Montag, 26. Dezember 2016

Good bye, George Michael

Als ich 12-jährig Anfang der 80er mit meinen Eltern aus dem Osten kam, hatte ich keine Musik.
Wir besaßen in Magdeburg zwar einen Plattenspieler, doch auf dem liefen klassische Konzerte, Peter Maffay, Märchenplatten und „Komm wir malen eine Sonne“ von Frank Schöbel. Als meine Eltern sich ein neues Radio kauften, stellten sie das alte in unser Zimmer. Sonntagsabends, wenn wir eigentlich nur noch etwas lesen sollten, lauschte ich heimlich der NDR 2 Hitparade. Das wars. Irgendwann schleppte mein Vater einen kleinen Kassettenrecorder an. Für den besaß meine Familie genau 2 Kassetten. Englisch 1 und Englisch 2. Wir wollten ja in den Westen und mussten vorbereitet werden. Also kauerten wir jeden Abend zu viert drumherum und lernten.
Hier im sagenumwobenen Westen war eine Steroanlage nicht das erste, was meine Eltern kauften. Aber nette Menschen schenkten meiner Schwester und mir einen kleinen braunen Kassettenrekorder. Musik hatten wir jedoch noch immer keine.
Als ich das erste Mal auf eine Klassenparty eingeladen wurde, hörte ich Wake me up before you go go. Das gefiel mir gut.
„Wenn du magst, kann ich dir die Platte auf Kassette aufnehmen“, bot mir ein Klassenkamerad an.
Am nächsten Tag brachte er mir tatsächlich eine Kassette mit. Vor Dankbarkeit war ich völlig erschüttert. Wie einen wohlgehüteten Schatz brachte ich sie nach Hause, nahm den kleinen braunen Kassettenrekorder, erlitt einen kleinen Panikanfall, weil ich die Kassette erst einmal falsch einlegte und befürchtete, sie zerstört zu haben, und dann drückte ich schließlich auf Play. Ich bekam kaum Luft vor Spannung, vor Aufregung, vor Glück. Diesen Moment, als die ersten Töne meiner ersten eigenen Musik erklangen, werde ich nie vergessen. Wham! Mitten ins Herz.

Dienstag, 13. Dezember 2016

Gedanken kurz vor Ladenschluss

Gedanken kurz vor Ladenschluss: Vielleicht kann man die Welt tatsächlich nicht mehr retten. Zumindest nicht die Menschheit. Jedenfalls nicht vor sich selbst. Klar, eine Zombieapokalypse abzuwehren, das könnte man schaffen. Eine Alieninvasion auch. Ebenso wie man wahrscheinlich einen auf den Planeten zurasenden Meteoritenschwarm umlenken, eine Springflut besänftigen oder ein alles zerlegendes Virus ausmerzen könnte. Zur Not könnten wir sicher auch auswandern, irgendwohin. Das All soll ja unendlich sein. Müssten wir nur die Gravitation überwinden. Ich bin sicher, das sind alles Kleinigkeiten. Im Gegensatz zum Kampf gegen das gefährlichste, dümmste, egoistischste und brutalste Wesen, das es überhaupt gibt, dem Menschen selbst. Ich schreibe das mit tiefem Ingrimm, absoluter Überzeugung und dem heimlichen Wissen, dass ich aber nicht dazu gehöre. Wahrscheinlich wie alle, die das hier gerade lesen.
Dabei stimmt das gar nicht. Dass ich nicht dazugehöre, meine ich. Ich wüsste es nur manchmal besser. Aber bin ich das auch? Besser? Bin ich immer und absolut konsequent, in dem was ich tue, weil ich weiß, was ich weiß?
Ich erwarte nichts von mir, das Superhelden, Gremien, ethische Räte und Versammlungen weiser Menschen auch nicht hinbekommen. Das wäre albern. Ich denke auch nicht, dass ich allein deshalb ein guter Mensch wäre, wenn ich Online-Petitionen unterschriebe oder weinende Icons unter Kriegsbilder setzte. Ein wenig weiter bin ich schon. Das darf ich sagen.
Mir ist klar, wenn ich hier mehr konsumiere und verbrauche, als mir zusteht (und das ist qua Geburtsort und Lebensraum immer mindestens + 0,8 Erden – klickt Euch mal durch den FoodPrint-Rechner – http://www.fussabdruck.de/fussabdrucktest/#/start/index/ –, es ist zum Heulen), dass ich anderen woanders ihren Anteil wegnehme. Das ist nicht gerecht. Und Ungerechtigkeit führt in letzter Konsequenz zu Kriegen. Gegen die ich doch mit jeder Faser meines Herzens bin. Eine Krux. Die ich durch vorbildliches Verhalten zu lösen versuche. Ich baue mein eigenes Gemüse an, fahre mit dem Fahrrad und mit öffentlichen Verkehrsmitteln, lebe in einer Wohnung voller angespülter Lebenserinnerungen und wackliger geerbter oder gefundener Gebrauchsgegenstände, habe kein Smartphone, konsumiere so wenig wie möglich. Ehrlicherweise muss ich zugeben, dass mir all das leicht fällt. Ich liebe meinen Acker und die Feldarbeit, ich fahre gerne Rad und Zug, ich habe kein Geld, um letztlich Überflüssiges zu konsumieren, außerdem erlebe ich lieber etwas, als dass ich Materielles um mich häufen möchte.
Ist das also genug? Zumal es mir eben auch liegt und keine wirklichen Opfer fordert? Es fühlt sich oft nämlich nicht gut und ausreichend an.
Vielleicht schreibe ich darum Kinderbücher. Zwischen den Geschichten und Abenteuern möchte ich meine eigenen Werte formulieren und – ja, ich gebe es zu – auch weitergeben. Und natürlich freut es mich dann, wenn meine Bücher beispielsweise wegen der Vermittlung des Demokratiegedankens von Kinderrechtsorganisationen gelobt werden. Aber ist das nun genug?
Gestern zum Beispiel kaufte ich eine Weihnachtsbaumbeleuchtung. Dabei muss hier noch irgendwo eine vom vorletzten Jahr sein. Ich konnte sie nur nicht finden. Nein, stimmt nicht. Ich war zu faul, danach zu suchen. Wenn ich ganz ehrlich bin, bin ich öfter mal zu faul, zu kaputt, zu erschöpft. Dann gehe ich doch in den Laden. Danach habe ich zu recht ein schlechtes Gewissen. Das versuche ich dann am Schreibtisch im aktuellen Manuskript wieder abzubauen.
Und so entstehen Bücher, die letztlich meiner Wunschvorstellung des Menschseins entsprechen. Weil ich aber wahrhaftig bin, breche ich sie immer auch gleich selbst wieder, in dem ich innere Konflikte einbaue. Denn perfekte Menschen gibt es nicht. Außerdem würden die entsetzlich nerven. Von Nervenden wollen wir nichts annehmen, auch nicht das Gute.
Und so schreibe ich weiter, male mir die Welt in meinen Farben und versuche hinterher selbst danach zu leben. Es würde mich freuen, wenn ich nicht die einzige wäre.
Was wollte ich eigentlich mit all dem hier sagen? Vielleicht alles, vielleicht nichts. Gedanken kurz vor Ladenschluss eben. Und ein inniger Wunsch: Lasst uns bitte besser werden.