf der Welt verhungern. Du solltest dankbar sein für die geschenkte Wurst.“
Da platzte meinem Spross der Kragen.
„Aber ich bin doch dankbar!“, schrie er. „Weil ich genug zu essen habe und das neue Lego Starwars kriege. Weil Frau Müller erlaubt, dass ich mein großes Kuschelkissen mit in den Kindergarten bringe. Weil wir nicht unter einer Brücke wohnen müssen und das Monster unterm Bett wieder ausgezogen ist.“
„Und weil Mama uns lieb hat“, quakte sein Schwesterherz dazwischen.
„Und weil Mama uns lieb hat“, rief das Söhnchen. „Aber ich will keine gelbe Wurst. Die ist eklig.“
Ich strahlte in die Runde. Solche wunderbaren Kinder, dachte ich voller Dankbarkeit.

Dienstag, 22. November 2016

Lest (das)! Bitte!

Zurück von meiner Herbstlesetour kreuzen mir Gedanken und Eindrücke durch den Kopf, die ich gerne einmal aufschreiben möchte. Viel zu lang und unsortiert, aber wenigstens formuliert. Sorry, ich platze sonst.
Ich sprach in den letzten drei Wochen mit Hunderten von Kindern, vielen Lehrern und Bibliothekarinnen und muss sagen: Ich mache mir Sorgen. 
Egal wie oft wir Kinderbuchautoren hier über begeisterte Zuhörer jubeln, ich habe den Eindruck, kaum ein Kind liest. Natürlich gibt es noch Bücherwürmer, Leseratten und Geschichtenverschlinger. Darum ja auch das „kaum“. 
(Ich möchte hier nicht über Lesekompetenz gleich Lebenskompetenz schreiben, nicht über Sprachentwicklung, Wortschatz und Eloquenz. Weder über Allgemeinbildung noch die Ausprägung von Kreativität und das Finden von Lösungsansätzen bei allerhand Problemen. Also nicht über die unbedingte Notwendigkeit des Lesens. Unabhängig von Spaß, Spannung, Freude, Erlebnis, Langeweile besiegen und meinetwegen auch der manchmal blöden Alltagswelt entfliehen.)
Ich frage vor meinen Lesungen, wer lesen würde, unabhängig von der Schullektüre. Fast alle melden sich. Dann raune ich, dass die Lehrer mal weggucken sollen. Die Hälfte der hochgestreckten Arme senkt sich. Ich frage, wer mehr als ein Buch im Jahr lesen würde. Es verbleibt etwas mehr als das „kaum“. Dann frage ich nach den Titeln. Whatsapp (!). Greg. Harry. Manchmal Lotta. 
Punkt.
Die Bibliothekarinnen erzählen, es kommen nur noch wenige Kinder zu ihnen. Nach der vierten Klasse fast niemand mehr.
Die Buchhändler erzählen, die Bücher werden von Großeltern und Eltern gekauft, die sich wünschen, ihre Kinder läsen diese. Doch gefragt, tun die es nicht. Eine erboste Großmutter ließ sich in ihrem Ärger darüber sogar zu einem „die sind alle gengeschädigt“ hinreißen. Der Bibliothekar und ich schauten uns besorgt an. Denn mit Wut, Bestrafungen und Erpressung kann man definitiv nicht die Schönheit des Lesens vermitteln.
Viele meiner Kollegen und auch ich versuchen das mit unseren Lesungen. Ich zum Beispiel höre immer wieder, dass meine Lesungen toll seien. Es wäre falsch bescheiden und albern so zu tun, als stimmte das nicht. Ich erzähle und lese mit tausend Stimmen. Ich schreie, raune, flüstere, krächze, juchze, lache. Ich erkläre ganz nebenbei Paralleluniversum, implodieren, unsere drei Dimensionen. Aber auch heiter (ist ein tatsächlich vergessenes Wort), Gewölbe, Spickzettel und Molch. Wir jubeln und klatschen, raten und erzählen. Ich hüpfe und springe. Und lasse mir alle Geheimnisse meines Lebens aus der Nase ziehen. Ich weiß, ich bringe Leben in die Bude. „Sie sind so unglaublich mitreißend und lebendig“, höre ich immer wieder. Die Kinder rufen: „Ich kaufe mir alle Bücher von Ihnen.“ Ich weiß, dass sie das nicht tun. Im März jeden Jahres gibt es die Abrechnungen. 
Woran liegt das? Warum lesen Kinder so wenig? Selbst wenn ihnen die Bücher gefallen. Aber vor allem: Was könnte man dagegen tun, zum Beispiel als Eltern oder Großeltern?
Zuerst steht da natürlich das Vorlesen. Es wird von allen Seiten gepredigt. Ich mache das hier auch: Lest vor! Lange. Das letzte Buch habe ich meinem 13-Jährigen vorgelesen. Sucht Euch Bücher aus, die Euch auch gefallen. Fragt Buchhändler, lest Buchblogs wie die Bücherkinder oder haltet nach dem Kilifü, dem Almanach der Kinderliteratur Ausschau. Es gibt unzählige wunderbare, witzige, spannende, kluge Kinderbücher, an denen auch Eltern Freude haben. Nehmt Euch Zeit. Lest mit Lust vor. Freut Euch selbst darauf. Macht es Euch dabei gemütlich. 
Später, wenn die Kleinen alleine lesen, ist das Lesen natürlich erst einmal anstrengend. Wer sich anstrengt, kann nicht in andere Welten versinken. Lesen will gelernt und geübt sein. Dazu gehören viele, viele Bücher. Wenn ich niemanden habe, der mir Bücher schenkt, ausleiht oder mit mir in die Bibliothek geht, dann scheitert mein Lesewunsch einfach daran, dass es keine Bücher in meinem Leben gibt. 
Bücher sollten keine Geburtstags- oder Weihnachtsgeschenke sein müssen. Kinder, die noch nicht vom Lesen gepackt sind, werden niemals auf eines der anderen Geschenke verzichten, um dafür ein Buch zu bekommen. Bücher sollten kein Opfer voraussetzen. Bücher sollten immer zugänglich sein. Jeden Monat eines. Ein Kinderbuch kostet um die 13 Euro. 13 Euro im Monat. Wenn man eine einfache Kosten-Nutzen-Überlegung (siehe oben, über was ich alles nicht schrieb) anstellt: Ist das wirklich zu teuer? Das zu beantworten überlasse ich jedem selbst. 
Wer ja ruft, der kann in die Bibliothek gehen. Dort stehen sie alle und wollen gelesen werden. Einmal im Monat zusammen in die Bibliothek. Das ist ein schöner gemeinsamer Ausflug mit dem Kind oder den Kindern. Hat man dafür wirklich keine Zeit? Was gibt es so viel Wichtigeres zu tun?
Sind die Kinder erst einmal buchlos 12 Jahre alt geworden, hat man sie als Leser verloren. Die Zeit ist also knapp. Fangt an!
Danke, das musste einfach raus.

Sonntag, 16. Oktober 2016

Die Mutter-Kolumne – Der Klügere gibt nach

Kennt Ihr den Papalagi? Das bist Du, das seid Ihr und wir und ich betrachtet durch die erstaunten Augen eines fiktiven Südseehäuptlings. Alltäglichkeiten, die schon immer so waren, die man einfach so macht, die doch richtig sind, erscheinen in dessen Worten plötzlich gar nicht mehr so normal und logisch, allenfalls witzig oder absurd manchmal sogar falsch. So etwas mache ich jetzt auch. Jeden Monat in der eltern.family nehme ich mir eine Selbstverständlichkeit aus dem Leben mit Kindern vor und frage mich: Klar, alle machen das so, aber wieso eigentlich.


Manchmal sagt man etwas und denkt im selben Moment: „Das war unklug, sie werden das bestimmt irgendwann benutzen, um mich irgendetwas lehren zu wollen.“ 
Doch gerade hatten sie dermaßen laut über etwas sehr Kleines gestritten, dass mir jener Satz entschlüpft war. „Der Klügere gibt nach.“ 
Erstaunlicherweise schien er zu wirken, denn mit einem Mal war es mucksmäuschen still im Kinderzimmer. Erleichtert wandt ich mich meinen Dingen zu.
„Was soll das bedeuten?“, trompetete es dort hinein.
In großer Neugierde vereint schaute mich das Geschwisterpärchen fragend an.
„Das bedeutet, dass sich ein kluger Mensch nicht streitet.“
„Warum nicht?“, wollte das Töchterchen wissen.
„Weil es Zeitverschwendung ist“, sagte ich.
„Und wenn man recht hat und der andere nicht?“, krähte das Söhnchen.
„Dann weiß das der Klügere und freut sich darüber im Stillen. Es ist ihm egal, ob der andere das auch weiß.“
Die beiden schauten aneinander finster an. Für eine stille Freude waren sie nicht bereit. 
„Pöh!“, machte das Töchterchen. „Ich habe trotzdem recht.“
„Das stimmt nicht!“, schrie ihr kleiner Bruder. 
Dann ging es wieder los mit Getrampel, Gebrüll und Türenknallen. 
„Weiß noch irgendwer von euch, worüber ihr überhaupt streitet?“, rief ich dazwischen.
„Nein!“, kam es zurück. „Aber ich habe recht!“
„Und ich habe noch viel rechter!“
„So ein Wort gibt es nicht!“
„Gibt es wohl! Mein rechter, rechter Platz ist leer, ich wünsch´mir NICHT meine Schwester her!“
Seufzend setzte ich mir die Ohrenschützer auf, die ich mir einst im Baumarkt gekauft hatte und die für ganz besondere Fälle parat lagen.
Eine halbe Stunde später wagte ich, sie wieder abzusetzen. Himmlische Ruhe lag über unserer Bude. Als ich ins Kinderzimmer spähte, hockten sie tief versunken inmitten einer Minipüppchenwelt auf dem Teppich. 

Einige Tage später standen wir im Supermarkt an der Kasse. Obwohl sie die fiesen Tricks der Supermarktbesitzer längst verstanden hatten, fielen meine Kinder je nach Tagesform und Wageninhalt immer mal wieder darauf herein. So wie an diesem Tag, als die Schlange im Gang mit den Süßigkeiten endete.
„Ich will Gummibärchen“, rief das Söhnchen und griff danach.
„Leg die Gummibärchen bitte wieder zurück. Wir haben zuhause noch welche.“
„Ich will aber jetzt welche!“
Ich denke, der Verlauf der nächsten Minuten ist sicher wohlbekannt.
Irgendwann gab es keine Schlange mehr, irgendwann gab es überhaupt gar keinen Kunden mehr im Laden. Die Kassiererin schmökerte entspannt in einer Illustrierten. Das Söhnchen war bis zum Joghurtregal zurückgewichen, warf mir böse Blicke zu und hielt die verbotene Tüte Gummibärchen hinterm Rücken verborgen.
„Immer sagst du, du bist eine kluge Mama“, fauchte es mich an. „Willst du nicht endlich damit anfangen?“
„Wie meinst du das?“, fragte ich irritiert.
Genervt verdrehte das Kerlchen die Augen. „Oh, Mama!“, stöhnte es. „Du bist jetzt einfach mal klug, wir bezahlen und können nach Hause gehen.“
„Was ist mit den Gummibärchen?“, fragte ich.

„Das ist doch ganz klar“, sagte der Kleine. „Wenn du endlich klug bist, gehören die natürlich mir.“

Dienstag, 13. September 2016

Die Mutter-Kolumne – Erst die Arbeit, dann das Vergnügen. Echt?

