Donnerstag, 26. November 2015

„Liebstes Mannerl, Vati liebster, sei recht innig geküsst, Deine kleine Mutti und Ursula!“ – Leider eine Kriegsgeschichte


Heute möchte ich hier eine traurige Geschichte sich selbst erzählen lassen. Sie hat mich gesucht oder ich habe sie gefunden, weil sie wichtig ist und nicht vergessen werden darf. Obwohl sie eine Geschichte der Liebe hätte sein wollen, ist sie eine des Krieges geworden.

Vor etwa zwei Jahren fand ich auf dem Sperrmüll eine flache Zigarrenkiste. Ich warf nur einen kurzen Blick hinein, erkannte Briefe und alte Dokumente und barg sie wie einen Schatz. Zuhause tobte das Leben und ich vergaß die Kiste an einem sicheren Ort. Letztens fiel sie mir wieder in die Hände. Es war Zeit, Zeit für mich, ihre Geschichte zu erfahren, Zeit diese Geschichte weiterzugeben.
Ich saß zwei Stunden auf dem Sofa, entzifferte die Briefe und weinte. Der letzte Zettel, der mir in die Hände fiel, ließ mich gar laut aufschluchzen. Ich stelle ihn an letzte Stelle, auch wenn er Wally früher erreichte.

Ich lasse diese Geschichte sich selbst anhand der Dokumente und einigen Ausschnitten aus den Briefen, die Wally an ihren Erich schrieb, erzählen.
Ich weiß nicht, ob es nötig war, aber ich habe die Nachnamen unkenntlich gemacht. Zwar lagen diese Leben auf dem Sperrmüll, aber vielleicht hatte das auch Gründe, die man verstehen könnte.


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Liebster Vati, mein geliebtes Mannerl!

Karlsbad, 4. Februar 1945
„... Mit der Postzustellung nach Dir hin ist es ja furchtbar. Hat Mutti doch am 16.1. schon ein Telegramm an Dich aufgegeben und wie ich aus deinem (letzten) Brief ersehe, hast Du noch immer keine Nachricht. Nun wird morgen Dein Töchterchen schon 4 Wochen alt ... Als ich von Dir nun wieder eine Zeit keine Post hatte, machte ich mir auch schon Gedanken, was wohl los sei. Kommen doch nach dort auch oft die Flieger und dann durch die ganze Lage dachte ich schon, ihr wärd weggekommen. Das ist auch nun noch meine Sorge, dass das vielleicht der Fall sein könnte ... Ich möchte unseren Vati nur recht bald in die Arme nehmen. Und dann sollst Du ja auch unser Kindlein bewundern ... Wenn es nur erst ein Ende hätte mit dem Krieg ... Immer das getrennt sein vom Liebsten wird halt mit der Zeit doch schwer ...“

Karlsbad, 5. Februar 1945
„... Heute setze ich an den Anfang meines Briefes wieder eine Nummer, da ja vorerst doch nicht die Möglichkeit besteht, dass wir uns bald wiedersehen werden ... Mich traf ja heute fast der Schlag, als ich aus Deinem Brief No.19 ersehen musste, dass eure Kompanie aufgelöst ist. Der Brief No.18 fehlt nämlich bis heute noch, in dem Du mir das wohl schon angedeutet hattest. Auch muss in dem Brief Genaueres drinnen stehen über die erste Nachricht, die Du von mir bekamst, dass wir ein Mädel haben. Ich war doch so neugierig, wie Du diese Nachricht wohl aufnimmst und nun fehlt gerade dieser Brief. Ach überhaupt, es macht alles keinen Spaß mehr, man kommt aus den Aufregungen nicht heraus ... Wo wird man Dich nun hinstecken und wann werden wir uns jetzt wohl wiedersehen? Es ist furchtbar. Ich darf gar nicht daran denken, sonst könnte ich wieder anfangen zu weinen. Ja Mannerl, bei mir sind in letzter Zeit schon eine Menge Tränen geflossen, teils Freudentränen aber auch eine Menge sehr sehr bittere Tränen. Ich will Dir nun in diesem Brief alles etwas genauer berichten, das Freudige aber auch das Schlechte ... bist doch mein Mann und sollst Freud und Leid mit mir tragen ... ... Die großen blauen Augen, die vielen schwarzen Haar, das kleine Näschen, alles war so herzig und was mich am meisten glücklich machte, sie sieht Dir mein Liebster so sehr ähnlich ... Du hättest bestimmt auch sehr viel Freude an Deinem Töchterlein. Dass Du aber nicht auf das Telegramm hin Urlaub bekamst, verstehe ich gar nicht. Der S. aus der Schulgasse hat gleich Urlaub bekommen, als er die Nachricht erhielt, dass seine Frau entbunden hat. Männi, soviel ich gehört habe, von Frauen, die schon mal ein Kind hatten und bei mir im Krankenhaus lagen, soll für den Mann der (Damm)Schnitt und das Nähen bei der Frau nur zum Vorteil sein. Mal sehen, was Du sagst. Ich werde mal die Daumen drücken, vielleicht kommst Du doch noch ... Männi, mein liebstes, wie froh wäre ich, wenn Du bei mir wärst ...“

Karlsbad, 9. Februar 1945
„... unser Vati kann auch stolz auf sein Mädel sein, es ist so ein herziges Kerlchen, munter ist sie immer und lachen kann sie auch schon tüchtig. Wenn sich Vater über sie beugt, dann packt sie ihn gleich am Bart ... ... es ist wirklich so, jetzt wo sich das Köpfchen erst richtig formt, merkt man es ganz besonders. Zwar hast Du recht Mannerl, auch ich bin dunkel in der Haarfarbe, aber das Gesichtchen ist doch mehr Deines. Ja Vati, kannst es halt nicht abstreiten, dass Du es warst ... Es ist doch ein herrliches Gefühl, Mutter zu sein, für so ein kleines Menschenkind da zu sein. Geht es Dir auch so, Mannerl? Hast halt gar zu wenig jetzt von der Kleinen und so lange Du sie nicht gesehen hast, merkst Du doch eigentlich gar nicht, dass Du Vati bist, hm? Ja, daran darf ich gar nicht denken, dass es wohl Monate dauert bis wir uns wiedersehen, dann ist unser Kleines schon groß. Es ist halt doch schwer, das grosse Glück ganz alleine zu genießen ... Ja, wer hätte das gedacht, dass Eure Kompanie mal ganz aufgelöst wird. Aber in 24 Studnen kann halt vieles geschehen. Hätten die Russen nicht noch warten können, bis Du Deine Reise hinter Dir gehabt hättest? ... Hoffentlich fällt in diesem Jahr noch die Entscheidung, denn so kann es auf keinen Fall weitergehen. Wenn es aber auch nur gut ausfällt ... jammern und klagen hilft halt nichts, es heißt mal wieder tapfer sein und sich als Deine Frau tapfer zeigen ... Ist doch nun so vieles gut gegangen, wird auch diese Zeit vorübergehen, sodass wir uns dann wieder herzlich in die Arme nehmen können. Der Angriff ging gut vorüber trotz meinem damaligen Zustand, auch die Geburt ging gut, also wird die kommende Zeit auch gut vorüber gehen. Wenn ich denke, wie manche Frau bei der Geburt ihres Kindes ihr Leben lassen musste. Noch als ich im Entbindungszimmer lag, lag auf dem Bett neben mir eine junge Frau von 25 Jahren, die musste dann auch sterben. Es ist schon so, mit einem Bein steht man bei einer Entbindung immer im Grab ... Als ich heute mit Ursula spazieren ging, traf ich Dr. Konrad, ich habe ihn dann gefragt, wann ich mit meinem Kindlein wohl reisen kann. Er sagte mir, mit 8 Wochen könne ich schon fahren ... Heute kam auch die Kiste an, über das Bügeleisen habe ich mich riesig gefreut, hab doch ein liebes Mannerl, das für zu Hause sorgt. Das Eisen ist aber noch sehr schön. Ich habe es geputzt und nun sieht es aus wie neu ... Was macht die Radioröhre? ...“

