Mittwoch, 30. Juli 2014

Pferdefuss und Küsse – Frau Herden machte mal Reiterhofferien

Letztens radelten wir an einem Reiterhof vorbei.
„Als junges Mädchen bin ich ja auch mal geritten“, erzählte ich meinem Sohn.
„Echt? Du?“, fragte der.
Etwas irritierte mich an der Betonung des Dus, aber das ignorierte ich.
„Na, klar. Ich wollte ja auch mal Indianer werden“, sagte ich.
„Du und Indianer“, lachte der Sohn.
„Lach nicht, sondern sei froh. Sonst hätte ich mir nicht so viel Mühe mit deinem Indianergeburtstag vor sechs Jahren gegeben.“ Das stimmte. Denn eigentlich – und mal ganz ehrlich – lebte ich da wohl auch etwas aus.


Ja, dachte ich, Indianer. Mit Pfeil und Bogen, Federn im langen schwarzen Haar, Lederhemd mit Perlen und Bändern und einem warmen Pferderücken unterm Hintern, der mich über die goldenen Weiten der Prärie getragen hätte.
Leise und inbrünstig hatte ich meine Kindheit hindurch das DDR-Kinderlied Der Indianerjunge vor mich hingesungen. Natürlich etwas modifiziert. „Als ich ein kleines Mädchen war / spielt´ ich oft in der Prärie / hörte Indianergeschichten so gern / diese Zeit vergess´ ich nie / Ich schoss mit Pfeil und Bogen wie sie / trug Mokassins am Bein / und abends schlief ich dann ganz allein / am Lagerfeuer ein.” Das singe ich übrigens heute noch ganz gerne leise vor mich hin.
Mein lieber Herr Papa unterstützte das Ganze in so fern, als dass er von mir und meiner Schwester im Falle von Unwohlsein, Krankheit oder einer Verletzung verlangte, die Indianermethode anzuwenden: Hand drauf und gut. Dass Indianer sehr wohl auch Schmerzen empfinden, wusste ich damals noch nicht.
Irgendjemand sagte mir dann, dass ich kein Indianer werden könne, weil das gar kein Beruf wäre. Schade, dachte ich und legte traurig meinen selbstgebastelten Federschmuck in die unterste Schublade.
Viel später auf einem Rave in einem Reservat in Arizona hätte ich dann doch einer werden können. Zumindest Indianerin. Aber ich hatte traurig das verschwitzte Shirt mit den schreiend bunten Pilzen darauf, das verstrubbelte Haar und die um einen Fixpunkt ringenden braunen Augen meines Gegenübers betrachtet und beschlossen, noch etwas zu tanzen, irgendwie den Rausch zu überstehen und dann wieder nach Hause zu fahren.

Trotzdem hatte ich mich viele Jahre zuvor sehr gefreut, als mir meine Eltern Reitstunden anboten. Sogar eine Woche Reiterferien fanden in den Monaten meines dreizehnjährigen Lebens statt, die ich nach Pferd und Stall roch. Genau diese Reiterferien waren dann auch das schmerzhafte Ende dieser Zeit. Das Pferd, das ich reiten durfte und als Ausgleich zu pflegen hatte, quetschte mich in seiner Box ein und zertrat mir auf sehr unangenehme Weise den Fuß.
Dennoch erinnere ich diese Reiterferien mit einem Lächeln. In der Pension wohnte nämlich ein Junge im Nachbarzimmer. Der lud mich eines Abends zum Knutschen ein. Ich fand das nett, obwohl mich etwas verwunderte, dass ein 14Jähriger Reiterferien machte. Der Einladung am zweiten Abend folgte ich dann auch nicht mehr. Er hatte etwas sehr Blödes gesagt: “Du bist wirklich aus der DDR (die gab es damals noch)? Ich dachte immer, dort gäbe es nur hässliche Dinge.” Nun ja, …
Erst später kam mir der Gedanke, dass es eigentlich eine unglaublich clevere Idee war, als 14jähriger Junge Reiterferien zu machen. Wo sonst fand man eine derartige Dichte romantischer und kusswilliger 13jähriger Mädchen vor?