Kennt Ihr den Papalagi? Das bist Du, das seid Ihr und wir und ich betrachtet durch die erstaunten Augen eines fiktiven Südseehäuptlings. Alltäglichkeiten, die schon immer so waren, die man einfach so macht, die doch richtig sind, erscheinen in dessen Worten plötzlich gar nicht mehr so normal und logisch, allenfalls witzig oder absurd manchmal sogar falsch. So etwas mache ich jetzt auch. Jeden Monat in der eltern.family nehme ich mir eine Selbstverständlichkeit aus dem Leben mit Kindern vor und frage mich: Klar, alle machen das so, aber wieso eigentlich.



„Zuerst räumst du dein Zimmer auf, dann lese ich vor“, sagte ich. 
Das Söhnchen murrte. „Warum kannst du nicht erst was vorlesen und dann räume ich das blöde Zimmer auf?“
„Weil man erst arbeitet und sich dann dafür belohnt“, erklärte ich.
Stöhnend warf das Kind Legosteine in eine Kiste. Manche flogen vorbei. Ich tat so, als sähe ich das nicht.

Am nächsten Tag befanden wir uns in einer ganz ähnlichen Situation.
„Erst die Hausaufgaben, dann kannst du raus zum Spielen“, hörte ich mich sagen.
Der Sohn murrte.
„Das ist wie mit dem Nachtisch“, erklärte das Töchterchen mit wichtiger Stimme, „erst muss man die doofen Erbsen essen und dann gibt es zur Belohnung ein Eis.“
„Bäh, Erbsen“, stöhnte das Söhnchen und starrte wütend auf die Schulbücher.

In dem Moment begriff ich etwas. Himmel, wie konnte ich nur so dumm sein? Wie konnte ich meinen Kindern einreden, Hausaufgaben seien genauso doof wie die ungeliebten Erbsen und Zimmer aufräumen eine schreckliche Arbeit? Niemals würden sie gerne und mit Neugierde lernen, niemals Freude daran finden, etwas zu erledigen, was einfach erledigt werden musste. Mir musste ganz schnell etwas einfallen, um das wieder gerade zu biegen.

Ich holte einige Gummibärchen und legte sie neben die Schulbücher. „Die sollen dir die Arbeit versüßen“, sagte ich.
Skeptisch blickte das Söhnchen auf die Bären, steckte einen in den Mund und kaute ärgerlich darauf herum. „Die Hausaufgaben machen immer noch keinen Spaß“, knurrte er.
„Vielleicht wenn du drei Gummibärchen auf einmal ißt?“, schlug ich vor.
„Quatsch“, murrte mein Kind.
„Sei nicht so gemein“, sagte das Töchterchen zum kleinen Bruder. „Mama versucht nur, dass du die Arbeit nicht so schlimm findest.“
„Das hat Tom Sayer aber viel besser hingekriegt“, erklärte mein sechsjähriger Sproß.
„Ey, Moment mal“, mischte ich mich ein. 
Doch meine kleine Schar brach schon in Lachen aus. Immerhin.

„Wenn man immer erst die schönen Sachen macht, dann hat man keine Zeit mehr und noch weniger Lust auf die nicht so schönen“, erklärte ich nach dem Lachen. 
„Wie beim Pudding“, sagte das Töchterchen. „Wenn ich eine große Portion davon gegessen habe, ist für Gemüse kein Platz mehr in meinem Bauch.“
„Stimmt, und das ist sehr gefährlich, weil der Körper dann keine wichtigen Nährstoffe bekommt“, fügte ich hinzu.
„Aber manchmal kann man doch erst den Nachtisch essen, oder?“, fragte das Söhnchen.
„Manchmal geht das. Manchmal kann man auch erst ins Schwimmbad gehen und dann Hausaufgaben machen.“
„Super!“, freute er sich und rutschte vom Stuhl. 
„Schwimmbadtasche ist schon gepackt!“, rief das Töchterchen aus dem Flur.
Ich gab mich geschlagen. „Aber wenn wir nach Hause kommen, dann -“
„Klar, Mama, dann machen wir Hausis und räumen auf!“, riefen meine beiden von halber Treppe.


„Du erlaubst, dass die Kinder den Nachtisch vor dem Mittagessen essen?“, fragte am darauffolgenden Sonntag meine Mutter mit gerunzelter Stirn.
„Wir leben manchmal wild und gefährlich, stimmt´s Mama?“, krähte das Söhnchen.
Ich nickte.
„Und manchmal essen wir die Erbsen dann gar nicht mehr“, verriet das Töchterchen.

Dienstag, 16. August 2016

Die Mutterkolumne – Man muss teilen!

Kennt Ihr den Papalagi? Das bist Du, das seid Ihr und wir und ich betrachtet durch die erstaunten Augen eines fiktiven Südseehäuptlings. Alltäglichkeiten, die schon immer so waren, die man einfach so macht, die doch richtig sind, erscheinen in dessen Worten plötzlich gar nicht mehr so normal und logisch, allenfalls witzig oder absurd manchmal sogar falsch. So etwas mache ich jetzt auch. Jeden Monat in der eltern.family nehme ich mir eine Selbstverständlichkeit aus dem Leben mit Kindern vor und frage mich: Klar, alle machen das so, aber wieso eigentlich.



Wir beobachteten eine Mutter, die gerade den Keks ihres Sohnes zerbrach und das größere Stück einem anderen Jungen gab, der zufällig mit im Sandkasten saß.
„Man muss teilen, Jonas“, trompetete sie zufrieden über den ganzen Spielplatz.
„Auweia, jetzt heult der“, sagte mein Kind. „Das war supergemein.“
„Sie möchte ihrem Kind beibringen, wie man teilt“, verteidigte ich die Frau, obwohl ich sie unmöglich fand.
„Sie hat ihren Keks auch alleine aufgegessen“, sagte mein Sohn.
„Aber Teilen ist wichtig“, erklärte ich.
„Man darf sein Kind aber nicht dazu zwingen“, sagte mein Kleiner.
Ich bezweifelte auch, dass aus dem kleinen Jonas ein großherziger Geber werden würde. Er wirkte traumatisiert.

„Ich teile immer gerne mit dir“, sagte das Söhnchen.
Ich starrte auf den nanometerkleinen Krümel in meiner Hand. Den hatte er eben von seiner Brezel gefriemelt und großspurig dort platziert, als ich um ein Stück für mich bat. In dem Moment kam eine Windböe und trug ihn davon.
„Geteilt hast du deine Brezel mit mir nicht gerade.“
„Ich habe nicht mehr übrig, weil ich sie doch selber essen will.“
„Teilen bedeutet nicht geben, wenn man etwas übrig hat, sondern wenn man es eigentlich selbst gut gebrauchen könnte. Teilen heißt, mit weniger zufrieden zu sein, damit andere auch etwas haben. Es macht glücklich, wenn es von Herzen kommt.“

Ich kam mir sehr weise vor. Das Söhnchen wackelte bedächtig mit dem Kopf. Dann ging es zum Sandkasten und drückte dem weinenden Jungen seinen Brezelrest in die Hand.
„Das war sehr lieb von dir“, sagte ich, als er wieder neben mir auf der Bank saß.
„Jetzt weint der andere Junge“, gab mein Sohn zu bedenken.
„Manchmal kann man es nicht allen recht machen“, versuchte ich eine Krux der Welt in einen Satz zu packen.
„Bekomme ich zur Belohnung ein Eis?“, fragte er verschmitzt.
Ich musste lachen. Das war eigentlich nicht Sinn der Belehrung gewesen, aber ich hatte zwei Euro in der Tasche und ebenfalls Lust auf ein Eis.

Auf dem Weg zur Eisdiele kamen wir an einem bettelnden Obdachlosen vorbei. Einige Meter hinter ihm, krähte mein geliebter Sohn: „Mama, du hast dem armen Mann nichts gegeben!“
„Genau, Mama. Weißt du nicht, dass Teilen glücklich macht?“, rief uns der Mann feixend hinterher.
„Das weiß meine Mama“, antwortete das Söhnchen und blieb stehen. „Gib ihm was.“
„Dann können wir aber kein Eis mehr essen“, sagte ich. „Ich habe nur zwei Euro.“
„Eine Kugel kostet einen Euro“, sagte mein Kind. „Nur einer von uns kriegt dann kein Eis. Bist du das oder bin das ich?“
„Wir könnten uns ja eine Kugel teilen“, schlug ich vor.
„Das wäre aber nicht gerecht“, sagte das Söhnchen. „Du hast eine viel größere Zunge.“
Ich musste lachen. „Und nun?“
Mein Sohn dachte nach. Der Obdachlose und ich warteten gespannt.
„Wir geben dem armen Mann einen Euro, dann bekomme ich eine Kugel Eis und du darfst mit deiner großen Zunge mal lecken.“
„Sie haben ein sehr kluges Kind“, sagte der Mann.

„Das mit dem Teilen ist nicht so einfach“, sagte mein Sohn vor der Eisdiele.
„Nein, das ist es nicht. Manche müssen sehr alt werden, um es zu lernen. Manche lernen es ihr ganzes Leben lang nicht“.
„Dabei macht es wirklich glücklich“, sagte der Kleine. „Einmal Vanille, bitte.“

Donnerstag, 14. Juli 2016

Die Mutter-Kolumne – Du sollst nicht lügen!

Kennt Ihr den Papalagi? Das bist Du, das seid Ihr und wir und ich betrachtet durch die erstaunten Augen eines fiktiven Südseehäuptlings. Alltäglichkeiten, die schon immer so waren, die man einfach so macht, die doch richtig sind, erscheinen in dessen Worten plötzlich gar nicht mehr so normal und logisch, allenfalls witzig oder absurd manchmal sogar falsch. So etwas mache ich jetzt auch. Jeden Monat in der eltern.family nehme ich mir eine Selbstverständlichkeit aus dem Leben mit Kindern vor und frage mich: Klar, alle machen das so, aber wie so eigentlich.


„Das war ich nicht!“, beharrte des Söhnchens Kindergartenkumpel, obwohl wir es alle besser wussten.
„Lügen sind ganz dolle hässlich. Sie haben lange Nasen und kurze Beine. Trotzdem rennen sie viel schneller als die Wahrheit, stimmt´s Mama?“, krakeelte mein Kind. 
Richtig, so ähnlich hatte ich es ihm und seiner Schwester vorgebetet. Oft. Sehr oft. Immer wieder. Du sollst nicht lügen! Niemals. In einem etwas anderen Wortlaut steht das nicht nur in der Bibel. Nicht zu lügen ist auch ehrenhaft und von edler Gesinnung, also genau das Richtige für meine Kinder.
Leider hält dieser von mir so geliebte Anspruch der Realität am wenigsten stand. Wie kommt diese Karla Kolumna da drauf?, mag die eine oder der andere nun empört rufen. Ganz einfach, weil es die Wahrheit ist.

Lügen erfordern ein hohes Maß an Intelligenz, und meine Kinder sind sehr intelligent zudem auch kreativ, einfallsreich, versponnen und phantasievoll. Es gibt viele schöne Wörter dafür. 
Ein Höhepunkt der Beweisführung dieser wunderbaren Eigenschaften war sicher der Tag, als ich den abgeschnittenen Zopf im Bad hinter der Toilette fand. Auf meine eigentlich überflüssige Nachfrage, stand meine 5jährige Tochter vor mir und schüttelte verneinend ihr links bezopftes und rechts bestummeltes Köpfchen. 
„Das ist nicht meiner.“ 
„Ach so“, sagte ich zwischen Lachen und Empörung hin und her gerissen. „Ist es dann vielleicht meiner?“ Ich hielt mir das blonde Haar vor mein eigenes dunkelbraunes. 
„Vielleicht“, sagte die Kleine. „Vielleicht ist er aber auch von Jan.“ 
Jan, mein damaliger Lebenspartner, trug Glatze.

