Mittwoch, 29. Oktober 2014

On Air – Frau Herden und ihre Stimme



Als ich das erste Mal meine eigene Stimme hörte, ging für mich die Sonne unter. Ich wusste längst, dass ich sehr laut sprach. Immer wieder war ich darüber ermahnt worden. Besonders von meinen Eltern. Am peinlichtsen war es jedoch, als ich einmal mit meiner Lieblingslehrerin in der dritten Klasse nach Hause lief, sie hatte einen ähnlichen Weg, und ich ihr ganz beseelt irgendetwas sehr Intimes erzählte. 
„Antje, ich laufe doch direkt neben dir. Die Leute in der Kaufhalle (ca 2 km weiter vor uns) wollen deine Geschichte sicher nicht hören.“ 
Einige Sekunden lang dachte ich, vor Scham für immer verstummen zu müssen.
Damals fand ich dann aber Trost darin, dass ich meine Stimme gar nicht misstönend sondern als ganz angenehm empfand. Doch dann hörte ich sie das erste Mal. Im Radio. Ich war zehn Jahre alt und wollte tatsächlich nie wieder sprechen.

Dabei hatte sich alles sehr aufregend angelassen. Das Radio wollte kommen und die Kinder der Verkehrs-AG der Nikolai Ostrowski Schule in Magdeburg interviewen. Wie ich eigentlich in die Verkehrs-AG gerutscht war, weiß ich nicht mehr. Obwohl, das stimmt nicht. Es war nämlich wie immer. Man musste sich irgendeine AG auswählen. Ich schwankte unentschlossen zwischen Irgendwas mit Malen oder Schulgarten hin und her, als ich zufällig erfuhr, dass der heimlich Angebetete zur Verkehrs-AG strebte. Ich war schon immer dieselbe und darum ratzfatz auch dabei.

Drei Kinder wurden ausgewählt fürs Radio sprechen zu dürfen. Darunter ich. Stolz wie Bolle kam ich an diesem Tag in die Schule, zappelte die Unterrichtsstunden weg und richtete immer wieder mein Pionierhütchen, das ich extra aufgestzt hatte. Es war immerhin ein denkwürdiger Tag im Sinne unseres Vaterlandes. So etwas beging man im weißen Hemd, blauem Rock, Halstuch und eben dem Hütchen. (Ganz ehrlich weiß ich gar nicht mehr, woher dieses Bild in mir aufsteigt, denn eigentlich besaß ich weder den blauen Rock noch das Hütchen. Egal. Es passt.)

Am Nachmittag scharrten wir uns dann im Schulhof um das puschlige Mikro und jeder von uns drein durfte sein Sprüchlein aufsagen. Ich erzählte etwas von der enorem Wichtigkeit der Verkehrs-AG, um kleinen Kindern und auch verdattelten alten Leuten im gefährlichen Straßenverkehr helfen zu können. Wie es meine Art ist, schummelte ich noch zwei drei Sätze mehr als abgemacht hinzu und schrie sie vor lauter Begeisterung den Radiomenschen um die Ohren. 
(In Erinnerung meiner selbst als Kind (unendlich lang, unendlich dünn, unendlich laut, ständig von allem begeistert und aufgeregt, aber unendlich schüchtern und unsagbar unsicher) möchte ich mich in einem fort selbst in den Arm nehmen und trösten.)

Einige Tage später umringten wir gemeinsam ein Radio und lauschten dem Beitrag. Ich wurde immer enttäuschter, mein Herz zog sich schließlich vor Traurigkeit zusammen. Die ganze Zeit redete da eine mit sehr lauter und irgendwie besserwisserischer Stimme und ließ den anderen gar keine Zeit, auch mal etwas zu sagen.
„Die haben meine Sätze rausgeschnitten“, flüsterte ich, den Tränen nahe. „Die fanden wohl nicht gut, was ich gesagt habe.“
„Spinnst du!“, riefen die anderen. „Du redest doch die ganze Zeit.“

Warum ich ausgerechnet heute über das Radio schreibe, hat eine Bewandnis: Nachher, um 12.05 Uhr gibt es auf hr2 Kultur die Sendung Doppelkopf. „Interessante Zeitgenossen - Menschen, die etwas zu sagen haben, unterhalten sich 50 Minuten lang mit einem Gastgeber über ihre Arbeit und ihr Leben”, heißt es da. Der interssante Zeitgenosse bin heute ich.

Dienstag, 28. Oktober 2014

Unterwegs – Frau Herden auf dem LirumLarumLesefest in Freiburg



Um es mal gleich vorweg zu nehmen: Ich bin ziemlich enttäuscht von den Kulturdamen Freiburgs. Die haben sich nämlich in die hübschen Köpfe gesetzt, niemals denselben Autoren ein zweites Mal zum LirumLarumLesefest einzuladen. Na, toll! Ich war schon da und das solls jetzt gewesen sein?
Es war nämlich schlicht und einfach richtig, richtig schön. Ein Lesefest, das nicht nur die Kinder, denen wir vorlasen, genießen konnten, sondern auch wir Autoren.