Mein Sohn warf noch einen scheelen Blick auf den Reiterhof. “Für mich wäre das ja nix”, sagte er und stieg wieder auf sein Rad.
“Na, wenn du nicht willst”, sagte ich, trat in die Pedale und sang fröhlich ein Liedchen vor mich hin.

Montag, 28. Juli 2014

Ich weine – Politik, Krieg und Kinder

Ich habe folgenden Text schon vor zwei Tagen im Facebook veröffentlicht. Möchte das aber auch noch einmal hier gerne tun. Denn ich finde ihn wichtig. Er soll und darf nicht einfach so auf einer Pinwand nach unten rutschen.


„Willst du dich nicht auch mal zur politischen Situation äußern? Bist du denn gar nicht politisch?“, fragte man mich.
Natürlich bin ich das. Jeder Mensch, der in einer Gesellschaft, einer Stadt (polis), lebt, agiert und denkt letztendlich politsch. Bin ich als Kinderbuchautorin verpflichtet, mich öffentlich zu äußern? Vielleicht.
Ich weine. Und das kann jeder ganz wörtlich nehmen. Umtobt von Kriegen weine ich nur noch. Hilflos starre ich auf die Bilder und verstehe sie nicht.
Jemand, der mich kennt, könnte nun rufen: „Aber Frau Herden, du weinst doch immer!“ Nun ja, das stimmt. Und genau das ist das Problem. Jemand, der sich dermaßen berühren und erschüttern lässt, muss sehr genau überlegen, wie er sich engagieren kann. Hass und Mitleid helfen nicht, sondern Verstand und Mitgefühl. Doch ich leide. Wer Bomben schmeißt, ist ein Mörder. Egal, ob er angefangen hat oder nicht. Und dann beginne ich zu hassen.
Ich rette mich in eine fatalistische Misanthropie. Sage mir: Ich bin von Idioten umgeben. Idioten, die sich gegenseitig umbringen, und wenn sie damit fertig sind, zerstören sie den Rest des Planeten, ihre eigene Heimat. Mir fällt dazu nichts weiter ein. Einziger Trost ist: Die Menschen werden nicht gewinnen! Egal welche Spur der Verwüstung sie anrichten, irgendwann sind sie weg und die Natur, die Erde, wird sich wieder aufrichten, bedauernd ihr mächtiges Haupt schütteln und auf der To Do-Liste hinter den Stichpunkt Menschen BLÖDER FEHLER schreiben.
Und ich? Ich habe die Kinder gewählt. Denn sie, allein sie, vermitteln mir Hoffnung. Eine Hoffnung, die die Misanthropin nicht braucht, aber die die Frau und Mutter in mir erfleht. Darum schreibe ich. Darum lese ich. Für Kinder.
Dass die Großen sich über sie hinwegsetzen, ihnen Regeln aufdrängen, angeblich diplomatische Regeln, die letztendlich zu Kriegen führen können, lässt mich manchmal wütend in mein Kissen beißen. Dazu hier einmal ein Beispiel:
Es ist an der Schule meines Sohnes verboten, sich zu prügeln, sich zu schlagen, sich zu stoßen, sich anzuschreien, jemandem die Mütze vom Kopf zu ziehen, eine Kastanie oder einen Schneeball nach jemandem zu werfen. Stattdessen soll man denjenigen, über den man sich geärgert hat, sofort an die Direktion VERPETZEN. Auch jeden anderen, den man nur beobachtet hat, bei etwas, das eventuell verboten ist.
Ich finde das ganz ganz schlimm. Ich möchte die Menschen nicht kennenlernen, die daraus entstehen.
Letztens gab es in der Klasse meines Sohnes einen Disput zwischen zwei Jungen, der einfach nicht geklärt werden konnte. Gemeinsam wurde beschlossen, diesen nach der Schule in einem Kämpfchen auszutragen. Also lief die halbe Klasse nach dem Unterricht zu einer versteckten Unterführung. Es wurden genaue Regeln für das Kämpfchen beschlossen. Dann traten sich die beiden gegenüber und versuchten sich eins auf die Nase zu geben. Als beide erschöpft waren und jeder einen ordentlichen Schwinger abbekommen hatte, wurde der Disput für beendet erklärt. Die Jungs gaben sich die Hand und teilten sich eine Flasche Limo. Gemeinsam liefen alle nach Hause und besprachen noch etwas den Kampf. Alles war gut.
Leider erzählte eines der Mädchen zuhause davon. Empört riefen deren Eltern in der Schule an. Es gab einen Rieseneklat, der leztendlich die Klasse spaltete in Verräter, Feige, Mitläufer, Neutrale, Gleichgültige, Freidenker und Schläger.
Und ich? Am liebsten hätte ich den verantwortlichen Erwachsenen alle Bände des Kleinen Nicks um die Ohren gehauen.