Es sollte trotzdem noch einige Zeit dauern, bis ich begriff, dass mein Anspruch wohl zu hoch lag, und ich damit meine Kinder in große Nöte brachte.
Mein Sohn und ich begegneten eines Tages auf der Straße einer sehr beleibten und auch etwas ungepflegten Dame, die ich flüchtig kannte. Wir blieben voreinander stehen, um einige Belanglosigkeiten auszutauschen. 
„Mama, wer ist die hässliche Frau?“, unterbrach das Söhnchen die bis dahin unbeschwerte Plauderei.

„Weißt du, man darf so etwas nicht sagen“, erklärte ich kurz danach. „Es verletzt die Frau.“
„Warum?“, fragte das kluge Kind. „Sie kann das doch auch im Spiegel sehen.“
„Aber sie will es nicht von anderen hören“, sagte ich. „Sie möchte sich bestimmt wie jeder andere Mensch auch schön fühlen.“
„Und darum sagt man ihr, dass sie schön aussieht, auch wenn man es nicht findet?“
„Ja“, murmelte ich.
„Ist das dann nicht gelogen?“
„Na ja“, wandte ich mich, „ein bisschen schon. Aber manchmal muss man eben ein klitzekleines bisschen die Unwahrheit sagen.“
„Damit man anderen nicht weh tut, meinst du?“, fragte das Söhnchen.
„Genau“, sagte ich.  

Monate später fand ich den Stapel Elternbriefe wegen nicht gemachter Hausaufgaben unter seinem Schrank. Fassungslos hielt ich sie ihm vor die verdächtig lange Nase. 
„Was ist das?“, fragte ich, obwohl das Ganze keiner Frage bedurfte.
„Das ist der Versuch, dir nicht weh zu tun“, antwortete mein Sohn.

Samstag, 18. Juni 2016

Tischdienst – Köstlicher Salat aus Süßkartoffeln, Linsen, Ruccola und frischen Kräutern

Als ich das letzte Mal meine Freundin Regina in Sydney besuchte, servierte sie einen sehr köstlichen grünen Couscous-Salat. Das Rezept dazu hatte sie aus einem wunderbaren Kochbuch: Community – Salad Recipes from Arthur Street Kitchen. Zum Glück schenkte sie es mir zu meinem nächsten Geburtstag. Daraus bereitete ich mit einigen Abwandlungen für unseren letzten Tischdienst einen sehr leckeren Salat mit Süßkartoffeln, Linsen, Ruccola und frischen Kräutern.


Man braucht (für etwa 6 Portionen):

3 Handvoll Nüsse (nach Geschmack Walnüsse, Cashews, Mandeln, Erdnüsse)
2 EL Honig
1/4 TL Chili Flocken (gemahlen)
1/2 TL Curcuma
Salz

1,5 kg Süßkartoffeln (geschält und in 2 bis 3 cm-große Stücke geschnitten)
6 EL Olivenöl
1/2 TL gemahlenen Muskat
1 TL gemahlenen Zimt
2 TL Cumin (gemahlener Kreuzkümmel)
1/2 TL gemahlenen Piment
Salz und Pfeffer

250 g grüne Linsen
2 EL Honig
2 Knoblauchzehen (gerieben)
4 EL Balsamico
8 EL Olivenöl
Salz und Pfeffer

1 Bund Ruccola (etwas zerschnitten)
frische Kräuter / ich nahm je eine Handvoll Basilikumblätter, glattblättrige Petersilie und Minze (man kann auch noch Schnittlauch, Estragon, Kerbel, Dill, Koriander hinzufügen)
ein Stück Parmesan von100 g (gehobelt)

So geht´s:

Der Salat wird in 4 Schritten zubereitet.

Zuerst habe ich die Nüsse kandiert. Den Honig mit dem Curcuma, dem Salz und den Chiliflocken mischen. Die Mischung unter die Nüsse rühren. Die Nussmischung auf einem Backblech verteilen, bei ca. 200 Grad für ca. 15 Minuten im Ofen rösten. Sofort auf Alufolie oder Backpapier umgießen und auskühlen lassen.


Aus Olivenöl, Muskat, Zimt, Cumin, Piment, Salz und Pfeffer eine Marinade rühren und die Süßkartoffeln damit einreiben (am besten mit den bloßen Händen). In eine Auflaufform geben und bei 200 Grad 25 min rösten, bis sie weich sind. Aus dem Ofen nehmen und zur Seite stellen.


Aus dem Honig, dem Olivenöl, dem geriebenen Knoblauch, dem Balsamico, Salz und Pfeffer eine Vinaigrette rühren.
Linsen in einem großen Topf mit Wasser für 10 bis 15 Minuten kochen, bis sie weich sind. Durch ein Sieb abgießen, in den Topf zurückgeben und die Vinaigrette unterziehen.


Nun die Kräuter fein hacken.


In einer großen Schüssel die Kartoffeln und die Linsen mischen.


Den grob zerschnittenen Ruccola und die Kräuter untermischen, die gerösteten Nüsse, den gehobelten Parmesan und einige gemahlene Chiliflocken darüber streuen.
Guten Appetit!

Donnerstag, 16. Juni 2016

Die Mutter-Kolumne – Gute Noten, muss das sein?

Kennt Ihr den Papalagi? Das bist Du, das seid Ihr und wir und ich betrachtet durch die erstaunten Augen eines fiktiven Südseehäuptlings. Alltäglichkeiten, die schon immer so waren, die man einfach so macht, die doch richtig sind, erscheinen in dessen Worten plötzlich gar nicht mehr so normal und logisch, allenfalls witzig oder absurd manchmal sogar falsch. So etwas mache ich jetzt auch. Jeden Monat in der eltern.family nehme ich mir eine Selbstverständlichkeit aus dem Leben mit Kindern vor und frage mich: Klar, alle machen das so, aber wie so eigentlich


„Leon hat geweint“, erzählte das Söhnchen und pfefferte sein Zeugnis auf den Tisch. „Wegen seiner Eltern. Weil er schlechte Noten hat. Dabei hat er nur Zweier und Dreier.“
„Um Gottes willen!“, entschlüpfte es mir und ich wusste nicht, ob wegen Leons strenger Eltern oder der Noten meines Sohnes. „Da ist nur eine Zwei, aber drei Vieren!“
Mit gerunzelter Stirn schaute er mich an. „Willst du etwa auch schimpfen?“
„Nein, aber das kannst du besser“, sagte ich zwar mahnend doch gefasst. „Außerdem haben wir es
der Lehrerin versprochen, die nur darum eine Empfehlung fürs Gymnasium gab.“
„Diese Lehrer schaffen es einfach nicht, mich zu faszinieren oder zu motivieren“, rief mein Sohn etwas theatralisch.
Es lag definitiv nicht an fehlender Intelligenz. Trotzdem. Er musste lernen. Er musste lernen zu lernen. Er musste gute Noten schreiben, allein um sein Selbstbewusstsein zu stärken. Und ich musste ihm dabei helfen. Egal wie.

Beim Besuch einer Schulpsychologin schilderte ich das Problem. Inzwischen hatte es sich um eine Französisch-Fünf vergrößert.
„Was ich dir jetzt sage, bleibt unter uns“, sagte die nette Dame zum Kind. Das nickte mit großen Augen. „In den Fächern, die dir Spaß machen, erreichst du gute Noten, in Französisch vermeidest du die Sechs und der Rest bleibt wenigstens im Mittelfeld. Abgemacht?“
Er gab ihr die Hand darauf.

Das sechste Schuljahr verging. Die Noten meines Sohnes machten mir weiterhin große Sorgen.
„Denk an die Absprache mit der Dame“, erinnerte er mich.
„Du aber auch!“, rief ich. „Irgendwann schaffst du es nämlich nicht mehr in diesem Sparmodus.“
„Wie so Sparmodus?“, empörte er sich. „Wir lernen doch jeden Tag Französisch.“
„Inzwischen kann ich das auch richtig gut“, erwiderte ich. „Ich habe mein Abitur aber schon.“

Eine Woche später wedelte er mit einer Mathearbeit und deutete auf die mit roter Tinte geschriebene 2+.
„Das war nur eine Ausnahme, als Beweis, dass ich es könnte. Ansonsten kennst du den Plan“, sagte er.
Hin- und hergerissen schaute ich ihn an. Ich wusste, dass es keinen Sinn machte, ihn zum Lernen zu zwingen. Allein die mehr oder minder freiwilligen Französischlerneinheiten wurden durch sein stetiges Gemecker zu einer echten Zerreißprobe.
„Schreit euch doch 5 Minuten an und dann lernt ihr 55 Minuten konzentriert“, hatte die Psychologin vorgeschlagen. Ein paradiesisch anmutender Zustand, den wir leider nie erreichen.
„Vertrau mir“, sagte mein Sohn. „Ich kriege das schon hin. Entweder packt mich der Ehrgeiz oder ich erkenne, dass das Gymnasium nichts für mich ist. Wenn ich niemals gerne lernen werde, möchte ich auch nicht studieren und brauche kein Abitur.“
Das klang plausibel. Konnte und sollte ich ihm tatsächlich vertrauen oder war es meine Aufgabe, für ihn zu entscheiden, weil er noch gar nicht wissen konnte?
„Irgendwann machst du mir vielleicht Vorwürfe, dich nicht härter rangenommen zu haben.“
„Auf keinen Fall“, sagte er.
„Wenn du mit mir lernen möchtest, ich bin da. Immer“, sagte ich.
Er nickte. Seitdem stehe ich in den Startlöchern und blättere schon mal durch das Chemiebuch.

Sonntag, 15. Mai 2016

Die Mutter-Kolumne – Ab ins Bett!

Kennt Ihr den Papalagi? Das bist Du, das seid Ihr und wir und ich betrachtet durch die erstaunten Augen eines fiktiven Südseehäuptlings. Alltäglichkeiten, die schon immer so waren, die man einfach so macht, die doch richtig sind, erscheinen in dessen Worten plötzlich gar nicht mehr so normal und logisch, allenfalls witzig oder absurd manchmal sogar falsch. So etwas mache ich jetzt auch. Jeden Monat in der eltern.family nehme ich mir eine Selbstverständlichkeit aus dem Leben mit Kindern vor und frage mich: Klar, alle machen das so, aber wie so eigentlich?


„Dass du noch lebst!“, staunte ein Nachbar, ob des eigenwilligen Schlafrhythmus meines 8-Monats-Töchterchens – etliche 15-Minuten-Perioden verteilt über 24 Stunden, die mir selbst keine Zeit ließen, ins Bett zu sinken. Dabei vollzog ich mit der Kleinen Schlafrituale und angelesene herzzerreissende Experimente. Nichts half. Sie wurde erst vom Jetlag gebrochen – ein Flug nach Sydney und die Sache war geritzt. Es lief eine Weile gut. 

Doch einige Jahre später schmetterte die inzwischen auf zwei angewachsene Kinderschar: „Wie so ins Bett? Du bist auch noch wach!“
„Keine Widerrede! Ihr braucht euren Schlaf“, verkündete ich und läutete das allabendliche Procedere ein. Es wurde gespeist, gebadet, massiert und eine Geschichte serviert, eine ausgedachte wohl bemerkt. Doch wenn ich mich danach fortschlich, warfen mir die Kleinen böse Blicke nach, während ich mir vor Erschöpfung nur mehr gedanklich die Haare raufen konnte. Das lief alles verkehrt. Dabei hätte ich die Abendstunden dringend gebraucht, um Frau und Mensch zu sein oder wenigstens in Ruhe ins Bad zu gehen. Aber vor allem hätten die Kinder gesund schlafend wachsen sollen – innen und außen.