Das ging schon mit der perfekten Hotelwahl los. Ich hatte den Eindruck, dass die Stadt Freiburg all die Autoren, die je vorbeikamen, in das charmante Park Hotel Post unterbrachte. Die Zimmer tragen die Namen großer Schriftsteller, das Haus quillt über vor Büchern. Und es gibt dicke Gästebücher, in die man sich trotz liebevoller Aufforderung beinahe nicht getraut, hineinzuschreiben, weil dort schon so viele Menschen des Wortes etwas hinterlassen haben. Zum Teil lustige zum Teil aber auch sehr kluge Dinge. Dass ich auch noch eines meiner Bücher signieren sollte, das nun einen Platz im Buchregal der signierten Bücher der illustren Hotelgäste fand, Himmel, das war mir angesichts der Bücher von Daniel Kehlmann, Marcel Reich Ranicki, Uwe Timm, Paul Maar oder Cornelia Funke beinahe peinlich. Darüber tröstete allerdings der Begrüßungssekt und die stetig gefüllten Schalen mit Schokolade und Obst.



Wie geschrieben, ich bin traurig, dass ich dort wohl nicht so schnell wieder hinkommen werde. Und ich habe noch gar nicht den (freien!) Mittagstisch erwähnt, den wir gemeinsam mit den Kulturdamen und den anwesenden Autoren im Theatercafé einnahmen. Sicher nicht die schlechteste Küche der Stadt, außerdem eine wunderbare Gelegenheit zum gemeinsamen Klönen und Quatschen.


Die fünf Lesungen, die ich in den Tagen gab, haben (wie immer) Spaß gemacht. Vor allem wohl mir. Ich bekam sogar ein schönes Kompliment, ganz unabhängig von meinem Tun.
Denn nach einer der Lesungen und dem anschließenden Quiz mit zwei dritten Klassen ergab sich folgendes Gespräch:
Autorin: "Und hat jemand eine Frage an mich?"
Junge 1: "Ja. Wie ist deine Telefonnummer?"
Autorin: "Öhm..."
Junge 2: "Wie alt bist du?"
Autorin "43."
Klasse: "So alt!"
Junge 3: "Hast du sonst noch irgendwie Familie oder bist du noch alleine?"
Junge 2: "Du siehst aber noch süß aus."







Auch die Stadt Freiburg konnte ich beschauen. Sie gefällt mir. 







Gefallen hat mir auch, dass ich in mehreren Buchhandlungen Displays zum Lesefest entdeckte. So zum Beispiel in der Kinder- und Jugendbuchhandlung Fundevogel in der Marienstraße, dem charmantesten Buchladen Freiburgs übrigens, und in der Buchhandlung Rombach in der Bertholdstraße. Für alle, die das nicht wissen: Das ist nicht immer so. 


Trotz allem Schönen: Einen Wehrmutstropfen gibt es immer auf Lesereisen. Und das ist die große Einsamkeit, die einen nach vollbrachtem Tagewerk, nach lustiger Mittagsgesellschaft und nach einem beschaulichen Spaziergang durch die hübsche Stadt erwartet. Zwei Stunden konnte ich jeweils noch mit Schreiben füllen, bis das Hirn nicht mehr mitdenken wollte. Und dann?
Ich bin niemand, der alleine und im Dunkeln in eine fremde Stadt eintaucht. Weder steht mir der Sinn nach einem Einzeltisch im Restaurant noch nach einem Glas Wein an der Bar irgendeines Clubs. Was also tun? Es bleibt das Hotelzimmerbett und die flimmernde Glotze davor. Das dann gerne auch bis zwei Uhr morgens, weil sich Schlaf in der Fremde so schwer einstellt. Manchmal möchte ich dann ein bisschen in mein Kissen heulen, das ich mir immer von zuhause mitnehme. Aber es hilft ja nichts. Im Gegenteil. Ich bin sogar dankbar, dass ich am nächsten Morgen wieder mit vielen Kindern herumalbern und lachen, dass ich ihnen aus meinem Buch vorlesen und so den Lebensunterhalt für mich und meine Kinder verdienen kann. Und das letztendlich mit meinem Traumberuf. Danke dafür!

Montag, 27. Oktober 2014

Meine große Liebe – New York Style Cheese Cake


Die New Yorker sagen, Cheese Cake war niemals richtiger Cheese Cake, bevor er nicht New Yorker Cheese Cake wurde. Meine Tochter sagte: "Mama, back doch mal wieder den echten New York Cheese Cake."Das tat ich mit Lust.
Unser "echter" ist der von LINDY´S. Er ist unendlich cremig und reich, aber trotzdem etwas "fluffig", also nicht so fest und schwer und dessertähnlich wie beispielsweise der bei Starbucks oder Häagen Dasz verkaufte oder wie die typische "Philadelphia Torte", die manche irrtümlich für amerikanischen Käsekuchen halten.
Das LINDY´S war übrigens DAS Restaurant im Theater District der 1940er Jahre. Hier verspeisten die Schauspieler spät in der Nacht nach ihren Aufführungen süße Desserts. Meistens Cheese Cake. Der wurde sogar im Musical Guys and Dolls besungen. Noch heute gilt LINDY`S als der Ort N.Y.s mit dem besten Käsekuchen.
Ich entdeckte das Rezept einst im New York Cook Book von Molly O´Neill und verliebte mich.
Der Kuchen ist wunderbar. Allerdings hat er zwei Nachteile. Erstens: Man sollte ihn über Nacht im Kühlschrank stehen lassen, bevor man ihn anschneidet (Hilfe! Folter!). Zweitens: Man sollte dringend Gäste haben, um ihn zu teilen. Denn gestern Abend sagte mein Sohn: "Diesen Kuchen darfst du nie wieder backen. Der ist einfach zu köstlich. Man muss so lange davon essen, bis er weg ist."
Also, um es ganz klar zu sagen, Kalorienzähler brauchen hier gar nicht erst weiterzulesen. :-)


