„Ferienlaaager, Ferienlaaager – wie wunderbaaaaaar ...“,
sangen meine Schwester und ich lautstark und mit Inbrunst. Weil wir uns darauf
freuten. Denn das DDR-typische Ferienlager war klasse. Wir fuhren jedes Jahr
für 17 einmalige Tage der langen Ost-Sommerferien nach Westerhausen in den
Harz. Lagen diese 17 Tage am Anfang des Sommers, war auch gegen unseren
sehnsüchtig-fröhlichen Gesang nichts einzuwenden. Lagen sie jedoch am Ende der
Ferien, bedeutete das, mein Schwesterherz und ich ließen unsere Hymne vom
Rücksitz des Trabis erschallen, der uns durch das bulgarische Rila-Gebirge oder
die hohe Tatra kutschierte, aus unserem kleinen roten Zelt, das in einer einsamen
polnischen Flussaue stand, oder aus den Paddelbooten, die uns die Moldau
hinuntertrugen – in einer Zeit also, die meine Eltern ihren Sommerurlaub
nannten und den sie lange und liebevoll für die Familie geplant hatten. Aua!
Daran dachte ich, als ich irgendwann in den letzten Wochen
eine Tasche für meinen Sohn packte, der in ein Jugendzeltlager an die Ostsee
fahren wollte. Ich dachte auch daran, was für ein Vergnügen es für mich gewesen
war, meinen Koffer für das Ferienlager selbst zu packen. Oh, welch köstliche
Vorfreude! Meine liebe Frau Mama hatte eine Packliste in den Kofferdeckel
geklebt, der ich Punkt für Punkt folgte. Der Koffer selbst war aus Echt Vulkanfieber. Das stand auf einem kleinen Schild. Ich wusste nicht, was Vulkanfieber
ist, stellte mir aber etwas Unglaubliches vor, das unter größter Gefahr und in
mörderischer Hitze auf einer einsamen Ozeaninsel ans Tageslicht gebracht wurde.
Die praktische Reisetasche meines Sohnes packte ich, weil er
selbst einfach zuviel Programm hatte. Nach dem Verwandtenbesuch in Dänemark war
er sogleich am nächsten Morgen nach Köln zum Videoday, der überraschenderweise
zwei Tage und eine halbe Nacht dauerte, aufgebrochen. Davon zurückgekommen
bliebe keine Zeit zum Sachenpacken, denn schon am nächsten Morgen in aller
Herrgottsfrühe ging es an die Ostsee.
Vielleicht waren das fehlende Taschepacken, die fehlende
Muße zur Vorfreude oder auch die Übermüdung daran Schuld, dass mich am ersten
Abend des Camps dann verzweifelte Einsatz-Hilferufe per SMS erreichten. Insgesamt
waren es zehn. Einer davon lautete: Ich will nach Hause! Ein anderer: Mama?????
Mein liebendes Mutterherz machte einen nervösen Satz, Unruhe erfasste mich, die
sich in der folgenden Nacht ins Unermessliche steigerte. Himmel, das Kind litt
in der kalten Fremde! Am nächsten Tag setzte ich eine mittelgroße Maschinerie
in Gang, die viele Leute involviert und sehr viel gekostet haben würde, um
meinen Sohn zu retten. Nur seinen abendlichen Telefonanruf wollte ich noch
abwarten. Als der nicht kam, rief ich ihn an.
„Wie geht es dir, mein Schatz?“, schrie ich panisch ins
Telefon.
„Gut“, antwortete der Sproß knapp. „Aber du kannst mich hier
nicht anrufen. Wir haben Nachtruhe.“ Klick.
Ich hörte dann erst wieder etwas von ihm, als er sechs Tage
später mit dem Zug aus Hamburg auf dem Heimweg war. Es ging darum, wer ihn vom
Bahnhof abholen könnte. Und schließlich – erst tröpfelnd, dann immer
ausführlicher –erzählte er vom Jugendlager im nachfolgenden atlantischen Familien-Surf-Campingurlaub.
Irgendwann fragte ich mich sogar etwas ärgerlich, wie all diese ultracoolen und
superlustigen Erlebnisse in sieben Tage gepasst haben sollen. Dann musste ich
grinsen. Ferienlager, eben.
Hallo Antje, ich habe eben Deinen Beitrag gelesen ... Ich bin in der Mühle in Westerhausen aufgewachsen, denn meine Eltern waren die Lagerleiter. Eine wundervolle Kindheit. Vielleicht liest Du ja diesen Kommentar.. Liebe Grüße
AntwortenLöschenHallo Remo, das ist ja toll! Schön, dass du geschrieben hast. Alles Liebe, Antje
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