Mittwoch, 23. Juli 2014

Scheisse sagt man nicht – Frau Herden sucht die korrekten Bezeichnungen für den Intimbereich


Als Kind eines Mediziners machte ich nie Pipi oder Kaka. Ich urinierte und defäzierte. Von Anbeginn. Hinterfragt habe ich das lange nicht.
Übrigens auch das zweimalige tägliche Duschen nicht – morgens und abends erst warm, dann kalt. Letzteres habe ich höchstens heimlich vermieden. Gesundheit und Hygiene wurden bei uns sehr groß geschrieben. Selbst wenn wir unterwegs waren und wir uns durch unwirtliches Gebiet, menschenleere Einöden oder anderes gefährliches Gelände schlugen. (Unser Leben der arbeitsfreien Tage meiner Eltern glich tatsächlich dem eines fahrenden Volkes und ich weiß, woher mein unruhiges Blut und mein permanentes Fernweh stammen.) Mit dem Heulen der Wölfe erscholl auch allabendlich der Ruf meines lieben Herrn Papa: „Kinder! Hände, Po und Vulva waschen.“ Dann suchten meine Schwester und ich unsere kleinen Waschbeutel und ein lehmiges Wasserloch in der Dunkelheit, um eben jenes zu tun. Punkt.


Jahre später sprach mich die Kindergärtnerin meiner Tochter an. Ich solle mein Kind doch etwas altersgerechter erziehen. Bass erstaunt fragte ich, was denn los sei. Nun, die Kleine hätte sich an der Schaukel gestoßen und über Schmerzen an der Vulva geklagt. Meine von Unverständnis aufgerissenen Augen ließen sie dann etwas herumdrucksen. Doch schließlich erfuhr ich, dass niemand im Kindergarten gewusst hatte, um welches Körperteil es sich da gehandelt hätte, so dass man genötigt war, den Kinderarzt anzurufen. 
Ich kann nicht sagen, ob es mir tatsächlich gelang, mein Grinsen überzeugend zu verkneifen.

Doch nicht nur Tadel, sondern auch Lob brachte das Verwenden solcher fachlich sachlichen Bezeichnungen. Und so erinnere ich mit Freuden folgende Episode:
ACDC waren noch gar nicht tot, sondern gaben ein Konzert in der Frankfurter Festhalle. Eine wunderbare Gelegenheit für eine ausschweifende Herren-Tour. Damals waren wir mal kurzzeitig zu viert und das Söhnchen noch nigelnagelneu. Der Mann hatte extra einen VW Bus gemietet und so langsam versammelten sich etwa zehn unserer männlichen Freunde in der Küche. Sie freuten sich so und das freute mich. Ganz gerührt betrachtete ich die einstigen Jungs mit den beginnenden Geheimratsecken und den T-Shirts längst vergangener Konzerte durchkreuzt von ausgeblichenen Legekanten.
Da stapfte das knapp dreijährige Töchterchen hinzu, sah sich aufmerksam um und suchte dann ein wenig Sicherheit an meinem Bein. Als plötzlich aus einem seltsamen Zufall heraus das tiefe Gemurmel und Gelache für einen Augenblick zur Gänze verstummte, sprach es in die Stille hinein: „Mama, das sind alles Männer und die haben alle einen Penis.“

Mittwoch, 16. Juli 2014

Bitte, bitte liebt mich! – Frau Herden trauert der Nummer 600 nach


Aus aktuellem Anlass schrieb ich soeben dies.
Ach ja: Wer nicht über sich selbst lachen kann, der sollte das hier nicht lesen.