Beerfelden, 4. März 1945
„... Meine Gedanken weilen immerzu bei Dir, aber ich weiß nicht, wo ich Dich suchen soll ... Ende des Monats ist es ja auch 1 Jahr seit Deinem letzten Urlaub, ausgenommen der Bombenurlaub ... Was kann sich doch in einem Jahr alles ändern. Ich darf manchmal gar nicht nachdenken ... Nun habe ich ja unseren kleinen Spatz, der bringt mir sehr viel Zerstreuung ... Männi, was hättest Du nun schon für eine Freude mit ihr! ... ... Ernestine war heute Nachmittag auch hier und hat sich Ursula einmal angesehen. Sie hat geweint, als sie unser Kleines sah. Sie hätte doch auch so gerne ein Kindlein. Heinz aber ist nicht dazu zu bewegen zum Arzt zu gehen ... Ich kann ihn mir überhaupt nicht vorstellen mit einer Frau zusammen. Für mich wäre er jedenfalls kein Mann, er erscheint mir so Mädchenhaft. Ich bin mit meinem Strolch zufrieden und bin froh, dass ich ihn habe ... ... Ja, wann wird unser Vati sein Kindlein im Arm halten können? ...“


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Samstag, 14. November 2015

Die Mutter-Kolumne: Wenn, dann richtig – Verbieten

Kennt Ihr den Papalagi? Das bist Du, das seid Ihr und wir und ich betrachtet durch die erstaunten Augen eines fiktiven Südseehäuptlings. Alltäglichkeiten, die schon immer so waren, die man einfach so macht, die doch richtig sind, erscheinen in dessen Worten plötzlich gar nicht mehr so normal und logisch, allenfalls witzig oder absurd manchmal sogar falsch. So etwas mache ich jetzt auch. Jeden Monat in der eltern.family nehme ich mir eine Selbstverständlichkeit aus dem Leben mit Kindern vor und frage mich: Klar, alle machen das so, aber wie so eigentlich?

Mir macht diese Kolumne riesigen Spaß und sie fällt mir auch nicht besonders schwer, denn ich kann einfach nur aus meinem Leben mit meinen Kindern erzählen. Irgendwie haben wir nämlich meistens alles etwas anders gemacht, als man es gemeinhin so macht.

Seit der Oktoberausgabe 2015 also in der eltern.family und immer um einen Monat versetzt auch hier. Viel Freude damit!


„Komm da bitte runter, Schatz“, forderte ich in bemüht ruhigem Ton.
„Nö“, antwortete das Kind kurz und knapp.
Ich versuchte, nicht zu schnauben. „Du kommst da bitte runter.“
„Warum?“, fragte das auf der Mauer hockende Kerlchen.
„Weil ich dir verbiete, da oben herumzuklettern“, sagte ich und kam mir etwas albern vor.
„Warum?“, fragte es auch prompt.

Ja, warum eigentlich? So hoch war diese Bruchsteinmauer tatsächlich nicht. Ein Sturz auf den von Brennnesseln überwucherten Kies hätte eher eine wichtige Erfahrung denn eine schlimme Verletzung zur Folge gehabt. Allerdings hatte ich begonnen, aus weiser Voraussicht ein Verbot auszusprechen. Das musste ich nun hieb- und stichfest begründen, damit mein Kind verstand, dass es in Gefahr schwebte und ich ihm nicht nur den Spaß verderben wollte.
„Weil das gefährlich ist. Weil du da runterfallen und dich verletzen kannst“, erklärte ich und beobachtete mit klopfendem Herzen den auf dem bröckligen Sims unsicher wackelnden Spross.
„Ich passe auf“, tönte der.
„Ich möchte aber, dass du da runter kommst“, wiederholte ich drängend.
„Und ich will oben bleiben. Du hast Angst. Ich nicht“, krähte das Kind, richtete sich zu seinen vollen Einsdreiundzwanzig auf und stolperte auf seinem schmalen unebenen Weg voran.
Ich schnappte nach Luft.

In der Zwischenzeit war ein anderes Kind dem Beispiel gefolgt.
„Runter da, Dennis!“, schallte es kurz und knapp.
Klein Dennis ließ sich ratzfatz wieder von der Mauer gleiten. Dabei warf er dem in luftiger Höhe munter Voranstürmenden einen neidisch-sehnsüchtigen Blick nach. Dann schaute er finster zur so barsch verbietenden Mutter. Ich auch. Wie die mit ihrem Kind sprach, ohne jeder Erklärung!
„Diskutiert wird bei uns nicht“, ließ mich die resolute Frau wissen, als hätte sie meine Gedanken lesen können.
„Na ja –“, begann ich.
Mein 7-Jähriger unterbrach mich jedoch, weil er schreiend von der Mauer fiel.

Etwas später saßen wir im Wartezimmer.
„Tut überhaupt nicht weh“, presste der Kleine hervor.
„Ich weiß“, sagte ich und strich ihm über die tränenverschmierten Wangen. Der Schmerz der aufgeschlagenen Knie und blutenden Hände war sicher auszuhalten. Aber weh hatte das Herunterfallen dennoch getan. Irgendwo tief in der kleinen Brust hockte nun ein raunender Schatten: Du hast das nicht geschafft, du bist gescheitert.
Ich atmete tief durch und überwand meine Angst. „Wirst du es morgen noch einmal probieren?“, fragte ich leise.
„Nee, morgen nicht“, sagte das Kind und schnüffelte. „Aber übermorgen. Weißt du, es ist nicht soooo gefährlich.“
Ich nickte beklommen.
Mein Sohn schaute zu mir hoch. „Aber bei echter Gefahr, wenn so eine Mauer richtig hoch ist, Mama, dann musst du es mir auch richtig verbieten“, sagte er mit gewichtiger Stimme. „Ohne Bitte und Schatz und die ganzen Erklärungen.“
„Würdest du denn wie dieser Dennis einfach herunterkommen?“, fragte ich.
Das Kind überlegte. „Mhm, wenn du immer nur Sachen verbieten würdest, die ganz wirklich gefährlich sind, dann ja.“
Bevor ich etwas dazu sagen konnte, wurde mein Kind ins Arztzimmer gerufen. Erschüttert schaute ich ihm nach. Wie klug es war. Geradezu unheimlich.

Mittwoch, 28. Oktober 2015

Der superbesondere Ort – Völklinger Hütte mit Urban Art

Vorgestern kam ich ganz ergriffen aus dem Kino. Wir hatten den "Marsianer" gesehen und ich wollte mal wieder sofort los, Welten entdecken oder meinetwegen auch Orte auf der unseren. Mir liegt das im Blut, in den Genen, im Herzen oder wo auch immer so etwas herkommt. (Einst dachte ich ja, das wäre etwas sehr menschliches, in uns allen verankertes, heute habe ich verstanden, dass die meisten lieber Fernsehen gucken oder am Computer sitzen. Das ist sehr sehr seltsam). Lesen ist ein wunderbarer Weg, neue Orte zu entdecken, Reisen der noch bessere. Manchmal genügt sogar ein Tag.

Wir besuchten das Unesco Weltkulturerbe Völklingler Hütte. Das ist sowieso eine Reise wert, ach, was sage ich, es ist einer der magischsten Orte, die ich je sah. Momentan und noch bis zum 15. November findet dort die Urban Art Biennale 2015 statt. Besser geht es nicht.