„Lass sie doch, sie werden schon alleine müde“, sagte eine kinderlose Freundin.
Was wusste sie denn schon! Eine gute Mutter muss für ausreichend Schlaf sorgen.

Einmal saß ich in Malaga auf einem Platz. Meine Kinder verbrachten die Tage bei den Großeltern mit basteln, wandern, gesundem Essen und viel Schlaf. Um mich herum tobte das Leben. Erwachsene tranken Wein, palaverten und lachten. Kinder jeden Alters rannten herum, spielten und kreischten vor Lust. Es war ein Uhr nachts.
„Meinst du, die werden alle groß und stark?“, fragte ich erschüttert meine Reisebegleitung.
Sie sah mich an, als zweifelte sie an meinem Verstand. Nun, vielleicht hatte der wirklich etwas gelitten in den Jahren des Zubettbringkampfes. Aber gab es tatsächlich eine andere Möglichkeit? Konnte es sein, dass Kinder ihren eigenen Rhythmus finden? Was wäre, wenn der gegen den des gesellschaftlichen Lebens, sprich Kindergarten- und Schulbeginn, lief?

Wie so oft kam mir der Zufall zu Hilfe. Ich musste über Nacht fortbleiben und fand keinen Babysitter. Den hätten die 12- und der 9-Jährige zwar nicht mehr gebraucht, aber ich. Alle Telefone waren auf Notruf programmiert, Großeltern und Nachbarn wussten bescheid, die Kinder hatten genaue Instruktionen.
„Pünktlich um halb acht geht ihr ins Bett“, sagte ich bestimmt das zehnte Mal.
„Mama! Das hast du hundert Mal gesagt. Wir sind doch keine Babies mehr!“, sprach der Sohn genervt.
Mit klopfenden Herzen schloss ich anderntags die Wohnungstür auf. Fröhlich begrüßten mich die Kleinen.
„Hat alles gut geklappt?“, fragte ich und sah mich unauffällig nach Spuren der Verwüstung um.
„Klar“, sagte meine Tochter. „Wir waren um sieben im Bett.“
„Warum denn so früh?“, rief ich überrascht.
„Wir waren müde“, sagte das Söhnchen. „Wenn man müde ist, geht man zu Bett.“

Ich glaube, ich begann zu weinen. Ob vor Erleichterung oder Enttäuschung kann ich heute nicht mehr sagen.

Samstag, 16. April 2016

Viermal durch den Schwarzwald – Meine Lesetour in Südbaden

Eine Woche lang führte mich das Schicksal quer durch Südbaden, oder nicht das Schicksal sondern das Regierungspräsidium der Region und mein Beruf als Kinderbuchautorin. Kommt mit, wenn Ihr mögt, aber Achtung: Es wird emotional. 


Tag 1
Die Sonne scheint. Das ist schon mal gut. Ansonsten ist der erste Zug eine halbe Stunde verspätet, die vom netten Herrn hinter dem DB-Schalter herausgesuchte Alternativverbindung aber sowieso besser. Mein Koffer ist monsterschwer. Ich erinnere mich an das Bild eines winzigen Gepäckstücks, das ein geschätzter Kollege angeblich als Lesereisengepäck für eine Woche dabei gehabt haben wollte. "Na, Mama, ein Mann braucht weniger als du. Ich glaube nicht, dass der zwei Kuschelkissen und die Joggingschuhe mitnimmt", sagte meine Tochter noch zu Hause. Na gut, vielleicht nicht, also zumindest die Kuschelkissen nicht. Im Zug überarbeite ich Ferienhausaufgaben. Nicht meine. Im dritten Zug muss ich eine Stunde stehen. Macht nichts. Der Spiegel an der Rückwand der Fahrerkabine, in den ich die ganze Zeit starren muss, ist schlimmer. Die Sonne scheint aber noch. Im Gästehaus riecht es so penetrant nach altem Essen und Urin, dass mir ganz anders wird. Aber wenigstens ist schlagartig der Hunger nach der 4stündigen Fahrt weg. Das ist gut. Erstens gibt es hier nichts zu Essen um die Ecke, zweitens wollte ich diese unerwünschten Kilos mal wieder ernster angehen. Das Internet funkioniert einwandfrei. Das ist schön. Allerdings posten die Kollegen, die auch alle unterwegs zu sein scheinen, Katalogbilder von Paradiesen, die sie angeblich aus ihren Hotelfenstern geschossen haben wollen. Meine Aussicht durch das Fliegengitter hindurch direkt auf das Flachdach einer Tiefgarage ist so traurig, dass ich lieber ein Foto vom Zimmer mache. Das ist gelb und sehr sehr klein. Das ist nicht ganz so gut, weil ich groß bin.

Tag 2
Die Nacht ist wild, ich bin jedoch nur Zeuge. Um ein Uhr beginnt ein Paar im Nachbarzimmer zu streiten. Es könnte auch direkt neben meinem Bett sein. Leider sind die beiden nicht besonders fantasievoll oder eloquent und ich kann gar nichts weiter dazu lernen. Ein wirkliches Problem gibt es jedenfalls nicht, wie das ja meistens so ist. Sie haben beide Unrecht, würden es aber bestimmt nicht goutieren, ginge ich hinüber und mischte mich ein. Gegen 5 Uhr werde ich aus einem Traum gerissen. Laut diskutierend verschieben die beiden nebenan nun die Möbel. Wahrscheinlich habe ich den spannendsten Teil verschlafen. Sie scheinen auf alle Fälle ein sehr großes Zimmer zu haben.
Später beim Frühstück schaue ich mich neugierig um. Erstaunlicherweise sitzen da nur drei ältliche Paare.
Dafür dringen laute Stimmen aus der Küche. Die alte gehbehinderte Gästehausbesitzerin und ihr junger ausländischer Angestellter palavern.
„Weißt du, du kannst nicht zu Frau sagen „Ich lade dich in Restaurant“, und dann gibt es boom, boom, boom. So ist nicht Leben.“
„Nein, so ist es nicht.“
Nach der Lesung sagt die Bibliothekarin: „Ich glaube nicht, dass sich die Kinder auch nur eine Sekunde gelangweilt haben.“
Ich lächle und bedanke mich, frage mich aber, was sie gesagt hätte, wenn es anders gewesen wäre.
„Also, Frau Herden, ich habe das mal nachgemessen, die Kinder langweilten sich insgesamt 963 Sekunden.“
Dann sitze ich ein Stündchen am Wasser. Das laute Plappplapp der schlagenden Schwanenflügel auf der Wasseroberfläche beim Starten fällt mir auf. Vielleicht werde ich das einmal in einer Geschichte benutzen. Neben mir steht ein Baum voll lärmender Krähen, ihren Schein- und Nestern. Vor mit liegt ein Schiff, ein Flussentlangfahrtschiff, Zimmer neben Zimmer alle mit Balkon. Ich träume von einer Lesereise auf einem Schiff, das jeden Tag zweimal an einem Hafen festmachte, die Kinder kämen, ich läse, wir hätten Spaß und dann tuckerte ich weiter. Abends gäbe es Fisch und Wein. Könnte mir irgendjemand bitte mal so etwas organisieren?
Einige Stunden später komme ich im nächsten Ort an. Es gibt nicht viel zu sehen, darum schlüpfe ich in die Joggingschuhe, nun, da ich sie schon dabei habe. Dann laufe ich durch den Stadtgarten, der eher ein Stadtbeet ist. Das ist einerseits toll, denn die typischen Stadtpark-Gruppen – Mütter mit kleinen Kindern, verliebte Pärchen, Jungs in tiefhängenden Hosen, die gerne böse wären, der Kreis der Tippelbrüder und -schwestern, die Opas mit den Hunden, die Schulkinder – sie haben alle so wenig Platz, dass sie eigentlich ganz nahe beieinander sind und sein könnten. Blöd ist, dass ich Runde um Runde drehe und keine Strecke bekomme. Ich befürchte, dass mich morgen nach der Lesung eventuell Kinder fragen, ob ich das gewesen sei, die da mit hochrotem Kopf ständig um den Stadtgarten geschlichen sei, und warum ich das getan hätte.
Danach entdecke ich den Wellnessbereich des Hotels. Oh, ha! Ich kämpfe eine Weile kraulend mit der Gegenstromanlage und schwitze dann in der Sauna. Allerdings nur kurz, weil das so langweilig ist. Im Ruheraum lese ich die letzten Seiten eines Krimis. Gemurmel und eine schneidende Stimme dringen von nebenan zu mir.
„Wenn euch die Nudel unter den Achseln stört, dann schiebt sie euch einfach zwischen die Beine.“
Um Gottes willen! Es findet aber nur Aquagymnastik statt. Gerne hätte ich ein wenig zugeschaut, doch ich lächele nur breit und gehe schnell.

Tag 3
Wie alle riecht auch diese Bibliothek muffig. Für jeden Scheiß gibt es Duftdesigner, sogar für den Geruch von Neuwagen und Hotelfahrstühlen. Die Kunden sollen sich wohl und glamourös fühlen. Ich glaube fest daran, dass mehr Kinder läsen, wenn Bibliotheken nicht dermaßen nach Käsesocken und diesem Hauch von sehr altem Erbrochenen riechen würden. Sorry.
„Sie machen das bestimmt öfter“, sagt die Bibliothekarin nach der Lesung. Nun ja.
Ich fahre drei Stunden mit sehr langsamen Zügen durch den Schwarzwald. Hier war ich noch nie, und im ersten Moment ist mir, als sei ich Teil einer Modelleisenbahn. Eine kleine Figur im Zug, der an winkenden Frauen voller roter Bommeln vorbeifährt. Plötzlich passiert etwas Irres. Nicht mit mir und auch nicht um mich herum, sondern in mir. Ich bin auf einmal wirklich unterwegs. Allein um die Welt. Also fast. Es fühlt sich ein bisschen wie Freiheit an, obwohl die dunklen Tannen drängen und die engen Täler schluchzen. Dieses Gefühl wird sogar noch stärker, als sich ein Obdachloser neben mich setzt. (Wer einmal in Amerika mit den Greyhound-Bussen unterwegs war, weiß, wovon ich schreibe.) Von allem unbeeindruckt pupst und rülpst er vor sich hin. Doch diese frischen Gerüche können die alten seines Körpers, seiner Klamotten und vor allem seiner filzigen Mütze nicht verbrämen. Alle anderen Sitze im Wagen sind frei. Er ahnt wohl meinen Gedanken, schaut mich finster an und ich blicke schnell wieder aus dem Fenster.
Der Zielort ist trostlos.
„Seien Sie nicht entsetzt“, sagt die Bibliothekarin. „Hier steht alles leer.“
Durch die leeren Häuser des verschatteten Tals fläzt sich eine dicke Durchgangsstraße.
Der Gasthof liegt in einer Haarnadelkurve, durch die sich Millionen Fahrzeuge und Schwerlaster drängen. Ich habe mich schon immer gefragt, wer in so etwas übernachtet. Außer mir noch drei Autos voller Soldaten, alle getarnt, vom Mützchen bis zum Laptopcover.
„Hier gibt es zwei Waffenfabriken. Darum. Das ist ja eigentlich nicht so schön“, sagt die Bibliothekarin.
Nein, das ist es nicht.
Ich habe große Lust auf eine kleine Wanderung auf die Höhen.
„Sie machen jetzt aber keine große Tour und gehen mir verloren.“
„Das hatte ich nicht vor.“
„Nicht dass wir die Bergwacht rufen müssen.“
„Nur eine kleine Runde.“
„Sie krabbeln auch nicht in irgendwelchen Höhlen rum.“
„Oh, hier gibt es Höhlen, in denen man herumkrabbeln kann?“
„Sie werden da nicht reingehen! Versprochen?“
„Versprochen.“
In manchen älteren Damen und in gewissen Männern löse ich einen enormen Beschützerinstinkt aus. Das kenne ich schon.