Über Nacht habe ich im Facebook wieder einen Fan verloren. Jetzt sind es nur noch 598. Dabei hatte ich mich vor zehn Tagen noch ganz innig bei meinen 600 Fans bedanken dürfen. Zum Tag des Kusses natürlich mit Kussbildern, die zwar etwas peinlich, aber doch von Herzen waren. Nicht nur, dass es seitdem keinen neuen Freund meiner Autorenseite gibt, zwei Tage später verließ mich gar einer. Und nun ist das also wieder passiert.
Ich starre auf die Zahl 598, weine leise vor mich hin und rufe in die Leere des Raumes hinein: „Warum, liebe 599? Warum? Und was war dein Grund, Nummer 600? Wann und wie habe ich euch so bitter enttäuscht, dass ihr mich verlassen musstet? Ihr hättet mich doch auch einfach unauffällig ignorieren können.“ 
Die ahnen vielleicht nicht einmal, wie sehr ich an sie denke.

Dabei gebe ich mir doch so viel Mühe. Jeden Tag überlege ich mir etwas, womit ich meine Fans beglücken könnte. Ich mache mir Gedanken über Wichtiges oder auch mal Unwichtiges, kleide sie in die mir eigenen Worte, fotografiere oder finde dazu ein Bild, arbeite das Ganze noch mal auf und präsentiere es dann in möglichst mungerechten Stückchen. Wenn es jemandem gefällt, dann freut mich das. Wenn gar einer etwas dazu äußert, muss ich ein aufgeregtes Klopfen meines kleinen, wilden Herzens unterdrücken. 
Obwohl es hin und wieder schon schmerzt, dass Posts, die ich nur geteilt habe, weitaus mehr „Likes“ bekommen, als solche, die ich mir in der eben beschriebenen Form quasi aus der Seele gerungen habe. Die Frage, was mir das sagen soll, ignoriere ich jedoch tapfer und mit fest zusammengebissenen Zähnen.

Manchmal kann ich mich auf gar nichts anderes konzentrieren, bis nicht irgendeine Reaktion auf meinen Tagespost gekommen ist. Um die Wartezeit bis dahin zu verkürzen, telefoniere ich währenddessen gerne mit meiner Freundin Katinka.
„Warum mache ich das?“, jammere ich dann zum Beispiel.
Eigentlich hatte ich die Seite nämlich einst eröffnet, um über meine Bücher und auch etwas über mein Leben als Kinderbuchautorin zu berichten. Für Leute, die das interessiert. Veranstalter zum Beispiel, die nach Autoren für das nächste Festival Ausschau halten, Lehrer und Bibliothekare, die sich ein Bild von mir machen wollten, und Buchhändler. Das sollte flott, rein beruflich orientiert, aber sympathisch funktionieren und vor allem nicht viel Zeit kosten.

Als eine Studie der TU meines Heimatstädtchens herausfand, dass Facebook in den Usern Neid schürt mit all seinen Bildchen, die „Schaut her! Hier bin ich in meinem wahnsinnig sexy Outfit, an diesem wunderschönen Ort, gleich beiße ich in diesen unglaublich leckeren Burger, neben mir sitzen diese ultracoolen Leute und nachher fängt es erst richtig an!“ schreien und ein höhnisches „Und du so?“ nachschieben, da überprüfte ich alles (Blog, Profil, Autorenseite) genau darauf hin. Denn das wollte ich nicht. Neidisch sollte niemand auf mich sein. Beruhigenderweise stellte ich schnell fest, dass ich gar kein wahnsinnig sexy Outfit besitze und mich so auch nie aus Versehen darin hätte fotografiert haben können. Ehrlich gesagt, besitze ich auch gar kein Selfiephone, mit dem man das gemeinhin und eben mal schnell so macht. Und vielleicht auch nicht mal die Figur ... doch das ist ein ganz anderes Thema.

