Als ich die Ateliergeschichten begann, wusste ich gar nicht, wie viel sie mir geben würden. Welch wunderbare Idee ich da eigentlich hatte, wird mir von Mal zu Mal bewusster. Und ich hoffe, es werden noch viele mehr.
In der letzten Woche besuchte ich Beate Katz. Zwei tolle Stunden im Farbrausch (olfaktorisch und visuell) und voller Geschichten.
Beate Katz ist ein Country Girl - der Kontakt mit der Natur ihr A und O. Darum malt sie auch viele Bäume in allerlei Form und Gestalt. Das bleibt wohl nicht aus, wenn man eine "verwilderte Kindheit" erleben durfte - immer draußen, immer unterwegs mit der Bande zum Bäume Klettern, Hütten Bauen und Kaulquappen Fangen - deren oberstes und einziges Gebot hieß: "Um sieben Uhr bist du zuhause." Dort, im Zuhause, gab es keinen Fernseher. Aus lauter Langeweile begann die kleine Beate zu zeichnen, mit Bildern und Worten Geschichten zu erzählen. 1975 besuchte die Neunjährige eine Paul Klee Ausstellung in Stuttgart und beschloß: "Ich werde auch eine Künstlerin."
Trotzdem machte Frau Katz nach Jahren des Suchens, des Irrens und Wirrens mit 26 Jahren erst einmal (manch weniger Kreativer, sagen wir mal: manch Gradliniger, dachte statt "erst einmal" sicher "endlich") eine Ausbildung zur Fremdsprachensekretärin. Doch vor Antritt der angebotenen Stelle, forderte Frau Katz - glücklicherweise - noch einmal das Schicksal heraus. Und wie sie es herausforderte.
Einmal Hamburg sollte es noch sein, da war sie schon einmal gewesen, ein ganzes verrücktes Jahr lang. Und da sie sowieso hinfuhr, sprach nichts dagegen, vielleicht doch in der Hochschule für Bildende Künste vorstellig zu werden.
Einen ollen Sperrmüllkoffer hatte Frau Katz dabei, einen, der nicht gut roch, gefüllt mit in heißen Sommernächten durchschwitzten Negligés aus den 1950er Jahren. Der Kenner weiß, die sind nicht aus Seide, sondern synthetisch. So etwas riecht auch nicht gut. Ein paar Mottenkugeln sollten Flattertiere abhalten, gaben dem Ganzen zudem noch eine gestrengere Geruchsnote. Dieser Koffer lag im Gepäcknetz des Zuges, im Zug herrschten einige 30 Grad. Unter dem Koffer, eingehüllt in den Ausdünstungen, saß Frau Katz und schrieb ein "Manifest für Geruchskunst", da ihrer Meinung nach, die visuelle Kunst ausgereizt wäre - ein Manifest, das ich sehr gern einmal gelesen hätte.
Da Beate es in den Koffer legte und diesen dann als Bewerbung an der Hochschule abgab, durften die ehrenwerten Professoren und Dozenten es lesen. Sie zeigten sich begeistert und Frau Katz zog nach Hambug.
Eine wirklich schöne Arbeit aus der Zeit, da sie die Klasse von Wolfgang Tillmanns besuchte. (Der hatte sich Frau Katz extra ausgesucht). Ein Foto, das Textilien darstellt und doch irgendwie Malerei ist.
Sieben Jahre studierte sie, sieben Jahre, die ihr lang und länger wurden. Zum einen musste sie sich bestimmter - durch ihren Geruchs-Koffer ausgelöste - Erwartungen erwehren, zum anderen verlangte man von ihr zu lernen, was es heißt, ein Künstler sein zu wollen, der vielleicht sogar beabsichtigte, etwas Geld zu verdienen. Sich positionieren hieß das, aber gemeint war: Ein Produkt hätte sie werden müssen. Und auf Schickimicki-Partys auf Stöckelschuhen herumstehen, um sich, ähm, das Produkt, also, ihre Kunst anzubieten. Vorne Küsschen und hinten härtester Konkurrenzkampf.
Nach kurzer Zeit waren all ihre Illusionen kaputt. "So etwas konnte und wollte ich nicht. Ich bin doch eine, die in besetzten Häusern gelebt hat."
Nach dem Studium entdeckte Frau Katz für sich Textil-Skulpturen und beteiligte sich an der Schlingensief Aktion "Passion Impossible - Künstlerische Maßnahmen gegen die Kälte".
Drei Wochen betreute Frau Katz "Die Mission" - die Suppenküche der Bahnhofsmission, die zwischenzeitlich ins Schauspielhaus gezogen war und so Premiere-Publikum und Penner einte - in der sich 3 Kubikmeter Kleidung verteilte. Bedürftige kamen und wühlten, durften mitnehmen, was ihnen gefiel und veränderten so täglich die Textilskulpturen. Das Joop-Jackett auf dem Foto landete schließlich am Leibe Bernd Begemanns auf einem seiner nächsten Konzerte.
Gemeinsam mit Birgit Resch bespielte sie ebenfalls mit Textil-Installationen unter dem Namen "House of B" zwei Jahre lang verschiedenste Orte. Dabei faszinieren sie die Textilarbeiten im Raum, die sie als riesige abstrakte Bilder wahrnimmt, ebenso, wie die Kommunikation mit Besuchern und Akteuren der Ausstellungen.
Doch längst ist klar: Ein bürgerlicher Job muss her, der die Miete bezahlt, damit die Kunst sich frei entfalten kann.
Jonathan Meese bezeichnete die Kunst von Frau Katz einmal so: "Wie Pipi Langstrumpf auf Trip". Für das unterkühlte Hamburg war das alles zu laut, zu bunt, zu barock.
Wie schön, denn nun ist Frau Katz ins Heimatstädtchen zurück gekehrt. Hier versucht sie nun, die Lehre zu überwinden, wissend, dass eine natürliche oder kindliche Naivität nie mehr möglich sein wird. Doch scheut sie sich nicht, sich provokant einer Hausfrauen- und Kindergartenbastelei, der Serviettentechnik, anzunehmen und sie in ihre Gemälde zu integrieren. Daneben, dazwischen, oben drüber aber ein Rausch aus Farbe: gegossen, geschmiert, gespachtelt, gepinselt.
Die Künstlerin zeigt mir die Spannung in einem Werk durch Verdichten und Zurücktreten, das Konkretes zulässt.
Und eben Bäume, immer wieder Bäume.
Frau Katz verdichtet und schattiert mit einem Wachsstift - trotz des gelben Post its an der Kante. Während des Interviews saß sie dem Bild gegenüber und da fiel ihr eben schnell auf, dass da eine Stelle, oder auch zwei, noch nicht ganz fertig waren.
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