Man braucht:
130 g + 3 EL Mehl / 480 g Zucker / die abgeriebene Schale von 2 Limonen / die abgeriebene Schale einer Orange / Vanillepaste (oder das Mark einer Schote) / 5 Eier + 3 Eigelb / 110 g Butter / 4 Familienpackungen Frischkäse a 265 g  (also etwa 1,1 Kg) / 60 ml Creme Fraîche

So geht´s:
1. In einer Schüssel werden 130g Mehl, 60g Zucker, die Schale einer Limone und etwas Vanillepaste zusammengemischt. Dann kommen ein Eigelb und die Butter dazu. Mit dem Mixer daraus einen Mürbeteig herstellen. Den zu einem Ball formen und für eine Stunde in den Kühlschrank legen.

2. Eine Springform buttern oder mit Backpapier auskleiden. Den Ofen auf 200 Grad Celsius vorheizen.

3. Etwas mehr als ein Drittel des Teigs auf den Boden der Form auslegen. Das klappt am besten, wenn man kleine Stücke abreißt, diese mit den Fingern knetet und platt auf den Formboden presst. Beim Ausrollen reißt der Teig gerne und man ärgert sich. Den Boden ca. 12 bis 15 Minuten backen. Herausnehmen und abkühlen lassen.

4. In einer großen Schüssel den Frischkäse, den restlichen Zucker, 3 EL Mehl, Vanillepaste, die Schale der zweiten Limone und die Schale der Orange gut zusammen mixen. Dann die 5 Eier, die 2 verbliebenden Eigelbe und die Creme Fraîche dazugeben und sehr gut mixen. Das Ganze muss eine homogene Masse ergeben und darf keine Frischkäseklümpchen mehr enthalten.

5. Den Ofen auf 270 Grad Celsius hochstellen.

6. Den restlichen Teig wieder mit den Fingern an den Rand der Springform und gegen den schon gebackenen Boden drücken. Dabei darauf achten, dass es keine Löcher gibt.
Nun die Frischkäsemasse einfüllen.

7. Den Kuchen 12 Minuten backen. Dann die Temperatur auf 95 Grad herunterdrehen. Nach einer Stunde den Ofen ausstellen, die Tür etwas öffnen und den Kuchen noch 30 Minuten im Ofen lassen.

8. (Achtung: total gemein!!!) Den Kuchen mehrere Stunden, am besten über Nacht kaltstellen.

9. Gäste einladen und genießen.

Mittwoch, 15. Oktober 2014

Heul doch! – Frau Herden lebt nahe der Wasserkante

Man Ray Larmes Tears

Gestern auf der Autofahrt zu einer Lesung in Bad Wimpfen schob ich eine CD in den Player, skipte auf den zweiten Track, lauschte den ersten Tönen und begann wie ein Schloßhund loszuheulen. 

Wer mich kennt, der weiß, das ist so besonders nicht. Frau Herden ist nahe am Wasser gebaut, sie heult oft und, so könnte man meinen, gern. Stimmt aber gar nicht. Also, das ich das gerne machen würde. Es ist erschöpfend und nicht selten peinlich, wenn es nämlich im öffentlichen Bereich passiert, wie die Architektin in mir sagen würde. Richtig ist jedoch, dass ich sehr, sehr oft weinen muss. 

Das ist genetisch, keine Frage. Als wäre es gestern gewesen, höre ich die belegte Stimme meines lieben Vaters, der uns Kindern Pippi Langstrumpf vorliest. Als die rot bezopfte Superheldin kurzentschlossen ihren Geldkoffer über Bord wirft und hinterherspringt, um doch nicht mit ihrem Papa in die Südsee zu tuckern, sondern um bei ihren Freunden zu bleiben, da kippte meines Vaters Stimme gar noch einige Grade mehr. 
„Papi, weinst du etwa?“, fragte meine Schwester in der ihr eigenen Art. 
„Quatsch, ich habe etwas im Hals und im Auge.“ 
Das hatte er dann auch bei den Toden von Sigismund Rüstig und Nscho-tschi. (Ab dann las ich die Bücher alleine. Aber nicht wegen der Tränen meines Vaters, sonders weil das schneller ging, da ich nicht auf den Abend warten musste.) 

Ich erinnere mich auch an einen sehr berührenden tränenreichen gemeinschaftlichen Moment von Vater und Tochter. Herbst ´89. Wir beide saßen vor dem Fernseher, beobachteten das Fallen der Mauer und ließen unseren Tränen freien Lauf. Sagen konnten wir nichts. 

