Ich bin ein Sommerkind. Allerdings bin ich kein Kind mehr
sondern eine Frau. Eine Frau in mittleren Jahren. Mit anderen Worten: Ich werde
alt.
Dass ich den Sommer liebe, kann man sehr gut an meiner Haut
ablesen. Auch dass sich in den 70er und 80er Jahren niemand für Sonnencreme
interessierte und dass ich die 90er auf meinem Surfbrett liegend im Ozean
verbracht habe. Letztens sagte meine Freundin, die Hautärztin ist: „Antje, für
diese Sonnenschäden bist du eigentlich zu jung. Die können wir weglasern.“
Ich finde ja, ich bin nicht nur für diese Sonnenschäden zu
jung. Ich scheine sowieso viel zu jung für diesen Körper und dieses Gesicht zu
sein. Darum erschrecke ich auch immer, wenn ich mich mal zufällig in einer
Schaufensterscheibe gespiegelt sehe. Aber das kann ich ja nicht alles weglasern
lassen. Und dann verstehe ich die irritierten Blicke der Menschen auf der
Straße ob meines Auftretens. Das entspricht nämlich in seiner Art und Weise eher
meinem innerlich gefühlten Alter, sagen wir mal: 27. Allerhöchstens.
Im Gegensatz dazu stehen meine Falten, die drei grauen
Haare, die ich letztens ausriß, und auch diese relativ ausladende Figur, die
ich niemals haben wollte. Weiblich, nennt das ein lieber Freund. Weiblich kannte
ich früher nicht. Nicht bei meinen mageren Armen oder den herausstehenden
Hüftknochen und auch in den Doppel A-Körbchen war die nicht zu entdecken
gewesen. Nun ist sie da und lässt sich herumschleppen. Das geht auf die
Gelenke. Die schmerzen, als bekämen sie dafür einen Orden. „Genetisch bedingte
Arthrose. Frau Herden, es tut mir leid“, sagte der Arzt vor etwa sieben Jahren
zu mir. Ich weiß schon, warum ich dort sonst nicht hingehe. Allerdings konnte
er ja gar nichts dafür. Genauso wenig wie meine liebe Frau Mama, die sich wegen
der ungünstigen Gen-Weitergabe bei mir entschuldigte. Also echt.
Ich sage mal: Ich mag das Altern nicht! Das lasse ich mir
auch nicht schön reden. Von niemandem. Weder von klugen Menschen noch von
Frauenmagazinen, die die Jugend hofieren und dann schreiben, das Alter sei das
eigentlich Feine. Ha! Alles Lüge. Ich weiß, wovon ich spreche. Ich habe
jahrelang für die als Model gearbeitet.
Ich fühle mich weder irgendwie entspannter als früher noch
weiser werdend. Im Gegenteil. Ich mache noch immer dieselben blöden Fehler, nur
dass es jetzt viel mehr Vorbereitung bedarf, bis mir die Möglichkeiten dafür
begegnen. Und ich traue mich nicht mehr so viel. Aber nicht, weil ich heute klüger bin, sondern weil ich Schiss habe. Heilt ja nicht mehr so gut, so ein Oberschenkelhalsbruch.
Altern tut weh und sieht doof aus (zumindest bei mir). Klar, erzählen Falten
Geschichten. Und ich mag Geschichten. Aber auch ich fasse lieber glatte Haut
und straffe Muskeln an und will mich dafür nicht entschuldigen müssen. Morgens
würde ich lieber aus dem Bett in den Tag hinaushüpfen, statt erst mal meine
steifen Glieder zu mobilisieren, um dann auf allen Vieren ins Bad zu kriechen.
Und nachts möchte ich tanzen! Tanzen, trinken und die Sonne aufgehen sehen. Oh
ja! Manchmal mache ich das tatsächlich. Aber nur, wenn ich weiß, dass ich die
darauf folgende Woche weder irgendetwas zu tun habe, noch überhaupt mein Bett verlassen
muss.
