Samstag, 18. Januar 2014

Schreiben und Kinder sollen unvereinbar sein? Gedanken zu Julia Franks Kolumne in der Welt


Julia Frank schreibt in der Welt, dass Mama Sein und Schreiben für sie unvereinbar seien. Denn beides liebe sie innig, beides bereite ihr größte Probleme. So ist das Schreiben für sie schon immer gleichermaßen „Liebe und Krankheit“. Und die gemeinsame Zeit mit den Kindern möchte sie intensiv wahrnehmen und sich davon beglücken lassen. Wohingegen deren Krankheiten sie bis an den Rand der Erschöpfung drängen. Ein dazwischen hin und her Hüpfen überfordere sie masslos. So der erste Teil des Artikels.

Natürlich dachte ich sofort an mein Leben. Geht es mir genauso? Nein, dachte ich im ersten Moment. Aber das liegt vielleicht am unterschiedlichen Genre. Denn ich schreibe Kinderbücher. Wenn ich mich in eine meiner Geschichten versenke, dann ist es nicht dramatisch, wenn eines der Kinder ob meines geistesabwesenden Gesichtsausdrucks irritiert fragt: „Hey, Mama, alles okay mit dir?“. Ich kann meine Kinder einfach in meine Abenteuer im Kopf mitnehmen (wenn sie das möchten). Wenn ich ihnen zuhöre, wenn ich sie beobachte, dann inspiriert mich das. Außerdem verfüge ich über ein nettes Talent: Ich kann mich egal wo und in welchen Umständen innerlich zurückziehen, mich an den Schreibtisch setzen und einige Sätze schreiben. Da ich im Kopf sowieso ständig fabuliere und formuliere, genügt diese Form manchmal für ein halbes Buch. Die andere Hälfte schreibe ich, wenn die Kids in der Schule oder mit ihren Freunden unterwegs sind.

Das heißt aber nicht, dass ich die Stunden mit meinen Kindern gemeinhin oberflächlich, geistesabwesend, gedanken- und anteilslos verbringe. Nein. Ich liebe das Zusammensein mit ihnen. Ganz platt: Sie sind mein Ein und Alles. Mein Schreibtisch steht allerdings mitten im Wohnzimmer. Das bedeutet: Ich bin im Mittelpunkt, sobald irgendjemand sonst außer mir zu Hause ist. Dafür brauche ich dieses Talent.

Die Tage passierte allerdings folgendes: Meine Agentin war an einem Roman (für Erwachsene), den ich vor einigen Jahren (als die Kinder klein waren) schrieb, interessiert. Er ist nicht leicht und locker, sehr ambivalent, er ist gleichermaßen traurig und lustig, es geht um Einsamkeit, um Angst vor Nähe. Und natürlich findet dort auch Sex statt. Ich überarbeitete gerade so eine Stelle, als das Söhnchen (12 Jahre) neben mir auftauchte und über meine Schulter mitlas. Schnell verdeckte ich den Bildschirm und fuhr meinen Sohn an: „Was willst du denn?“ „Hey, hey, entspann dich mal. Ich habe dir gar nichts getan“, sagte er und hatte recht. Das war eine völlig neue Situation. Und ich dachte so bei mir: Falls dieses Buch erscheinen soll, vielleicht benutze ich dann ein Psydonym.

Julia Frank schreibt nicht für Kinder und die Liste der Preise, die sie für ihre Bücher erhielt, ist mannigfaltig. Die Art und Weise, wie jemand arbeitet, wie viel Ruhe und Konzentration er benötigt, ist individuell. Auch die Schnelligkeit in der man zwischen der Wirklichkeit und den inneren Welten zu wechseln vermag, ist sehr unterschiedlich. Ich kenne Menschen, die sind nie wirklich da. Man könnte sie Tagträumer nennen. Ich kenne genauso viele Menschen, die wissen nicht mehr, wie man träumt oder sich versenkt.
Ich denke, das es sich hier um ein individuelles Phänomen oder Thema handelt. Als große Kolumne in der Welt veröffentlicht, bekommt Julia Franks Aussage jedoch eine Allgemeingültigkeit, auf die sich eventuell gar Verleger berufen könnten, die mich etwas irritierte.

Der zweite Teil des Artikels nahm dann eine ganz andere Richtung. Julia Frank ist genau so wie ich alleinerziehend. Sie kommt immer wieder in die Bredoullie, wenn sie mehrtägige Leseanfragen oder auch nur soche mit einer Übernachtung bekommt. Wie soll sie das mit den Kindern organisieren? Und das ist genau mein Thema. Denn hier hat sie meine Not sehr schön formuliert.
Wenn ich auf Lesereise gehe, dann vermisse ich meine Kinder. Während ich da vor den anderen Jungen und Mädchen stehe, ihnen eine schöne Zeit schenken möchte, kann ich das nicht für meine beiden tun. Abends allein im Hotelzimmer fühle ich mich dann sehr einsam und frage mich, ob ich eine gute Mutter bin. Dann rufe ich zu Hause an: Wie geht es euch? Was macht ihr? Vergesst nicht Zähne zu putzen. Habt ihr die Hausaufgaben gemacht? Wenn alle Fragen positiv oder eventuell sogar mit einem „Mama, du nervst“ beantwortet werden, dann ist alles gut. Wenn nicht, bin ich viele, viele Kilometer zu weit weg.
Wenn ich die Lesungen und Reisen ablehne, verdiene ich kein Geld. 
Zu diesem Thema wird es übrigens bald mehr geben. Mein Post Bist du reich? Ha! ich bin Kinderbuchautorin hat mediale Folgen.

1 Kommentar:

  1. Danke für deinen offenen Einblick. Andere SchriftstellerInnen äußen sich in einem Artikel in "Die Welt": Teilzeitroman... Offene und interessante Erfahrungen.
    Viele Grüße, Doreen

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