Es ist also ganz sicher, dieses ständige Gerührtsein, dieses Keine-Luft-mehr-kriegen, diese Klöße im Hals und die nicht aufzuhaltenden Tränen, das wurde mir alles mit in die Wiege gelegt. Doch mit Hilfe von ein wenig Achtsamkeit und strategischem Überlegen komme ich trotzdem ganz gut durchs Leben. Einige Dinge gilt es eben zu meiden – bemützte und eingemumelte Krippekindergruppen auf Winterausflug zum Beispiel, Weltfussballendspiele, Schultheateraufführungen, Menschenketten oder friedliche Demonstrationen – im Prinzip alles, wo sich Menschen in einem gemeinsamen (schönen) Gedanken versammeln oder auch alles, was irgendwie mit Kindern zu tun hat, zumal mit meinen. 

Die CD, die ich mir auf der Autofahrt gestern anhörte, hatte im Postkasten gelegen.


(Vor vielen, vielen Jahren gelang es mir tatsächlich einmal, meine liebe Frau Mama davon zu überzeugen, mir eine BRAVO zu kaufen. Darin las ich einen kleinen Text über ein Mädchen, dass seinem Lieblingspopstar ein selbstgeschriebenes Gedicht verfasst hatte, das dieser dann mit Musik versah und auf einem seiner Konzerte zum Besten gab. Wie wunderbar musste sich das für das Mädchen angefühlt haben? Ich war sehr gerührt und musste mir ein paar Tränchen wegdrücken.
Als junges Mädchen hatte ich selbst eigentlich keine Idole. Weder war ich in einen Sänger noch in einen Schauspieler verliebt. So einen Unsinn machte ich dann erst viel, viel später. Doch als Kinderbuchautorin habe ich einige Helden, die ich für ihre Arbeit und ihre Art sehr bewundere. Andreas Steinhöfel zum Beispiel, Roald Dahl oder Philip Ardagh. Dieser kleine Einschub war jetzt noch wichtig, um das folgende zu verstehen.)

Ich drückte also auf Play.

„Geschichten über die Nacht.
Das Gespenst.
Von Antje Herden.
Gelesen von Andreas Steinhöfel.“ 

(Diese CD mit den vier Siegertexten des SOS Kinderdorf Literaturwettbewerbs eingelesen von Andreas Steinhöfel und für Kinder ab sechs Jahren, findet Ihr am Dezemberheft der ELTERN FOR FAMILY)

Sonntag, 12. Oktober 2014

fbm#14 – mein ganz persönlicher Rückblick auf die Buchmesse

Dass ich mit etwas gemischten Gefühlen nach Frankfurt zur Buchmesse gefahren war, schrieb ich ja schon.
Vor vier Jahren war das anders. Ich hatte von nichts eine Ahnung, freute mich über mein erstes verlegtes Kinderbuch und trank ganz ungeniert am Oetinger Stand Sekt. War ja damals mein Verlag, die mich umgebenden Leute also meine Kollegen. Fröhlich prostete ich in die Runde. Dass niemand zurückprostete, merkte ich nicht einmal. Dann lief das Buch nicht und im Jahr darauf schlich ich unerkannt mit meiner selbst bezahlten Eintrittskarte am Stand vorbei. Einen Sekt traute ich mich nicht zu nehmen. Dabei hätte ich den viel nötiger gebraucht. Ich trank dann später im Zug nach Hause eine kleine Flasche Rotwein, die ich mir am Bahnhofskiosk gekauft hatte, und fühlte mich genauso, wie ich vermeintlich aussah. Erstaunlicherweise war das dann viel besser, als gedacht. Es ging mir nämlich wirklich schlecht. Ich wollte mit diesem ganzen Affentheater nichts mehr zu tun haben.

Nun, drei Jahre später, bin ich eine "renomierte Kinderbuchautorin". Ich hatte auf der Messe verschiedene Termine unter anderem ein Interview und eine Lesung. Das Ticket musste ich dieses Mal nicht selbst bezahlen. Zeit, mit meinen Freundinnen herumzustromern blieb trotzdem.
Viele Menschen sprachen mich an, in den Hallen, zwischen den Gängen, in der U-Bahn. Sie hatten mich erkannt und waren nett, sprachen meiner Mittwochskolumne, meinen Texten im facebook, meinen Büchern Komplimente aus. Das war sehr spannend. Es ehrte mich. Es überforderte mich schließlich etwas, ich plaudere ja nicht gerne. Trotzdem. Danke, danke dafür.
Ich traf einige Kollegen auf ein Wörtchen, manche nur auf ein Winken oder einen Drücker. Wichtig war alles. Einfach um glauben zu können, dass diese Leute echt und nicht nur vom facebook ausgedacht sind.
Ich trug sogar ein Kleid. Das funktionierte ganz gut. Ich glaube, manche Herren lächelten auch, obwohl sie nicht wussten, wer ich bin. Aber das schmeiße ich jetzt einfach mal vermutend in die Runde.