„Letztendlich wollen wir eben alle geliebt werden“, sagt Katinka. „Darum.“
„Aber bin ich denn so verdammt liebebedürftig, dass ich mich auf ein „Gefällt mir“ stürze wie ein verhungernder Straßenköter auf einen angeschimmelten Knochensplitter?“
„Darüber müsstest du vielleicht mal nachdenken“, sagt Katinka.
„Ja, da hast du recht. Vielleicht läuft ja irgendetwas schief in meinem Leben.“
Ich lege auf, nicke mit dem Kopf und nehme einen Schluck aus der Tasse mit kaltem Kaffee. Dann presse ich den Hörer wieder an mein Ohr und drücke die Wiederwahltaste.
„Katiiiinkaaaa? Aber warum hat mich Nummer 600 nicht mehr lieb?“

Mittwoch, 9. Juli 2014

Der Keller ist ein kalter Ort – Notunterkünfte für kleine Revoluzzer


Menschen saßen schon immer zusammen, am Feuer zum Beispiel oder beim Quilten. Die Alten erzählten und die Jungen hörten zu. So erfuhren sie die Geschichten und Legenden des Stammes oder der Familien.
Und lernten.


„Mama, erzähle uns von früher, als du klein und noch jung warst!“, wurde ich vom eigenen Offspring aufgefordert. Ich erzähle gerne und so waren wir oft zusammen – im Auto auf großer Fahrt zum Beispiel, beim Durch-die-Landschaft-Laufen oder Vor-dem-Zelt-Sitzen – und ich erzählte. Je älter die Kids wurden, desto älter wurde auch die Protagonistin (ich) meiner Geschichten.

Und so begannen die Fehler. In meinen Erinnerungen schwelgend, erzählte ich nämlich vor lauter Begeisterung hin und wieder zu viel. Und die Kinder lernten. Saßen da mit offenen Ohren, offenen Mündern und ich tauchte mit ihnen in jene verrückte Nacht ein, als ich, 14-jährig, gemeinsam mit einer Freundin heimlich eine wilde Party mit erstem Bier (schmeckte nicht) und richtigem DJ erlebte. Wir hatten Schlafsäcke dabei und die Option bei „dem süßen blonden Typen“ zu übernachten. Leider hatte dessen Mutter etwas dagegen. Darum standen wir plötzlich mutterseelenallein gegen zwei Uhr morgens zehn Kilometer vom Heimathafen entfernt im kalten Novembernieselregen. Wir hängten uns die Schlafsäcke über und liefen durch den finsteren Wald nach Hause. Da sie ja bei mir und ich bei ihr übernachtete, schlichen meine Freundin und ich uns in den Keller ihres Elternhauses. Nach unserem nächtlichen Marsch waren wir sehr sehr hungrig. Das Grillen zweier Wienerwürstchen in Aspik aus der Voratskammer auf einem alten Bügeleisen wollte nicht schmackhaft gelingen. Notgedrungen hebelten wir mit einem Stemmeisen eine Thunfischdose auf, verschlangen den öligen Inhalt und entsorgten die Dose hinter einem Haufen Bretter. Dann versuchten wir eng aneinander gegabelt in den Schlaf zu finden. Vier fischbegeisterte Katzen, die sich von einem meterhohen Bretterhaufen nicht entmutigen lassen wollten, und die deutlichen Minusgrade verhinderten das jedoch. Schließlich gaben wir auf, schlichen ins Bett der Freundin, wo wir nur wenige Stunden später entdeckt und bestraft wurden.

Vor etwa zwei Jahren brach das Töchterchen zu einem Übernachten bei einer Freundin auf. Am nächsten sehr frühen Morgen klingelte das Telefon. Die aufgeregte Mutter einer ganz anderen Freundin meiner Tochter war am anderen Ende.
„Weißt du, wo unsere Mädchen heute nacht geschlafen haben?“, fragte sie.
„Also, meine war bei einer Freundin.“
„Ha! Das stimmt nicht. Die waren bei euch im Keller!“

Der Tag wurde von vielen Tränen, Erklärungen und auch einem Entschuldigungsgang auf das nächste Polizeirevier bestimmt, wo sich die Mädels bei den beiden Beamten meldeten, die die ganze Nacht lang sämtliche Facebookfreunde im Umkreis von 30 Kilometern abgefahren waren. Ich war sehr froh, dass ich diese ganze Nacht seelenruhig geschlafen hatte und von all dem gar nichts wusste.

„Aber, Mama, das hast du doch damals auch gemacht“, raunte mir das Töchterchen zwischendurch zu.
„Na und, das ist kein Argument“, sagte ich und versuchte mich an einer gestrengen Miene.
„Ich kann sehen, dass du lachen musst“, erwiderte das freche Weiblein und grinste mich an.