Tag 4
Beim Frühstück geht die Saftpresse kaputt. Ich glaube mir. Die Bibliothek ist lichtdurchflutet und riecht gut. Später erzählt die nette Bibliothekarin, dass kaum noch jemand kommt. Na so was, denke ich, dabei riecht es hier so gut.
Wir rasen die 40 km zur nächsten Lesung konsequent im 2. Gang dafür mit 5000 Umdrehungen. Ich überlege, ob ich um weniger Geschwindigkeit bitten soll, oder darum, dass sie doch schalten möge. Unbekümmert erklärt sie mir die Gegend. Die älteste Stadt Baden-Württembergs heißt wie ein Hund und hat einen absurd hohen Schlot. „Darin werden Aufzüge getestet“, sagt sie und schaltet endlich. Beinahe stöhne ich vor Erleichterung auf. Dann tritt sie voll durch und mir wird ganz anders. Ich überlege, ob die Fahrstuhlabsturzsimulationen bemannt stattfinden und was es doch für besondere Berufe gibt. Wir geraten nur einmal in echte Lebensgefahr.
Nach der zweiten Lesung sitze ich am Bahnhof, der inmitten des Nirgendwos liegt und nur eine Bushaltestelle ist. Es regnet in Strömen. Ich muss aber nur 40 Minuten warten und werde fast nicht nass. Neben mir hat jemand „FUK AYRENMEN“ an die Wand geschrieben. Ich lese es mehrmals, bis ich es kapiere. Wie blöd, wenn man nicht mal ein ordentliches FUCK zustande bringt.
Zurück durch den Schwarzwald. Die Höllentalbahn ist besonders, das „Himmelreich“ nicht. Ich bin froh, im Zug zu sitzen. Draußen regnet es.
Mir gegenüber studiert ein älterer Herr die Fahrpläne der Züge des Landes. Alle. In der Hand hält er einen Stift. Er schreibt nichts auf, er murmelt die ganze Zeit. Ich wage nicht zu fragen.
Nächster Zug, dann noch einer und noch einer und noch einer.
Abends komme ich irgendwo an. Ich glaube, hier ist es schön. Ich sehe es nicht. Bindfäden ziehen sich zwischen grauem Himmel und dampfender Wiese.

Tag 5
Etwas fliegt gegen das Fenster. Kurz verliere ich mich in der Phantasie, der Prinz stünde unten und würfe kleine Steine. Kennt man ja. Dann packt mich der Schmerz. Tagelang schleppte ich mein Gepäck durch Südbaden, in Züge hinein, Bahnsteige herab, enge Gasthaustreppen hinauf. Meine Schultern sind verrissen. Keine Ahnung wie das heute mit dem Jubeln klappen soll und ob ich Rockstar sein können werde. Das Geräusch am Fenster reisst nicht ab. Ich lunze durch die geklöppelte Gardine. Eine Bachstelze stürzt sich wieder und wieder Brust voran vom Blumenkasten gegen die Scheibe. Himmel, wir sind wirklich viele.
Nach der zweiten Lesung reden wir über Pubertät, ich weiß nicht, wie wir darauf kommen.
„Ich will das nie kriegen“, stöhnt ein Junge. „Das ist schrecklich.“
Wir sind einer Meinung. Alle. Doch plötzlich höre ich mich sagen, wie wichtig auch diese Entwicklungsstufe sei. Trotz allem. Völlig klar, was hier passiert. Ich vermisse meine Kinder unendlich. Mit allem.
„Mein Vater hasst die Pub- … Pub- … na eben das bei meinem Bruder so sehr, dass er Pupsität dazu sagt.“
Die Kinder lachen.
„Na, ein Pups ist sie ja nicht gerade“, sage ich. „Ich würde sie eher Furzität nennen.“
Es dauert einen Moment. Dann lachen die Kinder noch lauter.
Die Bibliothekarin findet später viele Worte des Lobs.
„Danke schön“, sage ich.
Danke Gene, Eltern, Schöpfer, Schicksal. Dass ich Schreiben und Vorlesen kann. Dass ich so mein eigener Mensch sein darf. Dass mich neueste Smartphones, große Fernseher, dicke Autos, schicke Schuhe und teure Kosmetika, all diese Substitute, noch nie interessiert haben.
Von Südwesten prophezeiten sie tagelangen Regen. Ich befinde mich im äußersten südwestlichen Zipfel und sie haben leider recht. Bus, dann Zug, wieder Bus, noch einmal Zug. Scheißkoffer. Dafür erhasche ich einen kurzen Blick auf die Rheinfälle. Wunderbar, kann ich die auch abhaken.
Die Sonne bricht durch. Ich bin nicht nur in der Schulter verrissen, sondern auch in meiner Brust. Wie die durchgeknallte Bachstelze. Habe zugleich unendliche Sehnsucht nach der weiten Welt und nach Zuhause.
Meine letzten Gastgeber sind Eheleute, die privat ein Zimmer vermieteten. Dort drin wohnt allerdings schon jemand. Darum quartieren sie mich in ihr Schlafzimmer ein. Ich habe ein schlechtes Gewissen und frage mich, wo sie wohl schlafen werden. Immerhin sind sie älter als ich.
Ich verdrücke mich in das Örtchen. Es liegt auf einem Felsen und ist eine blitzeblank geputzte Mittelalter-Kulisse. Ich entdecke ein Oma-Café mit Apfelrahmtorte und Aussicht. Die kleinen Dinge eben.

Tag 6
Die letzte Lesung der Tour endet in einer Stunde Fragerunde. Ich habe ein enormes Redebedürfnis, die Fünftklässler stört das nicht. Weil ich das darf, reden wir über blöde Lehrer und bekloppte Schulleiter, aber auch lange über Bücher. Als mir die Bibliothekarin einen Beutel mit Reiseproviant in die Hand drückt, plappere ich wie aufgezogen weiter, weil ich sonst heulen würde.
Plötzlich hämmert es an die Tür. Zwei Polizisten in voller Montur stehen davor. Ich habe solche noch nie als meine Freunde und Helfer wahrgenommen.
„Ist regulär geöffnet?“, fragt der eine.
„Nein, wir hatten gerade eine Lesung für Kinder.“
„Aha. Wann ist denn geöffnet?“
„Um drei.“
„Gut, dann kommen wir um drei wieder.“
„Was wollten die denn?“, frage ich.
„Das haben sie nicht gesagt.
„Vielleicht war ihnen langweilig.“
„Hier in Engen ist ja nichts los. Vielleicht wollten sie ein Buch ausleihen.“
„Bestimmt einen Krimi.“
Wir prusten los.
Ich komme das vierte Mal durch Villingen und muss einen hysterischen Lachanfall unterdrücken. Ich möchte für eine sehr sehr lange Zeit nicht mehr in den Schwarzwald, dessen Tannen auch nur Fichten und Kiefern sind. Zum Glück gibt es ein Klo im Zug. Es ist eine komplizierte Angelegenheit mit vielen Knöpfen. Als sich die elektrische Tür wieder öffnet, platze ich in eine völlig absurde Situation. Zwei ausländische Jugendliche stehen mit erhobenen Händen vor mir. Ein voll bewaffneter Polizist (schon wieder!) mit Einweghandschuhen angetan schaut gerade in die Unterhose des einen. Sie blicken erschreckt in meine Richtung und grinsen ertappt. Alle drei. Neben ihnen liegen einige Geldbörsen am Boden. Auf einer sumpfigen Wiese stehen 19 Störche.
Ich schleppe den Koffer die achtundachtzig Stufen in unsere Bude rauf. Schließe die Tür auf. Von Dankbarkeit erfüllt sinke ich auf die Knie. Vor mir im Teppich sind zwei riesige Brandlöcher. Die waren da vor sechs Tagen noch nicht. Zuhause, endlich zuhause!

Sonntag, 10. April 2016

Die Mutter-Kolumne – Kinder brauchen eine gesunde und ausgewogene Ernährung. Ha! Der ist gut.

Kennt Ihr den Papalagi? Das bist Du, das seid Ihr und wir und ich betrachtet durch die erstaunten Augen eines fiktiven Südseehäuptlings. Alltäglichkeiten, die schon immer so waren, die man einfach so macht, die doch richtig sind, erscheinen in dessen Worten plötzlich gar nicht mehr so normal und logisch, allenfalls witzig oder absurd manchmal sogar falsch. So etwas mache ich jetzt auch. Jeden Monat in der eltern.family nehme ich mir eine Selbstverständlichkeit aus dem Leben mit Kindern vor und frage mich: Klar, alle machen das so, aber wie so eigentlich?



Seit das Töchterchen nach der ersten Mörenbreizufütterung vehement nach mehr verlangte, halten mich die Folgen dieser Forderung seit mittlerweile 17 Jahren in Atem, gilt es doch, den Kindern jeden Tag gesunde Kost zu servieren. Um es vorweg zu nehmen, hätte ich keinen Sohn mehr bekommen, hätte es vielleicht auch geklappt.

Ich kochte breiige Wochenvorräte aus Möhren, Kartoffeln und Hühnchen, zerdrückte Avocados und Bananen, rieb Äpfel und verabreichte Fenchelsegmente mit Stiel als Lolliersatz. Es lief gut. Ich war stolz auf mich, ich machte es richtig.

Doch eines Tages saßen wir am Bondi Beach. Ich hatte mir eine Tüte Fish und Chips gekauft. Das Töchterchen, inzwischen zehn Monate alt, gab so lange keine Ruhe, bis ich ihr eine der dicken Schnitzen ins sandige Händchen drückte.
„Süße, daran kannst du herumsaugen, während ich in Ruhe speise.“
Ha! Erstens erpresste sie mich mit Geschrei, bis ich ihr die Hälfte von allem abgegeben hatte und zweitens konnte ich nie wieder in Ruhe essen. Hatte sie mir zuvor mit großen Augen beim Essen nur zugeschaut, verlangte sie nun lauthals ihren Anteil daran. Meist den größeren.

Zu Beginn hatte ich ein schlechtes Gewissen, versteckte mich beim Essen von Ungesundem. Doch irgendwann gewahrte ich die Vorteile. Es war so unterwegs viel unkomplizierter, keine Babaynahrung musste mitgeschleppt werden, wir waren spontan und frei. Meistens aßen wir gesund, nun auch ich, und die Kleine entwickelte sich prächtig.

Dann wurde mein Sohn geboren.
Auch er hatte den Moment, der alles veränderte. Die Möhrenbreiphase war abgeschlossen, es verlangte ihn nach einem Obstjoghurt. Ich weiß nicht mehr, was ich tat, während er in seinem Kinderstühlchen vor sich hinlöffelte. Es schien mir jedoch Stunden später, da er „Fertig!“ krähte.
Mir fielen fast die Augen aus dem Kopf, als ich am Boden des sauberen Bechers die völlig joghurtfreien Obststückchen liegen sah. Wie hatte er das gemacht? 
Bis heute ein Rätsel.
Bis heute zum Verrücktwerden. 
Es zeigte sich, dass der Speiseplan meines Sohnes nur zehn Variabeln entwickeln würde: Schokocremebrote, Garnelensushi, Gurke, Nudeln ohne Soße, Breaburn-Äpfel, japanische Suppen, Pizza, Putenbrust mit Pommes, Hamburger (nur Fleisch und Ketchup), Gemüsesuppe. Einmal waren es elf gewesen. Aber nur solange bis er wusste, dass Bärchenwurst Geflügelmortadella ist.
Wie soll man mit diesen Vorgaben, die Rolle als gute Mutter erfüllen?