Trotz allem, das Schönste aber waren die beiden Abende. Der erste brachte Punsch bei Beltz (auweia) und am zweiten formierten wir die Aperitif-Gruppe, als alles und ich komplett erledigt war. Zusammen mit meiner Agentin Christiane Düring und Petra Hermanns von scripts for sale und den Autorinnen Antje Babendererde und Irmgard Kramer machten wir genau das, was unser Gruppenname versprach: Wir nahmen zum Abschied einige Aperitifs. Und wir lachten. Wie verrückt. Mädels, das machen wir im nächsten Jahr wieder.

Und hier noch einige Schnipsel:

Auf dem Hinweg gehört und quasi sofort visuell bestätigt bekommen: "Natürlich gibt es auch diese mittelalterlichen Buchhändlerinnen mit Brille, so wie wir. Aber es liegt doch auch eine wahrhaft intellektuelle Atmosphäre in der Luft."


Halle 4.1, Stand E79 / Das Magazin. (Als Ossikind ist mir Das Magazin Lebensbegleiter, es lag immer in unserer Bude herum, später wurde ich selbst Abonnentin, noch später machte ich meine Freundin Meike zu einer solchen.)
"Ach, guck mal, das Magazin", sagte ich und wir blieben stehen.
Der große, gut aussehende Herr, der uns ansprach, ist einer der Verlagsleiter und heißt Till Kaposty-Bliss. Das wusste ich aus dem Heft. Auch dass er der Größte im Verlag ist. Er bot uns eines der Magazine zum Kennenlernen.
"Herzlichen Dank, das brauchen wir nicht. Wir sind begeisterte Abonnentinnen."
"Abonnentinnen? Hier im tiefen Westen? Kommse rein! Kommse rein!"
Dann wurden wir mit Gebäck, Getränken und Geschenken verwöhnt. Nicht nur darum: Das Magazin, wirklich eine Freude, wenn es im Postkasten liegt.


Kruso gewann den Buchpreis, da blieben wir natürlich stehen, als wir den Autoren von einem FAZ Mitarbeiter interviewt sahen. Ich vermute, es war der Sohn einer Redakteurin oder ein Praktikant. Und ich bin leider jemand, der sich sehr fremdschämt. Meine Freundin Meike auch. Wir mussten schnell weitergehen. Schade. Herr Seiler sagte nämlich schöne Dinge, wie zum Beispiel auf die Frage nach der Authentizität der Romanfiguren: "Beim Schreiben braucht man die authentischen Details, um sich seines Materials sicher zu sein." Siehste, sage ich auch immer, nur etwas anders: "Wer schreiben will muss erst mal was erleben."


Bei den Finnen waren wir auch. Ich glaube, es ist schön, ein finnisches Kind zu sein. Trotz der winterlichen Dunkelheit.




Ich habe mich über alle gefreut, die zu meiner Lesung ins Spiegelzeit auf der Agora kamen. 
Hinterher wollten mich zwei Herren mit sehr großen Objektiven unbedingt fotografieren. Sie suchten sich dazu sehr vorteilhafte Details: der eine benutzte ein Fischauge, das er sich am Sigma Stand geliehen hatte, der andere stellte mich vor den roten Sonnenuntergang einer Teewerbung, die außen am Lesezelt klebte. Beide behaupteten, sie wüssten, wer ich sei. Falls jemand mal diese seltsamen Fotos irgendwo entdecken sollte, sagt mir bitte bescheid. (Was wollen die damit nur?) 



Nun ja, der Punsch des ersten Abends, den ich zusammen mit meiner Freundin, der Kinderbuchautorin Manuela Olten, und mit Sophie Härtling, der Programmchefin der Kinderbücher bei Rowohlt, trank. Beide sind dafür verantwortlich, dass ich heute diese "renomierte Kinderbuchautorin" bin, weil sie mich gemeinsam durch die richtige Tür schoben. Dafür bin ich ihnen sehr, sehr dankbar. Mädels, hoch die Tassen, aber das Obst lieber nicht mitessen!


Dienstag, 7. Oktober 2014

Gesellschaftliche Events – Frau Herden scheitert kläglich (nicht nur am Smalltalk)



Normalerweise sitze ich zu Hause am Rechner und schreibe. Oder ich lese irgendwo in der Republik vielen Kindern vor. Dorthin fahre ich mit dem Zug und gucke mir dabei die vorbeiziehende Landschaft an. Manchmal liege ich gemütlich und lese Bücher von anderen. Meistens jedoch bin ich in Gedanken, eigenen Geschichten und inneren Dialogen verstrickt.
So ist mein Leben und so geht mein Beruf. Ich muss mir dafür keine elegante oder sonstwie aussagekräftige Kleidung kaufen, ich habe weder wichtige Geschäftsessen zu bestreiten noch zelebriere ich Weihnachtsfeiern mit Kollegen und meine Büro-Teeküche heißt Facebook (Kenner wissen, das habe ich bei Herrn Bertram geklaut). Nicht nur das Geschichten Ausdenken und mit 100 Kids Krawall Machen liegt mir also im Blut, sondern auch dieses Zurückgezogene, diese kleine Freiheit, nicht an gesellschaftlichen Konventionen teilnehmen zu müssen. Ich kann das auch gar nicht. Im Speziellen meine ich hier: Ich weiß nicht wie man smalltalkt.