Die Hütte wurde 1873 als Stahlwerk errichtet und gute 110 Jahre später wieder stillgelegt, heute ist sie zum Glück für uns alle Museum mit 7 km langen Wegen durch rostigen Stahl und unheimliche Hallen, zwischen Industrieruinen hindurch, unter und auf Eisenbasiliken entlang und hinauf und mitten ins Paradies hinein. Durch einen unglaublich tollen Zufall (vielleicht der Zeitpunkt am Vormittag unter der Woche?) waren wir ganz allein dort und tiefe Nebel hingen zwischen den Hochöfen. Ich lief den ganzen Weg quasi auf Zehenspitzen vor atemloser Ergriffenheit. Dazwischen dann die Kunst. Mehr geht nicht.

Doch. Mein 14-jähriger Sohn, der sich in diesem Alter befindet, da man ihn schwer begeistern kann, meinte, der Ort sei sehr sehr cool. Noch cooler wäre er allerdings gewesen, wenn wir ihn zufällig mitten im Wald gefunden hätten. Nun ja ...

















Montag, 26. Oktober 2015

Nur noch kurz eine Niesnuschel finden – zwei wunderbare Kinderbücher von Jörg Mühle


Ich möchte Euch heute von ganzem Herzen zwei Bücher empfehlen, die einfach wunderbar sind. Ich entdeckte sie bei den Laborproben, der jährlichen Ausstellung der Frankfurter Illustratoren zur Buchmesse.: 
Jörg Mühle / Nur noch kurz die Ohren kraulen (Moritz Verlag) 
sowie 
Jörg Mühle und Moni Port / Was liegt am Strand und redet undeutlich (Klett Verlag)
Es sind zwei Mitmachbücher, das erste für Kinder ab 3 Jahren und das zweite für Kinder ab 5 bis 99 Jahren.


Alle, die Kinder haben, wissen, dass es ein abendliches Ritual braucht, um die Kleinen ins Bettchen zu bewegen und wie fein Mitmachbücher funktionieren. Beide Hasenkinder (das eigene und das Häschen im Buch) sind also gebadet und im Schlafanzug und nun darf Hasenkind 1 (das eigene) Hasenkind 2 (das im Buch) ins Bettechen bringen. Das Kissen muss noch aufgeschüttelt werden, die Decke ausgebreitet, ein Küsschen gegeben und kurz die Ohren gekrault werden. Erst wenn all das getan ist, können beide Hasenkinder beruhigt einschlafen.


Alle, die Kinder haben, wissen, mit wie viel Freude diese dichten und Wortquatsch machen. Das zweite Buch animiert dazu und lässt einen lauthals lachen. Was liegt am Strand und redet undeutlich? Eine Nuschel. Was hüpft von Baum zu Baum und hat Unsinn im Kopf? Ein Streichhörnchen. Was ist braun und sitzt hinter Gittern? Eine Knastanie. Toll, oder? So geht es Seite für Seite. Natürlich muss man die Antwort zuhalten (sie steht zwar auf dem Kopf, aber man kann das natürlich trotzdem lesen) und anhand der Frage und der Illustration selbst antworten. Ein großer Spaß! Ist die letzte Seite umgeschlagen, macht man einfach selber weiter. Was hat einen Höcker und macht Krach? Ein Trommeldar (erfunden von Tilda).

Sonntag, 25. Oktober 2015

Herrliche Herbstfarfalle – mit Waldpilzen, Pastinaken und Mangold

Der Herbst überschüttet uns mit seinen Köstlichkeiten. Wir können nichts anderes tun, als sie einzusammeln, sie zuzubereiten oder zu konservieren. Und natürlich sie zu genießen.


Im Wald sammelte ich Maronen und Fichtensteinpilze, von meinem Gemüseacker holte ich Pastinaken, Mangold und Petersilie. Mit diesen Schätzen verschwand ich in meiner Küche, um kurz darauf den Herbst zu schmecken.


Das braucht man (2 Portinen):
ca. 8 mittelgroße Waldpilze, 1 Pastinake, 2 Handvoll kleingeschnittenen Mangold, 1 Handvoll kleingeschnittene Petersilie
Olivenöl und Butter
Ahornsirup
Brühe und Sahne
Pfeffer, Salz
gekochte Farfalle

So geht´s:
Die Pastinake in mundgerechte Stücke scneiden. In einer großen Pfanne 3 EL Olivenöl und 2 EL Butter erhitzen. Pastinake darin braten. Kleingeschnittene Pilze dazugeben. Eine Weile bei dreiviertel Hitze knusprig braten, 2 EL Ahornsirup dazugeben und die Mischung etwas karamellisieren lassen. Dann mit 100 ml Brühe ablöschen. Mangold und Petersilie dazugeben und unter einem Deckel etwa 10 Minuten köcheln lassen. Sahne nach Geschmack angießen, salzen und pfeffern. Zum Schluss die Farfalle untermischen.
Fertig und verdammt lecker. Guten Appetit!

Mittwoch, 21. Oktober 2015

Die Mutter-Kolumne: Das hast du supertoll gemacht! – Eltern als (kritik)unfähige Kuratoren

Kennt Ihr den Papalagi? Das bist Du, das seid Ihr und wir und ich betrachtet durch die erstaunten Augen eines fiktiven Südseehäuptlings. Alltäglichkeiten, die schon immer so waren, die man einfach so macht, die doch richtig sind, erscheinen in dessen Worten plötzlich gar nicht mehr so normal und logisch, allenfalls witzig oder absurd manchmal sogar falsch. So etwas mache ich jetzt auch. Jeden Monat in der eltern.family nehme ich mir eine Selbstverständlichkeit aus dem Leben mit Kindern vor und frage mich: Klar, alle machen das so, aber wie so eigentlich?

Mir macht diese Kolumne riesigen Spaß und sie fällt mir auch nicht besonders schwer, denn ich kann einfach nur aus meinem Leben mit meinen Kindern erzählen. Irgendwie haben wir nämlich meistens alles etwas anders gemacht, als man es gemeinhin so macht.

Seit der Oktoberausgabe 2015 also in der eltern.family und immer um einen Monat versetzt auch hier. Viel Freude damit!


