Gestern haben wir Stockbrot über dem Feuer geröstet. Ich mag
Stockbrot eigentlich nicht so gerne. Dreizehn Jahre lang musste ich das für
meine Kids quasi ständig über der Glut drehen, darauf achten, dass das Äußere
nicht verbrannte und das Innere nicht roh und zäh verblieb. Auch die
Varianten mit eingewickelten Marshmallows und Schokostückchen oder die mit dem
äußeren Bacon waren nie wirklich so toll, wie ich es erhofft hatte. Oder eben
die Kinderschnute. Hier soll es auch gar nicht um Stockbrot gehen, sondern um
Stöcke an sich. Ahhh! Ein Thema, das Eltern über viele Jahre begleitet.
Stöcke sind großartig. Sie sind Pistole, Laserschwert,
Speer, Zauberstab, Feenwesen, Wegweiser, stummer Kumpel, geheimer Gesell,
Rösthilfe – während teure Legosets und Anziehpuppen in den Kinderzimmerecken
verstauben, sind Stöcke einfach elementarer Teil der ersten 9 Lebensjahre. Und:
Stock ist nicht gleich Stock. Ein jeder sieht ganz anders aus als der andere.
Darum muss man sie ALLE aufheben. Und mit nach Hause nehmen. Weil Kinderhände
nicht all das fassen können, was Kinderaugen begehren, tragen die Eltern. In
unserem Fall trug ich. Manchmal versuchte ich eine Auswahl zu erzwingen, die
Notwendigkeit jeden Exemplars zu diskutieren. Ein völlig sinnloses Unterfangen.
Letztendlich schleppte ich sie tatsächlich alle in die Bude.
Als meine, dem Stockalter inzwischen entwachsenen, Kids
gestern stockbeladen mit der klitzekleinen dänischen Verwandtschaft aus dem
Wald traten, obwohl wir nur noch einen gebraucht hatten, musste ich vor mich
hingrinsen und ich erinnerte mich eines sonnigen Samstagnachmittags:
Eigentlich wollte ich nur schnell in die Stadt, um einige
überlebenswichtige Dinge zu kaufen. Mehr war sowieso nie drin.
Das damals fünfjährige Töchterchen erklärte sich ausgehfertig.
„Wir können losgehen“, rief es. „Ich habe mein Lieblingskleid angezogen. Das
mit den kleinen Blümchen.“
Ich kleidete gerade das noch hilflose Brüderchen an und
wunderte mich über die kleinen Blümchen. So etwas hatte ich nie erstanden. Das
Ganze klärte sich jedoch schnell auf.
„Aber Schatz, das ist doch dein Nachthemd.“
„Na, und? Es ist mein schönstes Kleid. Es hat kleine
Blümchen, sonst kaufst du mir nichts mit kleinen Blümchen“, sagte das
Töchterchen und schaute frech zwischen seinen Zöpfen hervor. Der eine davon war
sehr kurz. Aus irgendeinem mir nicht verständlichen Grunde, hatte die Süße den linken über dem Ohr abgeschnitten. Der andere baumelte wie sonst beinahe bis
zum Bauchnabel. Nun gut.
„Und die neuen Schuhe“, erklärte das Kind gerade. Die neuen
Schuhe waren Gummistiefel. Warum nicht.
Wir liefen los. Auf dem Weg in die Innenstadt mussten wir
einen Park passieren. In der Nacht hatte ein Sturm gewütet. Alles war schon
wieder aufgeräumt. Nur einen abgekrachten unglaublich großen belaubten Ast hatten die Menschen
von der Stadtreinigung wohl für einen kleinen Baum gehalten und übersehen. Nicht jedoch das Töchterchen.
„Den brauche ich“, erklärte es kurzerhand und schleppte das
große Baumteil mit sich.
Ich wusste, Widerstand war zwecklos. Ich hoffte auf
erlahmende töchterliche Armmuskeln. Heute weiß ich, dass das schon damals eine
völlig sinnlose Hoffnung war.
Das Brüderchen im Sportwagen krähte los. So einen Stock, so
einen Ast, ja so einen Baum, wollte es auch haben. Und während das Töchterchen
mit kurzem und langem Zopf in Nachthemd und Gummistiefeln einen ausgewachsenen
Minibaum mit sich herumschleppte, geriet ich langsam in Panik.
Ich erklärte quasi alles, was ich hatte einkaufen wollen zur
Unwichtigkeit. Bis auf die Windeln. Ich wollte nur ganz schnell in die Drogerie
und dann nichts wie nach Hause.
Doch dann sah das Söhnchen den ausgegrabenen Bambus.
„Da! Da! Tock! Tock!“, rief es.
Ich beschleunigte, doch das nutzte nichts. Es wurde so lange
lauthals protestiert, bis ich zurücklief und den Herrn vom Gartenamt bat, mir
das etwa drei Meter hohe Bambusgewächs zu überlassen.
In die Drogerie wollte man uns nicht einlassen.
„Nicht mit dem Ast und dem Riesenbusch“, erklärte die
Kassiererin. Ich konnte sie sehr gut verstehen.
„Darf ich dann wenigstens meine Tochter und die Gewächse
kurz hier in der Ecke abstellen und nur schnell Windeln kaufen?“, fragte ich.
Zögernd gab die Frau im Kittel nach. Ich fetzte durch die
Gänge, griff die Windeln und sehr spontan noch eine Flasche Ökowein für später.
Dann schleppten wir uns nach Hause. Schließlich erlahmten
die Arme der Süßen dennoch. Doch inzwischen war mir alles egal. Ich hängte die
Windelpakete links und rechts an den riesigen belaubten Ast, schulterte ihn wie
Herkules irgendetwas sehr Schweres, klemmte mir das Bambusgewächs unter den Arm
und stupste das Söhnchen im Sportwagen mit der Hüfte voran.
Das Töchterchen bahnte uns den Weg durch die samstäglich
gefüllten Straßen. Strahlend und stolz rief es so laut es konnte: „Achtung,
Platz machen! Hier kommt meine Mama. Die stärkste Mama der Welt.“
Und ich grinste etwas dümmlich unter meiner Last. Aber ich war sehr glücklich. Denn
plötzlich wusste ich wieder, warum ich mir all das antat.
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