Himmel, welch furchtbare Vorstellung: mit Menschen zusammenzustehen und über Stunden in vielen freundlichen, nicht länger als 120 Sekunden andauernden Beiträgen über Nichtigkeiten zu plaudern, die niemanden intellektuell überfordern können (so will es der Smalltalkknigge). Das ist meine Sache nicht, obwohl ich das Wort plaudern ganz bezaubernd finde.
Ich möchte sogar behaupten, nicht einmal die etwas weiterentwickelte Form, das Reden mit Bekannten über die Kinder, das Büro, den letzten Urlaub, über Politik im allgemeinen und über Empörendes im Speziellen will mir so recht gelingen.
Ich mag es indes, mir eine Flasche Wein zu schnappen und mich mit einem oder auch zwei oder drei Gesprächspartnern, gerne mir völlig Fremden, philosophierend und diskutierend in eine Ecke zu verkrümeln, die wir dann stundenlang nicht verlassen, höchstens um eine nächste Flasche Wein zu holen.
Aber dieses etwas haltlose Herumstreunen auf gemeinschaftlichen Treffen wie Geburtstagen, Hochzeiten und anderen Festivitäten lässt mich zumeist hilflos lächelnd zurück. Darum übernehme ich dann gerne den Küchendienst.

Und nun ist sie also wieder da: die Frankfurter Buchmesse. DAS soziale Event aller Buchschaffenden, auf das sich alle, nach Facebookaussagen, so sehr freuen und vor dem mir doch etwas graust.
Ich stöbere gern durch die Hallen 3 und 4, blättere durch neue Kunst- und Illustrationsbände, schmökere in Kochbücher hinein oder nehme mal ein schönes Kinderbuch in die Hand. 
Dazwischen habe ich einige Termine (zwei Interviews, drei Gespräche, eine Lesung im Lesezelt auf der Agora und einen Absacker mit meiner Agentin) auf die ich mich tatsächlich sehr freue. Es könnte also alles gut sein.

Ist es aber nicht. Das geht schon mit der Kleiderfrage los. Denn es wird ein langer ungemütlicher Tag, den ich eigentlich am liebsten in einer bequemen zweiten Haut bestehend aus Jogginhose, Kapuzenjacke und Sneakers verbringe würde. Auf einem Jahrmarkt der Eitelkeiten geht das aber nicht. Nicht weil ich mithalten wollen würde, sondern weil ich peinlicherweise furchtbar auffallen würde. Ein bisschen Anpassung muss sein und damit grummelt der erste Streßfaktor in meinem Bauch herum.

Der nächste Punkt ist die Deutsche Bahn und das in doppelter Hinsicht. Da die Lokführer nichts mehr von der Lokomotivführerehre halten, wie sie Jim Knopf noch erklärt bekommen hat, wollen sie streiken. Soll ich also doch lieber mit dem Auto fahren? Sind dann eventuell die Parkhäuser völlig dicht?
Außerdem: Auweia, das ist doch dann bestimmt DAS Smalltalkthema auf der Messe! Aber darüber möchte ich eigentlich gar nicht reden. Auch nicht über das Wetter oder über „Kruso“ (Deutscher Buchpreis), denn das habe ich nicht gelesen.

Überhaupt bin ich ganz schlecht mit Namen oder Gesichtern. Weder kenne noch erkenne ich die wichtigen Drahtzieher der Branche, die Autoren, die man gelesen haben muss, oder meine Facebookfreunde. Das ist im günstigsten Falle einfach peinlich. Im ungünstigsten hinterlässt es einen extrem arroganten Eindruck. Ich könnte mir da unbemerkterweise richtig etwas kaputtmachen.

Vielleicht könnte ich dem mit der richtigen Kleiderwahl oder doch einem gut ausgewählten Smalltalkthema entgegenwirken. Dazu könnte ich mir kleine Karteikarten mit 120 Sekündern anlegen. Vielleicht tatsächlich über die Deutsche Bahn oder den bösen Amazon. Allerdings müsste ich dann die Lesehilfe aufsetzen, so ein Lupengestell in Brillenform von Rossmann, hinter dem mir aber furchtbar schlecht wird, wenn ich den Blick zu heben versuche.

Die Panik vor dem gesellschaftlichen Event ist stampfend und grölend im Anmarsch.
Falls Ihr mich also am Donnerstag durch die Hallen schleichen sehen solltet, sprecht mich ruhig an. Mein verwirrter Gesichtsausdruck ist gar nicht so gemeint. Ich bin eigentlich sehr nett. Wir könnten gemeinsam an irgendeinem Stand ein Gläschen Sekt mopsen oder kurz über das Leben philosophieren. Gerne in 120 Sekündern.

Freitag, 3. Oktober 2014

Ohne Freiheit verkümmert die Seele – Zum Tag der Deutschen Einheit


Am 17. Dezember 1983 durfte meine Familie das ehemalige Gebiet der DDR Richtung Westen verlassen. Ich war 12 Jahre alt und wusste nicht so genau, ob ich große Angst vor den Drogendealern haben oder mich darauf freuen sollte, endlich einmal einen Marsriegel kosten zu dürfen.