Das hast du supertoll gemacht –

Jahrelang bastelten und malten meine Kinder im Akkord. Die entstandenen Objekte und Bilder bekam ich geschenkt. Alle. Ich nannte sie Kunstwerke, stellte sie aus oder archivierte sie. Natürlich nicht ohne zuvor Jubelrufe ausstoßend drum herum getanzt zu sein. Wie großartig sie das gemacht hatten! Wie einmalig! Was für ganz und gar unglaubliche Künstler sie waren! Es galt doch, das Selbstbewusstsein der Kleinen zu stärken und sie zum kreativen Weitermachen zu animieren. Eine Erziehungsregel, die mir so selbstverständlich war, dass sie ausgesprochen beinahe zur Plattitüde geriet.
Regelmässig kaufte ich Rahmen und Mappen für die Gemälde und staubte vorsichtig die kleinen Knet- und Pappmachéhaufen ab, die überall im Wohnzimmer herumstanden. Tatsächlich gefielen mir die entstandenen Kunstwerke. Alle. Alle?
Zugegeben, hin und wieder schob ich eines der seltsameren Gebilde aus der vordersten Reihe hinter die Bücher. Das fiel den kleinen Argusaugen jedoch sofort auf. „Wo ist denn mein Nageligel (ersatzweise: mein Salzteighandy, meine Monstermaske)?“ Schuldbewusst murmelte ich etwas von „sauber gemacht“, „fotografiert“ oder „Omi und Opo gezeigt“ und rückte das entsprechende Artefakt an seinen angestammten Platz.
Irgendwann entdeckte ich einige Skizzen meiner Tochter – zusammengeknüllt und wegschmissen. Entsetzt kramte ich die Werke aus dem Mülleimer und glättete sie. Es waren Portraits verschiedener Filmstars. „Die sind doch total schön!“, rief ich.
„Mama, hör auf, im Müll zu wühlen. Ich finde sie nicht gut, okay?“, erwiderte die 12-Jährige.
Erschüttert schlich ich aus ihrem Zimmer. Und erst in dem Moment wurde mir bewusst, dass das breite Kinderstrahlen ob meiner Lobhuddelei irgendwann zu einem Mundwinkelzucken verkommen war.
Das Fass zum Überlaufen brachte ein aus Versehen erlauschter Satz, den mein damals 9-jähriger Sohn seinem Kumpel zuraunte. „Meine Mama hat nicht so einen guten Geschmack. Die findet alles toll, was ich gemacht habe. Sogar das Strumpfhosenwürmchen, das wir im Kindergarten basteln mussten.“ Giggelnd rannten die frechen Kerle davon.
Kurzentschlossen packte ich die von den Händen meiner Kinder produzierten Staubfänger in eine Kiste. Nur einige ganz besondere Stücke ließ ich stehen. Ich sah mich zufrieden um und atmete erleichtert auf.
„Hey, du hast ja mal aufgeräumt“, sagte das vorbeirauschende Töchterchen. „Sieht toll aus.“
Später zeigte sie mir eine nahezu perfekte Bleistiftskizze von Jack Sparrow.
„Super schön“, staunte ich.
„Ach, das sagst du doch immer. Du findest doch alles toll, weil du meine Mutter bist.“
„Nein, nein, wirklich, die ist super schön. Das fände ich auch, wenn wir nicht verwandt wären“, beteuerte ich.
Ihr Zucken im Mundwinkel wurde beinahe ein echtes Lächeln.
Mein Sohn hat außer im Kunstunterricht nie wieder einen Stift in die Hand genommen oder irgendetwas gebastelt. „So was interessiert mich einfach nicht“, erklärte er. „Aber gestern bin ich im Ranking drei Plätze aufgestiegen (Anmerkung: Das hat irgendwas mit Online-Computer-Spielen zu tun.) Doch das interessiert dich ja nicht.“
Darüber muss ich jetzt erst einmal nachdenken.

Freitag, 16. Oktober 2015

Fernsehdreh auf der Buchmesse 2016

Es gibt Momente, da schaut man sich im Spiegel an und denkt: "Hey Baby, du siehst ja toll aus!" Dann putzt man sich die Zähne und geht allein ins Bett.
Und dann gibt es jene, da hängte man lieber ein Handtuch zwischen sich und sein Abbild. Nun ja, die sind dann oft der Morgen von Tagen, an denen man meistens etwas sehr, sehr Wichtiges in aller Öffentlichkeit vorhat. Zum Beispiel einen kleinen Fernsehdreh auf der Buchmesse. Leider bin ich keine Kamerafrau.
Doch das Leben ist immer und immer wieder unglaublich. Ich hatte mich also drei Mal umgezogen, war völlig hin und her gerissen zwischen elegant (nun ja), verspielt (so als Kinderbuchautorin doch völlig legitim, oder?), sexy (toller Witz) und lässig. Es wurde dann das Lieblingskleid, das eigentlich in die Wäsche gehört hätte. Und wisst Ihr was? Es war gar nicht wichtig. Ich habe auf der Messe sehr nette Leute und Kollegen getroffen, den Fernsehdreh absolviert, einige Verlagsgespräche geführt und mich abends auf der legendären Fischerparty zwischen lauter berühmten Leuten etwas betrunken. Es wäre völlig egal gewesen, was ich dabei trug. Obwohl. Drei Leute meinten, ich hätte ein schönes Kleid an.


Morgens halb elf am Fischer Verlag-Stand voller ehrwürdiger und berühmter Autoren. Das Fernsehen kommt also. Meinetwegen (sic).
"Hallo, ich bin die Kamerafrau. Du kennst mich nicht, aber ich dich." (Ein gemeinsamer Freund brach das sowieso nicht vorhandene Eis. Wir lachen sofort.)
"Ach, das ist toll, Sie sind ja eine richtig fröhliche Frau, die so strahlend lacht. Das müssen wir unbedingt mit der Kamera einfangen."


"Ein Kleid mit Fischen drauf. Wie passend."
"Ähm, diese Frisur, also, sollte ich mich vielleicht noch mal kämmen?"
"Die Frisur ist doch toll." (Ach, ja?)
"So, wir räumen das hier mal alles, alles weg, und das hier auch noch, und dann arrangieren wir viele Ihrer Bücher darauf und dann läufst du in weiten Kreisen um Frau Herden herum." (Viele Male. Erwähnte ich die echten Stars im Hintergr.... ähm, am Stand? Es war mir alles etwas peinlich.)


"Wie viel wiegt denn diese Kamera?"
"12 Kilogramm."
"Und jetzt noch mal so."
"Nun von links."
"Vielleicht noch mal von rechts."
"Und noch mal von hinten."
"Mach das noch mal mit dem Blättern."
15 Minuten Stromausfall.


"Und jetzt machen Sie doch mal etwas, was Sie immer so am Messestand Ihres Verlags machen."
"Ähm, ... rumsitzen, ausruhen, Kaffee trinken?!"
"Nein, mit Ihrer Lektorin."
"Nun ja ... rumsitzen, ausruhen, Kaffee trinken und dabei lachen?"
"Spielen Sie doch einfach mal eine nette Szene zusammen."
"Damit hatte ich nicht gerechnet, dass ich heute fürs Fernsehen gefilmt werde."
"Kann man uns hören, oder können wir Quatsch reden?"

Nach einer guten Stunde waren die 1,5 Minuten Sendezeit im Kasten. hr Fernsehen, Hessenschau.

Mittwoch, 30. September 2015

Die Zeichnungen von Kindern

Kinder hinterlassen an Orten Spuren ihres Aufenthalts, oft sind es Zeichnungen. Auch wenn uns das leider im Alter abhanden kommt, Kinder greifen in ruhigen Minuten gern zum Buntstift und illustrieren ihre Welt, ihre Gedanken, Träume und Sorgen. Solche ruhigen Momente sind oft Wartezeiten. Beim Arzt, im Restaurant, auf langen Autofahrten – oder in momentanen Zeiten in Flüchtlingsheimen. In den letzten Tagen gingen viele Kinderzeichnungen durch die Medien, die Kinder dort zurückgelassen haben, und viele von uns haben sich von diesen Zeichnungen berühren lassen und darüber nachgedacht. Ich auch.


Mein Sohn behauptete immer, er würde nicht gerne zeichnen. Doch einst musste ich mich (mal wieder) auf einem winzig kleinen Stuhl zum Elterngespräch einfinden. Wortlos aber vor Empörung beinahe vibrierend legte mir die Lehrerin ein Heft vor die Nase.
"Was ist das?", fragte ich und blätterte. "Oh, ein Heft meines Sohnes", erkannte ich dann freudig. "Mit so vielen Zeichnungen. Wie toll!"
"Toll! Frau Herden? Toll!", krächzte die Lehrerin entsetzt. "Das ist das Religionsheft! Was ist denn nur mit ihrem Kind los! Da stimmt doch was nicht!"
Ich betrachtete die detailverliebten Strichzeichnungen etwas genauer. Nun gut, es sah ein wenig so aus, als hätte Martin seinen halben Mantel nicht ganz freiwillig hergegeben, anders konnte ich mir das Schwert in seinem Rücken nicht erklären. An Wikinger, die von unendlich vielen Steinkugeln getroffen, zwar noch immer standen, aber kein Lächeln, sondern einen zittrigen Strich als Mund trugen, konnte ich mich religionsgeschichtlich nicht wirklich erinnern. Auch das gezeichnete Gebet zeigte nicht nur einen glücklich lächelnden Jungen (meinen Sohn?) im Vordergrund, sondern dahinter eine brennende Schule und … ähm … irgendjemanden an einen Marterpfahl gefesselten … Um nur einiges zu nennen.
"Er hat sehr viel Phantasie", musste ich zugeben, mühsam ein Grinsen verkneifend.
"Phantasie! Das nennen Sie Phantasie?", ereiferte sich die Lehrerin.
"Ja, Jungsphantasie", sagte ich.