Ich gab nie auf. Stehe seit Jahren in der Küche, koche, brutzle und arrangiere gesunde Speisen aller Art und scheitere täglich. Denn wer erfragt die eigentlich?
Mein Sohn nicht. Er isst Schokocremebrote, japanische Nudelsuppen und Breaburn-Äpfel und wächst trotzdem, auch an den richtigen Stellen. Er kann klar denken, hat weder Hautausschläge noch sonstiges Organversagen und auch keinerlei Intoleranz. Außer gegenüber einer gesunden und ausgewogenen Kost.

Letztens sagte er: „Mama, gib dir doch nicht immer so viel Mühe. Wenn ich mal ausziehe, esse ich sowieso nur noch Fertigkram.“
Es wird wohl Zeit, mich langsam zu entspannen.

Samstag, 2. April 2016

Weil ich ein Mädchen bin – eine kleine Buchbesprechung

Als ich 13 Jahre alt war, las ich sehr gerne Ratgeber für Mädchen und junge Frauen. Überraschenderweise solche, die für eine ganz andere Mädchengeneration geschrieben worden waren. Es gefiel mir, die morgendliche Gymnastik am offenen Fenster zu turnen, mir ein Haarband zu knoten und mein Gesicht mit einer einfachen Feuchtigkeitscreme zu verwöhnen, meine Kleidung zuhause in eine gepflegt gemütliche (Jogginghose) zu tauschen, um die gute zu schonen, sonntags einen Kuchen zu backen und die Freundinnen (die ich nicht hatte, nur eine, die aber so weit weg wohnte, dass sie sonntags nicht einfach so hätte vorbeikommen können) zu einem Plauderstündchen einzuladen. Das waren alles Tipps aus den Büchern für Mädchen der 50er Jahre. Warum gefiel mir so etwas? Vielleicht war das so etwas wie Sehnsucht nach Ruhe, Geordnetem und Normalität in einer Zeit, die bis zur totalen Erschöpfung aufregte? 

Bis kurz davor las ich wilde Abenteuerromane und Capote, zeitgleich lieh ich mir heimlich schundige Mysterie- und Denise-Heftchen von meiner Freundin aus, mit 14 versank ich dann in Francoise Sagan und Balzac und hatte meinen ersten, 6 Jahre älteren Freund. 

Dieses eine Jahr war also mein Mädchenjahr und vielleicht gab es damals keine adäquaten Mädchenbücher, die Zeitschrift Mädchen flatterte hin und wieder vorbei, ich flüchtete in Nostalgie, las Schundhefte und schrieb mir die Qual der Pubertät aus der Seele ins Tagebuch. 


Wenn man all diese Versatzstücke zusammennimmt (Tipps für die Gesund- und Schönheit / kleine Rezepte / Freundinnengeschichten / erste Liebe, erster Kuss und erster Sex / quälende Gefühle, große Fragen und wilde Gedanken), wenn man diese wunderbar aufregende Mixtur ergänzt mit den Erkenntnissen, Erfahrungen und dem Wissen, das uns heute, 32 Jahre später zur Verfügung steht, das Ganze noch abschmeckt mit Zeitgeist und Emanzipation, dann erhält man Ilona Einwohlts neuen Mädchenratgeber „Weil ich ein Mädchen bin“ (Sauerländer). 
Ein fröhlich gestaltetes Buch für den Beginn der Zeit zwischen Kind und Frau, das über vieles Bescheid weiß und erste Fragen beantwortet, das Mut und gute Laune macht, das rät und tröstet, vor allem aber zur Achtsamkeit sich selbst gegenüber gemahnt und entsprechende Übungen parat hält. Wahrscheinlich hätte ich das Buch geliebt, vielleicht schon etwas eher, etwa mit 11 bis 12 Jahren.

Samstag, 26. März 2016

Köstliche Oreo-Torte

In Magazinen und im Netz stieß ich auf verschiedene Rezepte für eine Torte mit Oreo Keksen, die ja eigentlich auch ohne Torte schon sehr lecker sind. Doch verarbeitet wie in diesem Rezept, das ich mir aus den anderen zusammengebastelt habe, sind sie einfach himmlisch.

Man braucht:

300 g Oreo Kekse
60 g Butter
750 g Sahnequark
3 Eigelb
600 ml gezuckerte Kondenzmilch (Milchmädchen)
1 Päckchen Sahnesteif
50 g geraspelte Schokolade
2 Limetten


So geht´s:
Zuerst darf man voll kindlicher Freude, die Oreo Kekse trennen. Die Kekshälften kommen in eine Plastiktüte, die Füllung in eine Rührschüssel.
Die Butter schmilzt man bei mittlerer Temperatur.
Die Kekshälften mit einem Nudelholz ganz fein zerbröseln. Etwa 3 bis 4 Esslöffel davon zur Seite stellen. Den Rest mit der geschmolzenen Butter gut mischen.
Eine Springform (24 cm Durchmesser) mit Backpapier auskleiden. Die Keks-Butter-Mischung fest auf den Boden drücken und für etwa eine Viertelstunde ins Gefrierfach stellen.
Den Ofen auf 200 Grad Celsius vorheizen.
Die Keksfüllungen, den Sahnequark, die 3 Eigelb und 200ml der gezuckerten Kondenzmilch (den Rest in den Kühlschrank stellen) sehr gut mit dem Mixer verrühren bis eine homogene Masse entstanden ist. Diese auf dem Keksboden verteilen und das Ganze für etwa 30 Minuten backen, herausnehmen und mit der geraspelten Schokolade bestreuen. Dann den Kuchen in der Form auskühlen lassen. Das dauert ziemlich lange (etwa 1 Stunde).
400 ml gezuckerte Kondenzmilch mit dem Saft der beiden Limetten aufschlagen, das Sahnesteif einrieseln lassen und solange schlagen, bis eine fluffige Creme entstanden ist. Diese auf die erkaltete Torte streichen.
Die Torte für etwa eine Stunde in den Gefrierschrank oder für 4 Stunden in den Kühlschrank stellen. Vor dem Servieren mit den zur Seite gestellten Oreokrümeln bestreuen.
Köstlich!

Dienstag, 22. März 2016

Die Mutter-Kolumne – Kinder brauchen ihre eigene Kinderkultur ... ähm, wirklich?

Kennt Ihr den Papalagi? Das bist Du, das seid Ihr und wir und ich betrachtet durch die erstaunten Augen eines fiktiven Südseehäuptlings. Alltäglichkeiten, die schon immer so waren, die man einfach so macht, die doch richtig sind, erscheinen in dessen Worten plötzlich gar nicht mehr so normal und logisch, allenfalls witzig oder absurd manchmal sogar falsch. So etwas mache ich jetzt auch. Jeden Monat in der eltern.family nehme ich mir eine Selbstverständlichkeit aus dem Leben mit Kindern vor und frage mich: Klar, alle machen das so, aber wie so eigentlich?


Man kennt das: Ständig werden allerlei kulturelle Veranstaltungen in den Kalender eingetragen: Konzerte, Theater, Lesungen, Ausstellungen – jedoch nicht als romantische Dates, sondern als unterhaltende aber vor allem geistfördernde Kulturevents für die Kleinen. Kinderkonzert mit Ralf und seiner Gitarre, das Lilliput-Theater spielt "Wir tanzen auf dem Tisch", Bilderbuchkino mit Frau Ulla aus der Stadtbücherei, Mitmachkunst aus Pappenheim. Zu diesen Terminen geht man en famille auch hin, jedenfalls eher als zu zweit zu Glasperlenspiel in die Centralstation, obwohl man sich das fest vorgenommen hatte. Denn Kinder brauchen diese ihre eigene auf sie zugeschnittene Kultur. Zudem ist das Zeitfenster sehr gering, es bleiben acht kurze Jahre und die müssen genutzt werden. Oder? 

„Das ist langweilig“, raunte mein Söhnchen damals, als wir auf Sitzkissen kauernd einem Barden lauschten, der seine Textchen mit gezupften Gitarrenakkorden begleitete. 
Spätestens als er uns bat mitzusingen, verschwanden wir klammheimlich. Beinahe klammheimlich, denn ich stolperte über eines der Sitzkissen und unterbrach so ungestüm den lauschigen Moment.
„Das beste war, als Mama hingeflogen ist“, erzählte der Spross von jenem Konzert. 
Das kann nicht in der Absicht des Musikers gelegen haben.

Einmal begleitete uns mein Vater auf ein Kinderkonzert. Er hing neben mir auf dem Stuhl, die Augen halb geschlossen. Dann kam das erste Mitmachlied. Die beiden langhaarigen Eltern vor uns sprangen wie von der Tarantel gestochen auf und fuchtelten begeistert nach Anleitung mit den Armen, gingen in die Knie und hüpften hoch. Von dem Moment an machte uns das Ganze Spaß. 
Meinen Kindern leider nicht, die saßen vorne und starrten verwundert auf die kreischende und fuchtelnde Musikantentruppe.

Wir besuchten auch Kindertheateraufführungen. Solange meine Kinder dachten, auf der Bühne stünden tatsächlich Ernie und Bert, die für sie sangen, war alles wunderbar. Doch mit vier Jahren erkannten sie die Wahrheit.
„Da sind Erwachsene drunter, die spielen nur“, stellte das Töchterchen fest. „Denken die, ich bin doof und merke das nicht?“
Während die begleitenden Eltern Spaß zu haben schienen, gähnten die Kleinen und mein Sohn flüsterte, so dass es auch alle anderen gut hören konnten: „Die Frau in dem hässlichen Kostüm hat eine komische Stimme.“

Zur selben Zeit tobten meine Sprösschen kopf- und rumpfschüttelnd zu meinen alten Nirvana-Platten durch die Bude, sangen Bowies Major Tom mit, verharrten regungslos und mit vor Faszination geöffnetem Schnütchen vor Impro-Thetargruppen in der Innenstadt und besprachen wochenlang die Installationen von Edward Kienholz, die sie in der Kunsthalle gesehen hatten.
„Kultur für Kinder wird eben von Erwachsenen gemacht, die sich vorstellen, was Kindern gefällt“, sagte ich zu meinem Vater. „So gefällt sie letztendlich den Eltern, wie damals beim Konzert dem Paar vor uns.“ 
Er grinste. „Mit denen hatte ich mich noch unterhalten. Sie waren gar kein Paar und hatten auch keine Kinder. Das waren Sozialpädagogen.“
In dem Moment kam mein Töchterchen um die Ecke, schrappte auf ihrer Luftgitarre und grölte: „Here we are now, entertain us!“
Mein Vater schaute mich sehr nachdenklich an. Allen kann man es eben nie recht machen. Doch auch das ist ja ein Aspekt von Kunst und Kultur.

Sonntag, 20. März 2016

Leckere Frühlingszwiebel – Focaccia und Hummus

Für unser Probekochen zum nächsten Tischdienst mit dem Motto "Frühlingserwachen" hatte ich mir die Frühlingszwiebel heraus gesucht. Ich bug ein Brot und mixte dazu ein Hummus. Beides ergänzte sehr fein Annas Rote-Bete-Eier, das Gurkenlassi und die Rohkost-Karotten-Torte von Selina. Bitte schön, hier kommen meine Rezepte. Die der anderen beiden findet Ihr auf unserer Tischdienst-Seite.