Ich bin so gierig nach dem Leben und muss so oft durch eine
Schutzscheibe zuschauen, eine Schutzscheibe, die mir das Alter aufzwingt. Dabei
weiß ich, dass es noch schlimmer werden wird. Eine 92jährige Frau sagte einmal
über das Alter, sie säße in ihrem Sessel und könne sich kaum mehr bewegen. Aber
in ihrem Kopf, da sei sie noch immer das 23jährige Mädchen, da höre sie die Musik und möchte dazu tanzen, tanzen,
tanzen. Na, bitte! Ich musste heulen.
Ich weiß, dass es ein Tabu ist, sich so äußern. Ich weiß,
dass sich nun viele aufregen und über mich schimpfen werden. Nun, vielleicht
kriegen die das irgendwie besser hin? Vielleicht hatten sie bereits genug vom
Leben oder sind bescheidener als ich? Vielleicht können sie sich auch einfach
nur leichter selbst belügen? Ich bewundere das ja und wünsche ihnen, dass es
bis zum Ende funktionieren möge. Für mich kann ich sagen: Es tut verdammt gut, da
einfach auch mal ehrlich zu sein und nicht immer so tun zu müssen, als wäre es
anders.
Aber, hey: Draußen ist Sommer. Die Sonne scheint und der Gesang der Vögel hat mich aus dem Schlaf geholt. Ich schlüpfe in ein Kleid und schwinge mich auf mein Rad. Wegen des holprigen Pflasters in unserer Straße fahre ich verbotenerweise auf dem Bürgersteig. Als der ältere Herr hinterm Hibiskusbusch mir vors Rad springt, bin ich mir sicher, dass er mich zuvor aus seinem Fenster gesehen, schnell Hut und Stock gegriffen hatte, die Treppe hinuntergestürmt war und im Vorgarten hinterm Busch hockend den richtigen Moment abgepasst hatte. Elegant weiche ich aus. Nun gut, vielleicht nicht wirklich elegant. Ich fahre ein schweres Herrenrad mit einem Korb hinten und einem dieser holländischen eisernen Gestelle mit Kiste vorne. Aber ich habe ihn definitiv nicht berührt.
Trotzdem brüllt er mir nach: "Das ist ein Fussweg! DUMME GÖRE!"
Und ich?
Hätte ich mich getraut, ich hätte jubelnd die Arme hochgerissen. So aber rufe ich nur: "Ihnen auch einen schönen Tag! Und vielen, vielen Dank! You made my day!"
Trotzdem brüllt er mir nach: "Das ist ein Fussweg! DUMME GÖRE!"
Und ich?
Hätte ich mich getraut, ich hätte jubelnd die Arme hochgerissen. So aber rufe ich nur: "Ihnen auch einen schönen Tag! Und vielen, vielen Dank! You made my day!"
hahahaha! jetzt musste ich aber mal herzhaft lachen! über die "dumme göre" und die freude darüber. früher wünschte man sich, älter zu sein, um in die disco zu kommen. heute freut man sich, wenn man für jünger gehalten wird. verdrehte welt!
AntwortenLöschenich finde das mit dem alter sehr ambivalent. zum einen bin ich wirklich sehr froh, älter zu werden. es befreit mich von selbstzweifeln und doktrinen, nach denen ich mich in jüngeren jahren gerichtet habe. das alter mach mich gelassener. aber es nimmt mir leider auf der anderen seite die zeit für dinge, für die ich mich bis vor kurzem noch gar nicht reif genug gefühlt habe - kinder, z.b.. leider bin ich jetzt schon über 40 und da ist das dann ja so eine sache... dann denke ich aber wieder "gott, du bist selber noch ein kind - wie willst du da eins groß ziehen?".
das mit dem schiss vor manchen dingen, kann ich übrigens bestätigen. früher noch locker bungee gesprungen - heute schon fast einen herzinfakt, wenn man von einem hohen turm guckt.
schräge sache, mit dem älter werden. wirklich. :)
aber lebenslustig wie 27 bleiben, ist sicherlich nicht die schlechteste art, dem alter die lange nase zu drehen.
herzliche grüße
die frau s.
Jaaaa! Unterschreibe ich. Das einzig Gute am Altern ist, dass man jetzt alles aufs Altern schieben kann und dass man ungefragt weise Ratschläge erteilen darf. Das wollte ich schon immer tun.
AntwortenLöschenL.G. Gabi