Dieses Heft haben wir noch immer, und noch immer ist es ein großer Spaß für uns, es Seite für Seite zu betrachten. Denn mein Sohn hatte eine schöne Kindheit.

Statt eines Lachens stiegen mir beim Betrachten der Kinderbilder, die Flüchtlingskinder in den Unterkünften zurücklassen, Tränen in die Augen. Wie hoffentlich jedem Menschen, der sie sah. Und hoffentlich weiß auch jeder, dass Tränen nichts nutzen. Genauso wenig wie Klatschen.

Sonntag, 5. Juli 2015

Erbsen-Minz-Aufstrich

Ich mag Erbsen, nicht nur weil sie grün und kugelrund sind. Ich esse gerne die ganz jungen Zuckerschoten, ob roh im Salat oder gebraten in Frühlingsgerichten. Aber der wahre Knüller ist die Erbse, wenn sie sich rundet und die Schote beult. Im Garten oder auf dem Acker neben den Erbsenbüschen zu hocken, die Schoten krachen zu lassen (es gibt verschiedene, in der Kindheit ausgefeilte Methoden) und die süßen Erbsen daraus zu naschen, das ist Wonne pur. Kurz nach dieser Zeit sind sie dann auch so reif, dass man sie schnell ernten muss, bevor die Erbsen trocken und mehlig werden.
Aus frischen Erbsen (oder auch TK-Erbsen) kann man ratzfatz leckere Aufstriche bereiten. Zum Beispiel den hier:


Man braucht:

200 g Erbsen (frisch oder Tiefkühl)
eine Handvoll Minzblätter
eine Handvoll Petersilie
1 halbe Knoblauchzehe (oder eine kleine)
50 ml Olivenöl
Saft einer halben Zitrone
1 EL Agavendicksaft
Salz
Pfeffer
etwas Chili

So geht´s:
Alle Zutaten in den Mixer geben. Fertig! 



Samstag, 4. Juli 2015

Zucchini-Chutney mit Feigen und Walnüssen

Wer Zucchinis im Garten hat, der weiß, wenn man nicht schnell hinterher ist, wachsen dort im Beet viele viele Baseballschläger heran. Doch jeden Tag Zucchini auf den Tisch? Selbst die Nachbarn winken schon ab, wenn man mit den grünen Kürbisfrüchten locken möchte.
Eine schöne und äußerst köstliche Art der Verwertung sind Chutneys. Hier ist das Rezept eines mit Feigen und Walnüssen.


Man braucht, folgende vorbereitete Zutaten:

600 g klein gewürfelte Zucchini
200 g fein gewürfelte rote Zwiebeln
1 Knoblauchzehe, fein gewürfelt
50 g Walnüsse, in der Pfanne ohne Fett geröstet und gehackt
5 getrocknete Feigen, fein gewürfelt
eine Handvoll Petersilie, gehackt
3 bis 4 EL Olivenöl
100 g braunen Zucker
100 ml Apfelessig
25 ml Balsamico
½ TL Paprikapulver
½ TL gemahlenen Kreuzkümmel
1 Prise Zimt
frisch gemahlenen Pfeffer
Salz

Damit macht man folgendes:

In einer hohen Pfanne das Olivenöl erhitzen und darin Zwiebeln und Knoblauch glasig braten. Zucchini dazugeben und einige Minuten braten. Zucker und die Gewürze hinzugeben und weiter braten. (Eigentlich beginnt nun alles zu köcheln, da die Zucchini ihre Flüssigkeit freigeben.) Nach ca. 5 Minuten mit Essig ablöschen. Feigen und Nüsse zur Masse geben. Das Ganze ca. 25 Minuten köcheln lassen. Für die letzten 5 Minuten die Petersilie dazugeben. Salzen und in heiß gespühlte Gläser mit Schraubverschluss geben.

Dienstag, 30. Juni 2015

Versunkene Kirschkuchenzeit

Meine Chemielehrerin in der Schule sagte immer: "Backen ist Chemie. Da muss man sich genau an die Rezepte und die Maße halten, sonst wird das nix."
Am Wochenende plünderten wir den Kirschbaum im Garten meiner Eltern. Einen Teil der Beute verarbeitete ich zu Kompott, einen Teil aßen wir so und aus dem Rest wollte ich einen Kuchen backen. Die Zutaten für einen Schmandkirschkuchen hatte ich nicht in der Bude, also einen sogenannten Versunkenen. Doch beim Blick in die "Schublade für Süßes" fehlten 200 g Mehl. Ich missachtete den Rat meiner Chemielehrerin und experimentierte. Das lohnte sich.


Man braucht:
250 g Butter / 250 g braunen Zucker / 4 frische große Eier / 150g Mehl / 100g Mandelmehl / 100g in der Mulinette pulverisierte Haferflocken / 1/2 Päckchen Backpulver / 1/2 Teelöffel Kardamom / 1 Teelöffel Vanillepaste / 1 Prise Salz
so viele entsteinte Süßkirschen, wir darauf passen

So geht´s:
Butter schaumig rühren. Zucker dazugeben und noch schaumiger rühren. Salz, Kardamom und Vanille unterrühren. Ei für Ei kräftig unterschlagen und solange mixen, bis eine wunderbar fluffige Masse entstanden ist. Mehl, Mandeln, Haferflockenmehl und Backpulver vermischen und unterheben. Nicht mehr lange rühren, damit der Teig nicht zäh wird.
Ofen vorheizen auf 180 Grad.
Eine Springform fetten, Teig hineingeben, viele, viele Kirschen hineindrücken.
Den Kuchen eine sehr gute Stunde in den Ofen geben. Derweil die Teigschüssel ausnaschen. Nach zufriedenstellender Zahnstocherprobe den Kuchen aus dem Ofen nehmen, etwas auskühlen lassen.

Sahne schlagen. Braunen Zucker und Vanille unterheben. Kuchen und Sahne mit Schokostreusseln bestreuen. Das Ganze bis auf den letzten Krümel verspeisen.

Sonntag, 14. Juni 2015

„Vielleicht schreiben deutsche Kinderbuchautoren einfach nicht besonders gut“. BÄHM! – Frau Herden macht sich darüber Gedanken



Vor Kurzem unterhielt ich mich mit einer Kollegin über das Schreiben und die Qualität von Kinderbüchern. Thema war eines, das im letzten Jahr gar zu Protesten führte: der Fokus der großen Verlage auf Lizenzen und dass man nunmehr auf der Auswahlliste des Kinder- und Jugendbuchpreises kaum noch einen deutschen Titel findet.

Woran liegt das?

Nachdem wir Sterotypen wie „die Verlage gehen keine Risiken ein, darum kaufen sie Lizenztitel, die schon im Ausland erfolgreich liefen“ und „die Verlage gehen keine Risiken ein, darum lektorieren sie selbst wilde Bücher zum gefälligen Mittelmaß herunter“ abgehakt hatten, kam plötzlich ein Satz von meiner Kollegin, der mir noch immer im Kopf herumspukt:

„Vielleicht schreiben deutsche Kinderbuchautoren einfach nicht besonders gut“.

BÄHM!