Wenige Wochen zuvor hatten meine Mutter und ich verzweifelt nach Winterschuhen für mich gesucht und keine gefunden. Darüber waren wir beide sehr traurig. „Die alten gehen noch, wenn ich die Zehen etwas einziehe“, versuchte ich uns zu trösten. Da sagte meine Mutter: „Du wirst in diesem Jahr neue Winterschuhe bekommen, das verspreche ich dir.“ Ich blickte über das traurige Angebot und wunderte mich über dieses Versprechen, in dem ein nahezu drängender Unterton geschwungen hatte.

Die nächsten Wochen machte ich mich nach der Schule dann schon mal auf die Suche nach Weihnachtsschokolade für die Familie. Meine Hausarbeit waren die kleineren täglichen Lebensmitteleinkäufe und im Jahr zuvor war ich an der Weihnachtsschokolade gescheitert: Es hatte zum Entsetzen von uns Kindern schlicht keine gegeben.

Dann war mein Vater mit uns wandern gegangen. Keine große Strecke, nur am alten Kanalbecken entlang hinterm Dorf, in dem meine Großeltern lebten.
„Wir werden bald umziehen“, sagte er.
Ich war gerade sehr unglücklich in Löschi verliebt, der aber mit der schönen Michaela zusammen war, und darum wog ich ab, ob das jetzt eine gute oder eine schlechte Nachricht war.
„Mami und ich haben einen Ausreiseantrag gestellt, der ist jetzt bewilligt worden. Wir ziehen in den Westen.“
Es war eine schier unfassbare Nachricht.
Dann erzählte mein Vater von den letzten zwei Jahren, wie er sie erlebt hatte, in denen wir nicht mehr reisen durften, er seine Arbeit als Laborleiter der Medizinischen Akademie verloren hatte, in denen wir beobachtet wurden und der Antrag willkürlich zwei oder drei Mal abgelehnt worden war. Ohne Freiheit verkümmert die Seele, sie ist das wichtigste Gut des Menschen und dafür muss man kämpfen, lehrte mich mein Vater. Und niemals, niemals habe ich das vergessen.

Im Gegensatz zu vielen anderen, die eines völlig unabsehbaren Abends erst nach der Arbeit erfuhren, dass sie bis 24 Uhr das Gebiet der DDR zu verlassen hatten, die darum jahrelang aus Koffern in einem Zustand des verzweifelten Wartens und zum Teil unter schlimmer Schikane verbrachten, bekamen wir sechs Wochen Zeit, unser altes Leben zusammen zu packen. Es waren verrückte Tage. Nun durfte ich ja alles allen erzählen und meine Schulfreunde wollten noch mehr hören. Das Ganze war einfach nicht zu fassen. Wir saßen in meinem Zimmer und träumten von Freiheit und Milkaschokolade, ich hoffnungsfroh, die anderen wehmütig. „Du musst uns schreiben, wie diese komischen Brötchen mit Bullette in dem etwas anderen Restaurant schmecken“, sagten sie. Wenn sie nach Hause gingen durften sie jedesmal etwas aus meinem Zimmer mitnehmen. Denn ich durfte das ja nicht. Ein Koffer, hieß es. Dass ich den heimlich noch einmal öffnete, um einen dicken Pulli rauszunehmen und mein geliebtes Knuddelkissen hineinzuschmuggeln, schenkte mir den Trost, den ich später doch hin und wieder brauchte.

Unser Zug verließ den Magdeburger Bahnhof kurz vor Mitternacht und ich wusste, ich würde die Menschen, die mich bis dahin begleitet hatten, meine Schule, die Straße in der ich wohnte, meine Heimatstadt, den Dom, in dessen Chor ich sang, das Schwimmbad, in dem ich beinahe jeden Tag trainierte, den Garten und das Häuschen meiner Großeltern niemals wieder sehen. In Helmstedt stiegen wir um. So weit mich meine Erinnerung nicht trügt, mussten wir dort sehr lange warten, denn viel später, draußen war bereits heller Tag, stieg kurz vor Giessen (dort befand sich das Aufnahmelager, in dem wir die erste Woche im Westen verbrachten) eine Mutter mit ihrem Kind zu uns ins Abteil. Der kleine Junge lutschte genüsslich ein Capri Eis, wie ich heute weiß. Damals starrte ich darauf, bewunderte die seltsam zähe Konzistenz und fragte mich, was das wohl sei.

Mittwoch, 1. Oktober 2014

Die Mode – Frau Herden schert sich nicht darum

Zu Beginn dieser Kolumne, muss ich ein Geständnis machen: Mir ist Mode völlig wurscht und ich besitze auch nur acht Paar Schuhe, manche davon seit zehn Jahren.


In blutjungen Zeiten wollte ich zwar einmal Modedesignerin werden, doch dieser Traum starb kläglich im Kampf mit der Nähmaschine. Mir gelang es leider, ihr eine Hose für meinen ersten Freund abzuringen, und verliebt trug der sie trotzdem einmal. Doch dafür möchte ich mich eigentlich heute noch entschuldigen.