Frühlingszwiebel-Petersilie-Focaccia:

Man braucht:
ca. 8 bis 10 ganze oder halbe Frühlingszwiebeln (falls sie zu dick sind, halbieren)
1 Bund glatte Petersilie
2 Knoblauchzehen
Olivenöl
Salz

ein drittel Stück frische Hefe
300 ml lauwarmes Wasser
1 El Honig oder braunen Zucker
1 Tl Salz
Olivenöl
450 g Mehl (eventuell etwas mehr)

So geht´s:
Das Mehl in eine Schüssel sieben, eine Kuhle hineindrücken, Hefe hineinkrümeln, den Honig, Salz, Olivenöl und etwas Wasser hinzugeben und daraus mit einer Gabel einen kleinen Vorteig mengen. Den für einige Minuten in der Mehlkuhle ruhen lassen. Dann nach und nach das restliche Wasser hinzugeben und den Vorteig und das Mehl zu einem Hefeteig verarbeiten. So lange kneten, bis dieser schön geschmeidig ist.
In eine Schüssel etwas Olivenöl auf Boden und Wände verteilen, den Teig hineingeben, mit einem Küchenhandtuch abdecken und eine Stunde lang ruhen lassen.
Ein hohes Backblech (o. Ähnliches) mit Olivenöl etwas einfetten, den Teig darauf geben und mit den Händen zu einem Fladen auf das ganze Blech drücken.


Ofen auf 200 Grad Celsius vorheizen.
Die Frühlingszwiebeln waschen, eventuell halbieren und je nach Geschmack überschüssiges Grün abschneiden.
Petersilie waschen und grob hacken. Knoblauch schälen und fein hacken. Petersilie und Knoblauch mit etwa 100 ml Olivenöl und einem Teelöffel Salz mischen.


Die Frühlingszwiebeln in den Teig drücken. Petersilienmischung großzügig darauf verteilen, dabei auch etwas Öl auf die Zwiebeln geben. Eventuell noch etwas grobes Salz über alles streuen.


Die Focaccia bei 200 Grad für etwa 20 bis 25 Minuten backen.



Dazu gibt es Frühlingszwiebelhummus.

Man braucht dafür:
10 Frühlingszwiebeln
Olivenöl
1 große oder zwei kleine Dosen Kichererbsen
ca 100 g Tahini (Sesampaste)
3 Bio-Zitronen
Salz
Chiliflocken


So geht´s:
Die Frühlingszwiebeln waschen, überschüssiges Grün abschneiden, in eine Auflaufform legen und mit reichlich Öl beträufeln. Die Auflaufform ca. 10 Minuten bei 200 Grad Celsius in den Ofen stellen.
Die Schale von zwei Zitronen abreiben und den Saft aller drei auspressen.
Frühlingszwiebeln, abgetropfte Kichererbsen, Tahini, Zitronenschale und -saft, ein, zwei Prisen Salz, gemahlene Chiliflocken nach Geschmack und einen ordentlichen Schuss Olivenöl in den Mixer geben und so lange mixen, bis eine sämige Masse entstanden ist. Falls die zu fest erscheint, löffelweise noch etwas Öl, Orangensaft oder Wasser zugeben.
In eine Schüssel füllen, mit etwas Olivenöl beträufeln, und mit gemahlenem Chili abrunden. (Auf dem Bild seht Ihr etwa ein Drittel der entstandenen Menge.)


Beides reicht für etwa 6 Leute. Vom Humus bleibt sogar noch etwas übrig. Das kann man in ein Schraubglas füllen, im Kühlschrank lagern und noch etwa eine Woche lang genießen.
Guten Appetit!


Mittwoch, 9. März 2016

Tourtagebuch – 5 Tage vorlesend in Oberbaden unterwegs


Immer wieder werde ich gefragt, wie meine Lesereisen so seien. Nun denn, während der der letzten Woche schrieb ich Tagebuch.

Erster Tag –
Der Koffer ist gepackt. Unbedingt hinein gehörten die warmen Socken, das Bild der Kinder, das Kuschelkissen, ein Regenschirm, der Ordner der Bibliotheksstelle, in dem meine Reise wunderbar aufbereitet ist, der Rechner natürlich und Leselektüre für mich. Am besten ein Lieblingsbuch, dieses Mal sogar zwei: Die Landkarte des Chaos und Flavias siebter Fall. Schwer wird der Koffer von den Büchern, aus denen ich vorlesen werde, den 600 Autogrammkarten, die entweder zu viele oder zu wenige sein werden. Noch schwerer wird er durch die Einsamkeit, die mit mir reisen wird.
„Machs gut“, sagt mein Sohn mit einem Schmunzeln in den Augen. Er freut sich auf vier Tage sturmfrei. Der Preis ist eine blitzblank geputzte Bude, wenn ich zurück komme. Das klappt wunderbar, das weiß ich schon.
Es regnet nicht nur, es beginnt überraschend zu schneien.
Zugfahren im Dunkeln mag ich nicht.
In Heidelberg weht es mich fast vom Bahnsteig. Ich bin viel zu dünn angezogen, schaue mich nervös um. Hier wird doch wohl keiner niesen müssen? Herumfliegende Bakterien, gar Vieren könnte ich jetzt nicht bekämpfen. Neben mir niest es tatsächlich. Hilfe, bin in extremer Gefahr!
Eineinhalb Stunden mit der S-Bahn. Wohin, kann ich nicht sehen. Plötzlich ein Ortsname, den ich kenne, aber nicht von hier. Hatte ich eigentlich je geprüft, ob es eventuell mehrere Seckbachs gibt? Vielleicht verteilt über ganz Deutschland? Ich kann niemanden fragen, denn außer mir unternimmt niemand sonst diese Fahrt. Den Zugführer will ich nicht stören, der muss sich konzentrieren, damit er durch das Schneetreiben etwas sieht. Nun habe ich etwas zum Gruseln. Mitten in der Nacht im Irgendwo ankommen, wo einen keiner erwartet, wo nichts ist. So beginnen Geschichten.
Um 20 Uhr am Bahnsteig erwartet mich Frau Link, die nette Dame von der Bibliothek, und bringt mich ins zehn Kilometer entfernte Hotel in Buchen. Ich bitte um Wärme und drehe das Heißgebläse voll auf. Sie hat nichts dagegen. Zum Dank umarme ich sie, obwohl wir uns erst seit fünfzehn Minuten kennen. Ich entschuldige mich, aber sie sagt, das mache doch nichts. Wie schön.
Man empfängt mich nett im Gästehaus. Obwohl das Hotel Zum Reichsadler heißt und von außen auch so aussieht, hat sich im Zimmer jemand gestalterisch ausgetobt, jemand der vielleicht lieber Innenarchitektur oder Design studiert hätte, aber dann eben doch das elterliche Hotel übernahm. Ich freue mich darüber.
Draußen schneit es noch immer, dabei wäre, wäre nicht ein Schaltjahr, meteorologischer Frühlingsanfang. Hunger habe ich zum Glück fast keinen. Die Heizungen bleiben eiskalt, das Internet ist zu langsam, um irgendetwas darin zu finden. Ich krieche unter zwei weiche Decken, lese eine Stunde lang, nehme eine Schlaftablette. Ich schaffe es, nicht zuhause anzurufen. Beinahe kann ich schlafen.

Zweiter Tag –
Ich wache panisch auf, zum Glück vor dem Wecker. Ich mag das Geräusch nicht, das er macht. Ich schalte sofort den Fernseher an. In der Fremde bin ich in der Stille zu sehr allein.
Zum Frühstück ist alles da, lag vorher aber wohl beim Discounter im Regal. Sogar der Saft ist keiner. Ich höre mich selbst schlucken. Dann wird mir ein bisschen übel. Dabei wäre das Brötchen ohne etwas drauf lecker gewesen. Dorfbrötchen, obwohl ich mich, glaube ich, in einer kleinen Stadt befinde.
Die Bibliothek liegt romantisch im alten Kern, dieser liegt in einer morgendlichen Wintersonne.
Der junge Reporter der ortsansässigen Zeitung schaut mir beim Interview nicht in die Augen, dafür fotografiert er von der Seite, während ich lese. Ich sage ihm nicht, dass man so etwas mit einer 45-Jährigen nicht tun sollte.
Die zwei Lesungen sind spaßig. Zum Glück hört das nicht auf. Was wäre, falls das mal passieren sollte?
Die 160 Drittklässler sind fröhlich und stellen viele Fragen. Ein Junge faltet gerne Origami. Er kann auch den Kranich, mein ewiges Scheitern. „Oh, wie toll!“, rufe ich. „Denn wusstet ihr, dass man einen Wunsch vom Universum erfüllt bekommt, wenn man 1000 Kraniche gefaltet hat?“ Alle nicken, so etwas weiß man hier. Ein ganz besonderer Ort scheint das zu sein. Wir lachen zusammen und es gehen nur zwei Stühle kaputt.
Ich trinke zu viel Kaffee und sitze wieder eineinhalb Stunden in der S-Bahn. Dieses Mal schaue ich hinaus. Hübsch ist es da. Die Sonne scheint immer noch. Dann muss ich zur Toilette und weiß, dass ich erst in einer Stunde im IC nach Karlsruhe gehen können werde.
Ich schaffe es. Auf dem Nebengleis fährt der IC zurück ins Heimatstädchen.
In Karlsruhe empfängt mich Frau Hess, der ich diese Reise zu verdanken habe, mit weinrotem Schal, wie sie mir zuvor auch schrieb. Wir plaudern und lachen sogleich, als kennten wir uns schon lange. Dann essen wir Torte. Menschen, die mit mir Torte essen, sind mir grundsympathisch. Das Hotel liegt zwischen Bahnhof und rosa Flamingos. Es wirkt beruhigend nostalgisch.
Ich suche etwas Gesellschaft im Facebook, bin glücklich, als mir meine Tochter antwortet. Alles okay. Ich muss schlucken. Himmel, wann hört dieses Vermissen mal auf? Bald werden sie doch ausziehen. Bis dahin muss das besser laufen in meinem Herzen.
Später gehe ich noch einmal hinüber in den Bahnhof, esse asiatisch mit zu viel Glutamat und artifiziellen Geschmacksstoffen. Die Blicke der Menschen taxieren mich. Ich bin eine in einem alten Mantel ohne irgendeine Tasche an einem Ort, von dem man abfährt, an dem man ankommt, aber nicht verweilt. Schon gar nicht ohne Tasche. Plötzlich habe ich das Bedürfnis mir die Haare zu waschen. Wie schnell das geht.
Im Zimmer schalte ich sofort die Glotze an. Die Flüchtlinge an der mazedonischen Grenze leiden furchtbaren Durst. Ich gehe noch einmal hinunter und hole mir im Hotelflur eine Flasche Wasser am Automaten.
In der Dusche sitzt ein Käfer. Vor Schreck spüle ich ihn mit dem Wasserstrahl in den Abfluss. Das schlechte Gewissen treibt mich tropfend aus dem Bad. Etwas Furcht ist auch dabei. Davor dass er zurückkommt, wütend aus dem schwarzen Loch krabbelt, wächst und wächst, um schließlich Rache zu nehmen. Ich kann so etwas nicht vermeiden. Wenigstens verdiene ich unser Geld damit.
Vielleicht schreibe ich noch, vielleicht lese ich oder schaue zu viel Fernsehen. In Moskau hat ein Kindermädchen ein Kind enthauptet.
Dann ruft wunderbarerweise eine Freundin an und ich bin beinahe zuhause.

