Mittwoch, 13. August 2014

Stöcke, Äste, Bäume – Frau Herden schleppt den Kids das Lieblingsspielzeug nach Hause


Gestern haben wir Stockbrot über dem Feuer geröstet. Ich mag Stockbrot eigentlich nicht so gerne. Dreizehn Jahre lang musste ich das für meine Kids quasi ständig über der Glut drehen, darauf achten, dass das Äußere nicht verbrannte und das Innere nicht roh und zäh verblieb. Auch die Varianten mit eingewickelten Marshmallows und Schokostückchen oder die mit dem äußeren Bacon waren nie wirklich so toll, wie ich es erhofft hatte. Oder eben die Kinderschnute. Hier soll es auch gar nicht um Stockbrot gehen, sondern um Stöcke an sich. Ahhh! Ein Thema, das Eltern über viele Jahre begleitet.


Stöcke sind großartig. Sie sind Pistole, Laserschwert, Speer, Zauberstab, Feenwesen, Wegweiser, stummer Kumpel, geheimer Gesell, Rösthilfe – während teure Legosets und Anziehpuppen in den Kinderzimmerecken verstauben, sind Stöcke einfach elementarer Teil der ersten 9 Lebensjahre. Und: Stock ist nicht gleich Stock. Ein jeder sieht ganz anders aus als der andere. Darum muss man sie ALLE aufheben. Und mit nach Hause nehmen. Weil Kinderhände nicht all das fassen können, was Kinderaugen begehren, tragen die Eltern. In unserem Fall trug ich. Manchmal versuchte ich eine Auswahl zu erzwingen, die Notwendigkeit jeden Exemplars zu diskutieren. Ein völlig sinnloses Unterfangen. Letztendlich schleppte ich sie tatsächlich alle in die Bude.
Als meine, dem Stockalter inzwischen entwachsenen, Kids gestern stockbeladen mit der klitzekleinen dänischen Verwandtschaft aus dem Wald traten, obwohl wir nur noch einen gebraucht hatten, musste ich vor mich hingrinsen und ich erinnerte mich eines sonnigen Samstagnachmittags:

Eigentlich wollte ich nur schnell in die Stadt, um einige überlebenswichtige Dinge zu kaufen. Mehr war sowieso nie drin.
Das damals fünfjährige Töchterchen erklärte sich ausgehfertig. „Wir können losgehen“, rief es. „Ich habe mein Lieblingskleid angezogen. Das mit den kleinen Blümchen.“
Ich kleidete gerade das noch hilflose Brüderchen an und wunderte mich über die kleinen Blümchen. So etwas hatte ich nie erstanden. Das Ganze klärte sich jedoch schnell auf.
„Aber Schatz, das ist doch dein Nachthemd.“
„Na, und? Es ist mein schönstes Kleid. Es hat kleine Blümchen, sonst kaufst du mir nichts mit kleinen Blümchen“, sagte das Töchterchen und schaute frech zwischen seinen Zöpfen hervor. Der eine davon war sehr kurz. Aus irgendeinem mir nicht verständlichen Grunde, hatte die Süße den linken über dem Ohr abgeschnitten. Der andere baumelte wie sonst beinahe bis zum Bauchnabel. Nun gut.
„Und die neuen Schuhe“, erklärte das Kind gerade. Die neuen Schuhe waren Gummistiefel. Warum nicht.
Wir liefen los. Auf dem Weg in die Innenstadt mussten wir einen Park passieren. In der Nacht hatte ein Sturm gewütet. Alles war schon wieder aufgeräumt. Nur einen abgekrachten unglaublich großen belaubten Ast hatten die Menschen von der Stadtreinigung wohl für einen kleinen Baum gehalten und übersehen. Nicht jedoch das Töchterchen.
„Den brauche ich“, erklärte es kurzerhand und schleppte das große Baumteil mit sich.
Ich wusste, Widerstand war zwecklos. Ich hoffte auf erlahmende töchterliche Armmuskeln. Heute weiß ich, dass das schon damals eine völlig sinnlose Hoffnung war.
Das Brüderchen im Sportwagen krähte los. So einen Stock, so einen Ast, ja so einen Baum, wollte es auch haben. Und während das Töchterchen mit kurzem und langem Zopf in Nachthemd und Gummistiefeln einen ausgewachsenen Minibaum mit sich herumschleppte, geriet ich langsam in Panik.
Ich erklärte quasi alles, was ich hatte einkaufen wollen zur Unwichtigkeit. Bis auf die Windeln. Ich wollte nur ganz schnell in die Drogerie und dann nichts wie nach Hause.
Doch dann sah das Söhnchen den ausgegrabenen Bambus.
„Da! Da! Tock! Tock!“, rief es.
Ich beschleunigte, doch das nutzte nichts. Es wurde so lange lauthals protestiert, bis ich zurücklief und den Herrn vom Gartenamt bat, mir das etwa drei Meter hohe Bambusgewächs zu überlassen.
In die Drogerie wollte man uns nicht einlassen.
„Nicht mit dem Ast und dem Riesenbusch“, erklärte die Kassiererin. Ich konnte sie sehr gut verstehen.
„Darf ich dann wenigstens meine Tochter und die Gewächse kurz hier in der Ecke abstellen und nur schnell Windeln kaufen?“, fragte ich.
Zögernd gab die Frau im Kittel nach. Ich fetzte durch die Gänge, griff die Windeln und sehr spontan noch eine Flasche Ökowein für später. 
Dann schleppten wir uns nach Hause. Schließlich erlahmten die Arme der Süßen dennoch. Doch inzwischen war mir alles egal. Ich hängte die Windelpakete links und rechts an den riesigen belaubten Ast, schulterte ihn wie Herkules irgendetwas sehr Schweres, klemmte mir das Bambusgewächs unter den Arm und stupste das Söhnchen im Sportwagen mit der Hüfte voran.
Das Töchterchen bahnte uns den Weg durch die samstäglich gefüllten Straßen. Strahlend und stolz rief es so laut es konnte: „Achtung, Platz machen! Hier kommt meine Mama. Die stärkste Mama der Welt.“
Und ich grinste etwas dümmlich unter meiner Last. Aber ich war sehr glücklich. Denn plötzlich wusste ich wieder, warum ich mir all das antat.

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