Später arbeitete ich lange als Fotomodell. Mode, Frisur und Make-up das bedeutete Arbeit, falsches Lächeln und Posen einnehmen. Jogginghose und atmende Poren das war Freiheit, ähm, Freizeit. Und draußen fand gerade der Grunge statt. Das passte wunderbar, war unheimlich bequem und hatte sogar einen eigenen Soundtrack.

Irgendwie bin ich da wohl hängen geblieben. Klar, so als Kinderbuchautorin, die den ganzen Tag im Bett rumlümmelt, ist das ja auch möglich. Zumindest scheinen das meine Kinder zu denken, die mich zwar nicht im Bett liegend vorfinden, weil das eben ein Mythos ist, die aber nach der Schule nach Hause kommend kopfschüttelnd sagen: „Na, haste immer noch deinen Schlafanzug an?“
Auch das stimmt nicht, aber solche Feinheiten sind eben nicht für jedermann erkennbar.

Genausowenig, wie es mir möglich ist, mein eigenes Empfinden der Mode unterzuordnen. Vor einiger Zeit hatte meine Tochter plötzlich eine Tasche, für die ich mich sogar vor meiner seeligen Oma geschähmt hätte, so klischeebeladen omahaft sah die aus.
„Die ist total modern“, erklärte meine Tochter.
Nun ja.

Ich kaufte also stets, was mir gefiel und vor allem, was mir passte ohne Baucheinziehzwang oder irgendwelche Schubbelstellen. Neue Kleidungsstücke fügten sich nahtlos und unauffindbar in meinen Kleiderschrank ein. Als ich dem so richtig gewahr wurde, hörte ich auf, Klamotten für mich zu kaufen. Mannchmal, ganz manchmal, schien Not und ich plante eine Stiländerung durch völlig überraschende Kleiderkäufe. Manchmal ging ich dann auch los Richtung Stadt. Doch viel weiter reifte das Vorgehen nicht. Entweder hatte ich sowieso kein Geld übrig oder TK Maxx nichts in meiner Größe. Jedes Mal erkannte ich dann im Nachhinein, die Not war gar nicht aus meinem Kleiderschrank gekommen.

Doch letztens hatte ich einen wichtigen Termin, einen mit Erwachsenen. Ich machte mir tatsächlich Gedanken und hatte auch das Bügeleisen über lange nicht getragenen Stoff geschwungen.
Während des Ganzen hatte ich mich insgesamt etwas unwohl gefühlt, aber zum Glück hatte es nicht lange gedauert. Ob überhaupt bemerkt worden war, was ich am Leibe trug, wage ich zu bezweifeln. Es hatte sich nämlich um ein langes und intensives Gespräch im Sitzen gehandelt. Ich erinnere zumindest nicht im geringsten, was mein Gegenüber dabei an hatte.
Später, nachdem ich meinen lieben Eltern von diesem Termin erzählt hatte, fragte meine Frau Mama entsetzt: „Du wirst doch nicht eine dieser Kapuzenjacken angehabt haben?“
„Nein! Was denkt ihr denn von mir?“, konnte ich entrüstet antworten. (Ich hatte den Hoodie zwar in der Tasche dabei gehabt, aber es war so warm gewesen, dass ich ihn nicht auspacken musste.)

Und dann passierte die Sache mit der Hose. Letzte Woche begleitete ich meinen mich besuchenden Herrn Papa wieder hinunter.
"Willst du dir nicht eine andere Hose anziehen? Du gehst doch nicht zum Sport", brummte er.
"Ach, Papi."
Im Briefkasten lag die Tageszeitung aus Fulda mit einem Artikel zu meinen Lesungen. Stolz (es hört nie, nie auf) las ich vor. Sachen wie "ungemein sympathische Literatin", "renommierte Kinderbuchautorin" und “Die Autorin schreibt gut, liest gut und toppt alles mit ihrer unverkrampften, fantasievollen Art.”
"Über wen schreibt dieser Mann da eigentlich?", sagte mein Vater und grinste mich frech an.
Ich ließ mich jedoch nicht weiter herausfordern.
Dann tippte er auf das Bild. "Sag mal, du hast doch da nicht etwa auch diese Hose an?", fragte er kopfschüttelnd. Doch, hatte ich.
Auch meine Tochter schimpfte des abends mit Blick auf das Zeitungsfoto mit mir: “Mensch, Mami, ich hab doch gesagt, zieh´ die Hose nicht an.”

Also ging ich geschlagen in die Stadt. Doch triumphierend kam ich nur wenig später wieder nach Hause. Nicht weil ich eine schicke neue Hose erstanden hatte, sondern eine Erkenntnis.
“Mein Schatz”, sagte ich wie nebenbei zum Töchterchen, “du hast es vielleicht noch gar nicht mitbekommen, aber Jogginghosen sind in diesem Herbst der allerneueste Schrei.”
Bei manchen Dingen muss man eben einfach nur konsequent dabei bleiben.

Und wegen der eleganten Jacke, die ich zu kaufen meinen Eltern versprach, nun: Vielleicht finde ich ja eine mit Kapuze.