Ich überlegte erschrocken und musste ganz ehrlich eingestehen, es gibt tatsächlich nicht so viele deutsche Kollegen, deren Bücher mich interessieren oder gar faszinieren, während mich einige Lizenztitel geradezu in einen Rausch versetzt haben. Und das im Kinder- und Jugendbuchbereich. Momentan lese ich wieder so ein Buch. Es soll für 12Jährige herhalten, doch bedeutet dieser Aspekt keine Grenze. Ein hyperempathisches Mädchen nimmt einen in klugen Worten mit auf eine Reise, die Innen und Außen völlig verschwimmen lässt, was durch fehlende Zeichen, um die wörtliche Rede zu markieren, noch verstärkt wird. Thematisch geht es um das Verschwinden, um das Erwachsenwerden und dass dies ein nie abgeschlossener Prozess ist. Zumindest nicht mental. Wunderbar! Aber nicht von einem deutschen Autoren.

„Ja, aber die Verlage erlauben es ja gar nicht, dass der deutsche Autor mal so richtig durchdreht, sich im Schreiben verliert, Satzzeichen ignoriert, Bilder entwirft, die einen herumwirbeln, Geschichten schreibt, die einen ganz leise töten oder laut gegen die Wand donnern“, höre ich es aus dem Autoren-Off jammern. Zumindest so ungefähr.

Aber stimmt das tatsächlich?

Ist es nicht auch so, dass man dem Verlag etwas nach dem Munde schreibt, damit man seine Miete bezahlen kann? Das ist für einen Kinderbuchautoren nämlich nicht einfach, gar ein großes Glück, sollte es ihm gelingen. Die Spiegel-Bestsellerliste gibt den Verlagen ja auch Recht, nicht wahr, denn das Volk scheint genau diese etwas einfache (oft lustige und gefällige) Kost zu goutieren. Oder geschieht das nur aus reiner Verlegenheit? Finden die Menschen da draußen die guten Bücher einfach nicht, weil die anderen so laut schreien? Muss man die Leute quasi erziehen oder ihnen zumindest eine deutlich erkennbare Vielfalt und Auswahl bieten? Aber ist es nicht auch so, dass die Massen gar nicht so gerne auswählen möchten, weil Auswahl eben auch Verantwortung bedeutet? Und wer übernimmt die heutzutage noch gern? Kleine, von Fachkräften geführte Buchhandlungen bieten für diese Fall zwar händeringend ihre liebevolle Hilfe an. Doch ignoriert fristen viele von ihnen ein notdürftiges Überleben oder sterben gar. Dabei kosten dort die Bücher genau dasselbe.

Das sind Dinge, die man nur schwerlich versteht, will man nicht zum Misanthropen mutieren.

Also schreibt der kluge Autor intelligenterweise dieser unsäglichen Spiegelbestsellerliste, dem Amazonranking und den erhofften Verkaufszahlen hinterher, oder? Ich möchte niemandem auf den Schlips treten, aber ich kann mir tatsächlich vorstellen, dass das nicht soooooo weit hergeholt ist. Irritierend finde ich es dann jedoch, wenn im Nachhinein protestiert und gejammert wird, dass man mit eben diesen Titeln keine Literaturpreise einholt und einem zum Geburtstag vom Verlag kein großes Fest ausgerichtet wird.

„Vielleicht hast du recht“, sagte ich leise zu meiner klugen Kollegin und überlegte, wie das denn bei mir ist.

Mein erstes Kinderbuch schrieb ich Zack! in zwei Wochen, um meinem Herrn Papa zu beweisen, dass ich so etwas kann. Es muss irgendwie gut oder passend gewesen sein, denn ein großer Verlag kaufte es. Es war jedoch kein Kinderbuch. Dazu wurde es erst im Lektorat, das mich nicht nur schlaflose Nächte kostete, sondern auch Wutgebrüll, Millionen Tränen, Hass und Verzweiflung hervorbrachte. Es folgte noch ein zweistündiges Telefonat mit dem damaligen Programmleiter, der mir dabei mal eben die goldenen Regeln des Kinderbuchschreibens erklärte. Mein zweites und drittes Kinderbuch schrieb ich dann von vorn herein anders.

Zum Glück erschienen diese in einem kleinen Verlag, dessen Lektorin mich wieder zu mir zurückbrachte, weil sie meinen Humor und meine Gedankengänge verstand und es wagte, Bücher für Kinder zu gestatten, die nicht nur Witz und Abgefahrenes mochten, sondern auch Verstand und Intelligenz. Die in anderen Worten, den kleinen Leser nicht per se unterschätzte.

Trotzdem war ich noch nicht ganz da, wo ich hinwollte. Das merkte ich, wenn ich beispielsweise des nachts bei einem Glas Wein geschriebene Passagen am nächsten Morgen wieder löschte.

Ein Verlagswechsel eröffnete mir wieder eine neue Perspektive. Ich hatte das große Glück, mit 40 geschriebenen Seiten und einem damals noch etwas schwammigen Konzept einen Vertrag über drei Bände zu bekommen. Ich hatte zudem das große Glück, eine Lektorin an die Seite gestellt zu bekommen, die mit mir dermaßen gut harmoniert, dass ich mir sogar vorstellen könnte, mit ihr ein Jahr im VW Bus um die Welt zu fahren.

Und ich selbst hatte mir den Kniff überlegt, meinen erzählenden Helden hochintelligent sein zu lassen. Wer könnte so einer Figur guten Gewissens philosophische Gedanken, naturwissenschaftliche Erklärungen und Schachtelsätze absprechen?

Momentan bin ich mitten im dritten Band. Es scheint mir fast, als hätte ich mich mit diesen drei Büchern um Anton und Marlene noch freier geschrieben. Ich wage mich an Themen, die mich selbst stark berühren und denke: „Kids, da müsst ihr jetzt durch. Kommt mit oder lasst euch an der Biegung des Flusses begraben.“

Ob ich damit mal einen Preis gewinnen werde, weiß ich nicht. Ob die Bücher den Kindern gefallen werden, weiß ich heute auch noch nicht, und darum auch nicht, ob sie mir die Miete zahlen werden.

Aber ich bin verdammt aufgeregt. Und ich will lernen. Ich will lernen so zu schreiben, dass sich die Kinder (und vielleicht auch einige Erwachsene) mit meinen Büchern in einen Rausch lesen.

Montag, 27. April 2015

Ich bin nicht das kleinere Übel für Scheißphysik – Qualen einer Autorin


„Antje, du bist jemand, der schreiben muss. Da bin ich mir sicher“, sagte letztens meine Agentin.
Sie hat recht. Aber nicht nur das. Während sich die Geschichten in mir herumdrängeln, wer zuerst raus darf, während die ersten Versionen schnell in die Tasten und auf das virtuelle Papier fliegen, beginnt die eigentliche Arbeit erst danach. Ich suche Verknüpfungen und logische Momente, ich recherchiere und analysiere, ich formuliere, stelle um, hobele und feile, lese das Ganze mit dem Kopf, dann viermal mit dem Herzen und schreibe es in schön.
Und dann noch einmal alles von vorn und noch einmal und vielleicht noch einmal. Ich brauche für ein Buch ein halbes Jahr. Ich gebe es erst dann raus, wenn ich es für etwas Fertiges, etwas Wunderbares und Wertvolles halte.
Ich bin Kinderbuchautorin mit der Seele und dem Procedere eines Künstlers.
Leider auch mit der Verletzbarkeit und der Empfindsamkeit.
(So etwas weiß natürlich ein Lehrer nicht, wenn er überlegt, ob die Klasse lieber Mathe oder Physik für die von der Bibliothek gratis angebotende Autorenlesung ausfallen lassen soll.)