Mittwoch, 2. Juli 2014

Frau Herden ist eine Frau – und das gerne

In meiner heutigen Mittwochskolumne wage ich mich an ein wichtiges Thema und sage: Ich bin gerne Frau und würde auch gerne mal wieder so behandelt werden. Dafür würde ich auch meine geliebte Kapuzenjacke ausziehen.



Ich bin gerne Frau. Mit allem Pipapo. Mit Begegnungen voller Zuvorkommenheit und Achtsamkeit, mit Beschütztwerden und Türaufgehaltenbekommen, mit Ausgeführtwerden und Nichtimmerbestimmenwollen (außer natürlich, wenn ich recht habe).
„Oh, ha!“, höre ich die Emanzen schimpfen. Aber die schimpfen immer mal, wenn ich etwas sage. Manchmal auch, wenn sie mich nur sehen.
Dabei hat das gar nichts mit Gleichberechtigung oder Emanzipiertsein zu tun. Ersteres erwarte ich, das zweite bin ich. Seit sechzehn Jahren erziehe ich (mit zwei knapp dreijährigen Unterbrechungen) meine Kinder alleine. Da bleibt einem gar nichts anderes übrig.
Trotzdem.

Wie schön wäre es beispielsweise, einen Anruf von einem netten Mann zu bekommen (ich ignoriere hier einmal ganz bewusst, dass dieser Anruf natürlich erst nach dem Kennenlernen eines netten Mannes erfolgen kann und spreche einfach mal aus Erfahrung), der mich auffordert, eine Tasche für drei Tage zu packen – je nach dem mit Badeanzug oder Wanderschuhen, vielleicht auch einem Buch und meinem Kleid für Gelegenheiten – und einfach damit zu warten, bis er mich abholen kommt. Alles andere sei schon organisiert.

Vielleicht bin ich etwas maßlos? Nun gut, ein Anruf von einem netten Mann, der sagt, er würde mich in einer Stunde zum Essen abholen und ich bräuchte weder das Restaurant raussuchen noch dort einen Tisch reservieren, denn das hätte er alles schon getan und das Lokal sei eine Überraschung, würde mich schon unendlich glücklich machen.
Denn so etwas kenne ich aus den Filmen der 50er und 60er Jahre. Leider nur daher.
Ich selbst habe wunderbare Freundschaften und Lieben leben dürfen. Aber immer war ich auch ein bisschen der Animateur darinnen gewesen. Dabei wollte ich das nie sein. 
„Na und?“, fragen vielleicht manche und verstehen meine Not nicht. Darum möchte ich ein Beispiel erzählen.

Einmal, es ist viele Jahre her (etwa die Zeit, aus der das Plakat von mir stammt), da wollte ich die Probe aufs Exempel machen und beweisen, dass ich für den Mann an meiner Seite oft sogar denken musste.
Wir waren eingeladen und hatten einen sehr großen Salat bereitet. Wir setzten uns damit ins Auto. Der Mann fuhr. Ich sagte nichts. Der Mann fuhr die lange Straße hinunter, durch die ganze Stadt, auf den Autobahnzubringer. Ich sagte nichts.
Kurz vor Frankfurt fragte der Mann: „Wo müssen wir noch mal hin?“
Ich sagte es ihm.
Die Adresse lag nur wenige Straßen von unserer Wohnung entfernt. Das Auto hatten wir eigentlich nur wegen des sehr großen Salats genommen.
„Warum hast du das denn nicht gleich gesagt?“, wurde ich angefahren.
Das führte letztendlich zu einem etwas lauteren Gespräch auf einem Autobahnparkplatz.
„Weißt du, manchmal ist es eben einfacher, dich zu fragen, als selbst nachzudenken“, ließ er mich ganz unverblümt wissen. Okay, nicht ganz unverblümt. Er grinste dabei. Und er hatte ein süßes Grinsen.
Versöhnt haben wir dann auch gleich noch dort auf dem Parkplatz den Salat gegessen.
Ach ja: Eingeladen hatten uns übrigens seine Freunde.


Das letzte Mal ging es um Traditionen. Das passt ja irgendwie zusammen.