Dritter Tag –
Vielleicht ist der Restaurantchef ein Scherzkeks, vielleicht kann er nicht lesen oder er ist gar nicht da. Die kleinen Metallschildchen, auf denen die Speisen des Frühstücksbuffets ausgewiesen sind, stehen alle falsch. Das Buffet selbst hat etwas von einer mittelalterlichen Wunderkammer: In verschiedenen Glasgefäßen gibt es von Mandelkaramellbruch bis eingelegten Pilzen so allerlei Merkwürdiges. Ich nehme mir ein Brötchen, etwas Pflaumenmus, ein Ei, beobachte die Flamingos beim Flamingosein. Ein Mann setzt sich neben mich; zahnlos, zitternd bestellt er ein Hefeweizen. Mir ist das so früh am Morgen etwas zu viel Leben.
Im Treppenhaus kommt mir ein unglaublich schöner Mann entgegen, so einer, der bestimmt nach Einhorn riecht. Ich überlege, was ich Spektakuläres tun könnte, um bemerkt zu werden. Doch dann fällt mir ein, wie ich morgens um sieben aussehe. Verknorkelt UND tattrig ist wahrlich nicht der Eindruck, den ich gerne vermitteln möchte.
Die S-Bahnfahrt dauert nicht lang. Der Tag ist so grau, dass er zum Klischee gereicht. Der stetige Regen tut der Stadt Pforzheim nicht gut. Wir fahren durch hässlich anmutende Straßen verwahrloster Nachkriegs-Bauten. Wo ist das Gold, wo sind die Diamanten?
Ich habe Bammel vor der ersten Lesung. Die Gruppen einer Sonderschule mit geistig behinderten Kindern haben sich angemeldet. Ich möchte ihnen so sehr gerne etwas Schönes geben, dass ich beinahe anfange zu weinen, als sie dann tatsächlich lachen und sich an der Lesung erfreuen. Himmel, ich wäre die unbrauchbarste Sozialarbeiterin der Welt.
Mit den ersten Klassen im Anschluss rede ich über Schlangen, Blindschleichen, Spinnen und Zwerge. Offiziell lese ich aus meinem ersten Kinderbuch: Herr Klopstock, Emma und ich. Außerdem erfahre ich, dass viele der Papas einen Frack trügen; einer, ein Wirtschaftsprüfer, verübe darin sogar täglich seinen Beruf. Wir sprechen auch ein bisschen russisch. Das liegt am Viertel. Hier liegt Schönes neben Schrecklichem. Nebenan verteidigen gerade ein paar Russlanddeutsche ihre neugegründete Bürgerwehr, während ich mit ihren Kindern noch schnell die Waldtiere aufzähle. Die Cobra lasse ich nicht gelten.
Ich bin früh zurück in Karlsruhe.
Es regnet immer noch. Meinen Schirm habe ich vergessen. Trotzdem laufe ich die zwei Kilometer zum ZKM. Anders bekomme ich meine der Gesundheit förderlichen 6000 Schritte nicht zusammen. Ich weiß nicht, warum ich unterwegs wieder ein Chinarestaurant betrete. Wahrscheinlich ist es Hunger und die Sorge, vor dem Museum nichts anderes mehr zu finden. Ich esse schlecht, dafür zu viel. Buffet eben. Buffet mit Hunger.
Ich gehe gern in Museen. Das ZKM kenne und mag ich. Ein paar Studenten der angegliederten HFG tanzen Ballett in einem der Lichthöfe. Ich schaue ihnen zu. Einige Projektgruppen haben sich auf den Galerien verteilt und erarbeiten Kunst, erinnern mich an meine Zeit als Architekturstudentin. Außerdem roch es bei uns damals ganz ähnlich – nach Ideen und zu süßem Parfum, nach sauren Weinresten und möglichen Küssen, nach heimlich gerauchten Zigaretten und wilden Träumen, nach altem Staub und zu großen Versprechen.
Die Ausstellung jagt mir eine Gänsehaut über den Nacken: Globale Überwachung und Zensur. Aufregend und bedrückend. Ich hinterlasse trotzdem einen Fingerabdruck und mein Konterfei. Das Büro, das das ZKM für Edward Snowden eingerichtet hat, blieb bisher leer.
Für den Rest des Tages spreche ich kein Wort mehr.
Stimmt nicht. Ich rufe zuhause an. Mama, wir sind doch schon groß; hör mal auf, dir so viele Sorgen zu machen. Ich wachse da rein. Versprochen.


Vierter Tag –
Ich bin gänzlich im Unterwegsmodus angekommen. Am Frühstücksbuffet erscheint mir alles dermaßen normal, dass ich überlege, heimlich die Schildchen umzustellen.
Vielleicht bin ich müde, der Wecker klingelte bereits um 6 Uhr, davor klapperten die ganze Nacht die vier Meter hohen Rollläden im Wind, aber bevor ich es richtig begreife, ist die erste Lesung in Iffezheim schon wieder vorbei. Sie war bestimmt sehr nett. Ich würde mich daran erinnern, wäre sie es nicht gewesen.
In die zweite in Gaggenau schleicht sich dann etwas Magie. Manchmal ist das so, auch wenn ein Außenstehender es wohl gar nicht bemerken würde. Ich lese, als hätte ich noch nicht viele viele viele Male diese Stellen gelesen, ich erzähle begeistert, die Kinder fragen neugierig, wir lachen zusammen. Vielleicht war er nur in mir, aber da war so ein Moment, in dem alles alles stimmte. Am Ende habe ich gerötete Wangen, wirres Haar und bin völlig erschöpft.
Zurück in Karlsruhe laufe ich vom Bahnhof zum Schloss. Die Stadt scheint eine einzige lärmende Baustelle zu sein. Ein einsamer Republikaner zetert unerhört im doppelten Sinne durch ein Megafon. Es regnet in Strömen, der Wind weht eisig. Tapfer laufe ich durch den Matsch um die Barockresidenz herum. Das gehört sich so. Außer mir tut das aber niemand. Zum Glück habe ich meinen Schirm dabei. Schade, dass der Wind ihn zerstört. Er war jedoch von Anbeginn seltsam wackelig und auch aufgespannt etwas zu platzsparend. Ich selbst bin mit 1.80m-Körpergröße ja nicht besonders platzsparend. Wir hatten also insgesamt nicht so gut zusammengepasst.
Plötzlich bin ich von schwarzen Männern umringt. GSG 9. Um Gottes willen, was wollen die von mir?, denke ich, denn außer denen bin nur noch ich im Park. In mir breitet sich dieses kribbelig unangenehme Gefühl aus, das man hat, wenn man aus Versehen eine Bühne betritt, obwohl man gar nicht zum Ensemble gehört. Dann sehe ich die Übertragungswagen. Klar, hier geht es um das Verbot der NPD. Da öffnen sich die Türen des Bundesverfassungsgerichts und ich werde von einer Wolke aus schwarzen Anzügen eingesaugt. Wir stehen alle gemeinsam an der Ampel. Ich überlege kurz, ob ich jemanden am Ärmel zupfe und mal nachfrage. Traue mich aber nicht.
Ich laufe noch ein wenig herum. Ehrlich gesagt, verlaufe ich mich ein bisschen. Die Kamera lasse ich wohlgeborgen im Rucksack.
Plötzlich stehe ich vor dem Ring Café. Ein nostalgisch-schöner 50er Jahre-Bau voller alter Damen mit Frisuren und Hüten, mit Schmuck, Rüschen und räudigen Pelzen. Sogar einige verzierte mobile Taschenhaken, um damit die Tasche am Tisch aufzuhängen, entdecke ich. Begeistert bestelle ich mir Rhabarber-Baiser-Torte. Sie schmeckt wie früher bei Omi im Garten.
Weil ich mir in einem Schokoladenladen auch noch eine Tüte Trüffel kaufe, rücke ich später die Möbel im Zimmer etwas zur Seite und lege eine Gymnastikrunde ein. Ich stoße mich nur einmal an einem kleinen Tischchen.
Während Frau Klum großgewachsene kleine Mädchen ver- und zerstört, esse ich erst eine Tüte Chips und danach die mit den Schokoladentrüffeln auf.

Letzter Tag –
Der Schlafmangel macht sich bemerkbarer. Jede Nacht nur durch die flachen Phasen zu wandeln, sieht irgendwann einfach nicht mehr gut aus. Ich versuche, meine Augenringe wegzuschminken. Das ist ähnlich erfolgreich wie ein Gebirge azurblau anzumalen, damit man es nicht mehr sähe. Irgendeine Perspektive bleibt immer verräterisch.
Im Frühstücksraum steht plötzlich ein Mann in geflochtenen Lederhausschuhen neben meinem Tisch. Weiter oben sieht er gut aus. Einen Moment bin ich erstaunt, doch dann erkenne ich das Geniale. Er ist ein wahrer Kosmopolit. Er weiß, zuhause ist dort, wo man seine Hausschuhe trägt. Das nächste Mal, werde ich auch welche mitnehmen. Ich möchte ihm gerne verstehend zulächeln. Leider komme ich nicht mehr dazu, denn ich stoße aus Versehen meine volle Kaffeetasse um. Schade.
Später in der S-Bahn erschrecke ich wieder, ob meines gräulich-faltigen Gesichts. Himmel, wie kann das ich sein? Doch als ich mich etwas weiter umschaue, schäme ich mich stattdessen, denn diese Gedanken sind abscheuliches Jammern auf hohem Niveau.
Ich bin ein bisschen neben mir. Das ist bestimmt auch dem Schlafmangel geschuldet. Daran ändert die erste Lesung leider nicht viel, obwohl die wirklich sehr nett ist und voller lieber Kinder. Doch mir ist, als erwache ich zur Lesung, glänze, lese, erzähle, lächle, juble eine Stunde lang und erlösche dann wieder. Muss das Adrenalin sein. Zum Abschied drückt mir die Bibliothekarin noch ein Käsebrötchen in die Hand. Am liebsten hätte ich sie umarmt. Einen Moment überlege ich, ob ich ihr sage, dass so ein Käsebrötchen manchmal den Unterschied macht, ob man sich wie ein geduldeter Gast oder wie ein willkommener Mensch fühlt. Dann kommt mir das aber etwas zu pathetisch vor. Ich sollte dringend schlafen.
Die letzte Lesung findet in Karlsruhe im Museum für Literatur statt. Ich möchte noch einmal alles geben. Nicht nur weil Frau Hess zuhört oder weil wir in diesen Räumlichkeiten der Literarischen Gesellschaft gastieren. Aber natürlich kommt es anders. Zwei Klassen sind zu spät, die Begrüßungsrede zieht sich etwas und plötzlich bleiben mir nur noch 40 Minuten für mein gesamtes Programm. In denen entdecke ich eine Lebensalternative: Falls das irgendwann nicht mehr laufen sollte mit dem Bücherschreiben, werde ich Marktschreier. Mir gelingt es, in nur zwei Dritteln der üblichen Zeit alles zu lesen und zu erzählen, zu lachen, herumzuhüpfen und zu jubeln. Ich darf es zugeben, danach bin ich nass geschwitzt.
Eine letzte Umarmung und ich sitze im Zug nach Hause. Während der Zugfahrt frage ich mich, ob meine Kinder noch leben, ob sie heute in der Schule waren, wie die Bude wohl aussieht und wie das Konzert von Alligatoah war, das die beiden gestern (um Gottes willen, das erste des Sohnes, und beide des nächtens in Frankfurt, und überhaupt) besuchten.
Später erfahre ich, alles super.
Danke. An alle!
In drei Tagen geht es wieder los.