Ich lese gerne vor und zum Glück kann ich das richtig gut. Es macht mir Spaß und ich bin begeistert, von dem, was ich tue. Und: Ich kann diese Begeisterung an die Kids vermitteln. Etwas, das mich richtig glücklich macht und beseelt an meinen Schreibtisch zurück eilen lässt.
Nach mehreren hundert erfolgreichen Lesungen, war ich mir sicher, dass mich diesbezüglich nichts mehr aus der Bahn zu werfen vermag.

Doch in der letzten Woche fand ich mich das erste Mal in einem Fiasko wieder. Das Erlebte erschütterte mich dermaßen, dass ich mir gar überlegte, in einen Elfenbeinturm zu ziehen und nicht mal mehr von oben zu winken. Natürlich ist das übertrieben, doch, mein lieber Leser, der Grund dafür liegt in den ersten Sätzen dieses Posts.

Aber was war eigentlich passiert?


Nachdem etwa 60 Fünfklässler einer Oberschule Platz genommen hatten, begann ich wie sonst auch meine Lesung. Die Kinder saßen still vor mir. Erst dachte ich noch: „Na, die sind aber gut erzogen.“ Doch dann bekam ich ein unruhiges Gefühl. Niemand rüherte sich, niemand lachte, nicht einer verzog wenigstens den Mundwinkel. So etwas hatte ich noch nie erlebt.
Als plötzlich doch einmal jemand giggelte, hätte ich mich am liebsten auf ihn gestürzt, ihn geknuddelt und gerufen: „Na, nun erzähle doch mal den anderen, was daran lustig ist.“
Das machte ich natürlich nicht. Stattdessen erhöhte ich den Ausdruck meiner Lesung, wackelte mit den Augenbrauen, was ich sehr gut kann, verzog das Gesicht zu unbändigen Fratzen, was ich noch besser kann beziehungsweise niemals vermeiden kann. Es funktionierte nicht. Stumm betrachtete mich die Schar wie eine gelangweilte wissenschaftliche Deligation einen Anwärter für den letzten Platz im Raumschiff, das gleich die verwesende Erde verlassen würde.

Schon bei derem Eintreten hatte ich gespürt, dass es nicht ganz einfach werden würde, die Kinder zu packen. Sie sahen älter (einer war sogar schon 15), gelangweilter, abgeklärter und unkindlichher aus als meine eigentliche Zielgruppe. Ich hatte also sehr flott und vermeindlich cool begonnen, versuchte sie, die wahrscheinlich schon zu viel oder viel zu wenig gesehen hatten, abzuholen, fragte, wer in der Nacht das League of Legends Finale im Stream gesehen hätte, aber auch, wer Bücher lesen würde. Bei der ersten Frage meldeten sich mehr als bei der zweiten. Dort meldeten sich etwa sieben Kinder. Zwei davon nahmen ihre Hand allerdings schnell wieder runter. Es war wohl einfach zu peinlich.
Doch Sorgen machte ich mir noch nicht.

Ich erzählte etwas mehr als sonst, las etwas kürzer, stellte einbeziehende Fragen. Ich veränderte meine eigenen Positionen, stellte mich schließlich hin und ertrug stoisch das Gekicher und die Lästereien über mein Kleid.
Ich begann zu schwitzen, obwohl ich weder in den Wechseljahren bin noch die Bibliothek irgendwie zu warm war. Ich spürte, dass sich mein Haarknoten auflöste, ich musste auf die Toilette und hätte so gerne etwas getrunken. Ein wenig übel wurde mir auch, trotzdem kam mir immer wieder das Eierbrötchen mit dem Roqufort-Käse in den Sinn, das ich zum Frühstück gegessen hatte.
Doch ich machte weiter, während das Gekicher über mein Kleid wieder verebbte und der grusligen Stille von zuvor Platz machte.

Schließlich kündigte ich das letzte Kapitel an. Normalerweise rufen die Kinder dann: „Oh, nein!“ und meinen damit „Oh, schade! Lies doch noch etwas weiter.“ Darum passierte es mir, dass ich den von einer Handvoll Kinder gestöhnten Ausruf „Boah, nee!!!!“ beinahe falsch interpretiert hätte.

Doch dann verstand ich und in mir krampfte sich alles noch einmal fester zusammen. Trotzdem fragte ich nach.
„Mann, Alter, das ist voll langweilig!“
„Ist das wahr?“, fragte ich Masochistin noch einmal.
„Total!“, riefen einige Mädchen, bliesen ihre Ponnys aus den Stirnen und tasteten in den Taschen nach ihren vibrierenden Handys.

Ich schlug mein Buch zu. Vielleicht war das dumm und kindisch, auf alle Fälle unreif. Aber ich verweise noch einmal auf die einleitenden Sätze.
„Gut, dann höre ich jetzt auf“, presste ich an dem Tränenknoten in meinem Hals vorbei.
„Oh, Mann, Scheiße seid ihr bescheuert!“, schrie da ein Mädchen. „Das ist doch immer noch besser als Scheißphysik!“

Inzwischen hatten sich die Lehrerinnen von ihrem Schock und ihrem peinlich Berührtsein erholt.
„Das wäre aber sehr ungerecht denen gegenüber, die zuhören wollen“, sagte eine.
Sie wollte mit denen, die keine Lust mehr hatten, hinaus in den Park gehen. Etwa 20 Kinder griffen hurtig nach ihren Jacken.
„Auf keinen Fall!“, rief die andere Lehrerin. „Diejenigen gehen mit mir in die Schule. Wir machen Physik.“
Natürlich blieben alle sitzen. Bis auf die zwei, die einfach am lautesten zuviel verkündet hatten.
´Auf keinen Fall!`, wollte ich nun rufen. Ich wollte niemandem vorlesen, der lieber in Kauf nahm, hier vor mir zu sitzen, als Scheißphysik zu machen. Und ich wusste genau, wer das war. Aber ich bin kein Denunziant und scheinbar nicht nur in der Liebe leidensfähiger als gedacht. Ich las das letzte Kapitel ohne dass sich die Tränen Bahn brachen, die mich innerlich ertränkten, während ein Drittel der Kinder die Zeit nutzte, geräuschvoll auf die Toilette zu gehen.

Stell dich nicht so an, versuche ich mir seitdem immer wieder zu sagen und ziehe mir die Erinnerungen der anderen Lesungen der letzten Woche vor das innere Auge: fröhliche, lachende Kinder, die mich anstrahlen und mit mir gemeinsam eine lustige und schöne Stunde erleben. Ein Schulleiter, der mir sagt, dass meine tolle fröhliche Art, die Kinder geradzu in ihren Bann ziehen würde. Die geflüsterten Worte eines kleinen Mädchens in einem altmodische Kleid: „Ich möchte auch eine tolle Schriftstellerin werden. So wie du.“

Trotzdem. Ich muss erkennen: Ich schreibe für lesende Kinder und solche, die sich gerne Geschichten erzählen lassen. Ich kann zwar Computerspiele, Smartphone Apps und das Fernsehen nicht ausstechen, aber ich bin auch nicht das kleinere Übel für Scheißphysik. 

Montag, 13. April 2015

Glyzinien, Shades of Grey und der ästhetische Blick – Was ist eigentlich gute Literatur?


Der Mensch ist doch immer wieder unerwartet ambivalent. Also ich bin das. In Bezug auf die Literatur zum Beispiel. Das durfte ich heute morgen entdecken, als ich noch einige Augenblicke in einen neuen hochgelobten Roman hinein las und – ihn einfach nicht mochte. Obwohl ich die Autorin sehr schätze und große Erwartungen hegte.

Im ersten Moment war ich überrascht, dann ein wenig peinlich berührt. Nicht von diesem Buch, das mir nicht gefallen wollte, sondern von mir selbst. Wie konnte ich ein, von denen, die es wissen müssen, zur Literatur verklär ... ähm, erklärtes Buch nicht mögen? Und das nicht geschmäcklerisch oder auf den Inhalt bezogen, sondern tatsächlich von meinem Verständnis und Gefühl ausgehend, dass darinnen nicht das stattfand, was ich als eine gute Geschichte in einer schönen, berührenden Sprache wahrnehme. Wie anmaßend, oder? Immerhin bin ich nur Kinderbuchautorin und habe nie die deutsche Sprache an einer Universität studiert.

Stattdessen studierte ich die Architektur. Und siehe: Nach nur wenigen Semestern konnte ich über diese und ihre jeweiligen Eingangssituationen schwadronieren und belächelte Häuslebauer. Obwohl denen doch ganz eindeutig das Häuschen mit Walmdach und zwei Säulen davor ausnehmend gut gefiel.
Wahrscheinlich war denen auch völlig egal, was ich als angehende Architektin von ihrem gebauten Lebenstraum hielt. Das war ihnen wahrscheinlich sogar scheißegal.

Auch in Bezug auf die Literatur stimmte ich gedanklich des öfteren in den Kanon des „das ist kein gutes Buch, es ist es nicht wert gelesen zu werden, denn es ist weder Literatur noch hat es Relevanz“ mit ein. Zwei, drei Mal tat ich das sogar laut, also so, dass andere es hören konnten. Zum Beispiel meine Tochter, als ich ihr leidenschaftlich zu erklären suchte, was für eine dumme Idee es gewesen war, das Taschengeld für ein ganz schlimmes Buch ausgegeben zu haben. Obwohl ich dieses nie gelesen hatte. Natürlich nicht, es war ja schlimm. Dafür hatten das aber Millionen andere getan, die es schlicht mochten und Freude daran hatten.

Wer hatte denn nun recht? Und warum? Und wessen Meinung war die, die zählte? Und warum?

Heute morgen das Ganze also anders herum. Ich hatte gehört und gelesen, der schmale Band sei ein richtig gutes Buch quasi Teil eines Werkes. Allein ich empfand das nicht so. Und bevor es mir richtig klar wurde, hatte ich schon auf die arroganten wer auch immer geschimpft, die sich anmaßten, mir sagen zu wollen, was gut oder schlecht ist. Vor allem: Mit welchem Recht taten die das? Sie sprachen ja nicht von eigenen Empfindungen sondern von unumstößlichen Wahrheiten. Wer bestimmte die Parameter für solche Wahrheiten denn? Und für wen?

Idioten, dachte ich abschließend. Wir alle. 
Es fiel mir etwas schwer, doch ich überwand mich, und schlug das Buch zu. Ich werde es auch nicht wieder öffnen. Habe es aber trotzdem ins Regal gestellt. Das Maß der Revolte war erst einmal voll. So etwas will ja auch gelernt sein. Vielleicht lasse ich es in ein zwei Jahren heimlich in die Altpapiertonne fallen. Kleine Schritte.

Dann fiel mir die Architektur und ich mir selbst als angehende Architektin und vor allem gnadenlose Kritikerin mit ästhetischem Blick wieder ein.
Plötzlich sah ich vor meinem inneren Auge die unsäglichen Eingangssäulen von duftenden Glyzinien und wildem Wein, in dem die Amseln nisten, umrangt. Riesige Hortensienbälle im Vorgarten, die die falschen Butzenscheiben der Küchenfenster verdeckten. Vielleicht eine Bank mit weichen Sitzkissen, daneben zwei leere Weingläser. Unter dem Walmdach ein inzwischen vergessenes Piratenversteck. Ein Lachen, dass durch die Sonne im Wohnzimmer schwebte. Ein Zuhause.

Was soll also das Hochtrabende? Warum die Frage nach der Kunst, der Literatur, der Architektur?

Ein Buch ist erst einmal Buch, ein Haus ein Haus. Beides erschaffen von einem, der sich Mühe gab, im besten Falle einem inneren Drang folgte oder sich einen Traum erfüllte. Jeder einzelne Mensch, der sich nun davon in irgendeiner Form berühren lässt, macht es zu einem Kunstwerk, zu etwas Wertvollem. Mehr geht nicht. Alles andere ist Theorie.

Dienstag, 31. März 2015

Bulgursalat mit Datteln, frischem und gebratenem Gemüse und orientalischem Touch

Manchmal liegen einige Zutaten in der Küche herum und plötzlich vermeine ich ihren vereinten Geschmack auf der Zunge zu spüren. Manchmal bereite ich sie dann zu. Und manchmal ist das dann so lecker, dass ich es gerne teilen möchte. Wenigstens virtuell. Bitte schön.


Dieser köstliche Salat mit einem orientalischen Touch kann als Beilage, Vorspeise oder als Hauptmahlzeit gereicht werden. Er wird aus 3 verschiedenen Einheiten zusammengemischt.

Man braucht (für 6 kleine, 4 mittlere oder 2 große Portionen):
(Wie immer sind meine Mengenangaben ohne Gewähr. Ich finde ja, man muss sich an die jeweiligen Mengen herankochen, also wie schmeckt mir das Ganze am besten.)

Einheit 1(Bulgur):
150g feinen Bulgur / 1/2 TL Brühepulver / 3 EL Olivenöl / 1/2 Limette

Einheit 2 (gebratenes Gemüse):
eine Fenchelknolle / eine rote Paprika / 10 getrocknete Datteln / eine Handvoll Sonnenblumenkerne / etwas Olivenöl zum Braten / 4 EL Honig / eine gute Prise Zimt und einen Hauch Cumin (Kreuzkümmelpulver) / Salz / Pfeffer / Chiliflocken

Einheit 3 (Frisches):
einen kleinen Apfel / eine Tomate / ein Stück Gurke

Salz / Pfeffer / ev. noch etwas Olivenöl


So geht es:

1. Bulgur in eine mittelgroße Schüssel geben. Das Ölivenöl und die Brühe untermischen. Mit kochendem Wasser gerade abdecken. Ziehen lassen, bis die Körnchen weich sind (etwa 10 Minuten). Den Saft der halben Limette unterrühren.

2. Fenchel, Paprika und Datteln klein würfeln. In einer Pfanne das Öl erhitzen (hoch). Gemüse und Datteln dazugeben. Sonnenblumenkerne unterrühren. Den Honig darübergeben. Herd herunterdrehen (mittel) und das Ganze schmurgeln lassen (6 bis 8 Minuten). Mit Zimt, Cumin, Salz, Pfeffer und einigen Chiliflocken würzen. Etwas abkühlen lassen.

3. Apfel, Tomate und Gurke fein würfeln.

4. Alles miteinander vermischen. Eventuell mit Salz und Pfeffer und etwas Olivenöl abschmecken.

Freitag, 20. März 2015

Solar eclipse of my heart



Wisst Ihr noch, wie es vor 16 Jahren war?
Wir sind extra ins Elsaß gefahren, denn dort hatte man den besten Blick, hieß es. Wir, das waren vier vollgestopfte Autos. Das nigelnagelneue Töchterchen und ich saßen mit zwei anderen auf dem Rücksatz. Ausgestattet waren wir mit Folienbrillen, warmen Jacken, Decken und Picknickkörben. Ich war eigentlich nur mitgefahren, weil alle fuhren. Zwei Stunden Autofahrt hin und zwei zurück, dachte ich, das ist doch etwas übertrieben. Es wurden dann sogar insgesamt sieben Stunden, weil wir natürlich nicht die einzigen gewesen waren, die diese Idee gehabt hatten.

Total Eclips of the heart, sangen wir mit Bonnie Tylor.
Es war nahezu unmöglich noch ein schönes Plätzchen zu finden. Vielleicht wenigstens eines zum Stehen, hoffte ich und ließ meinen Blick traurig zwischen unseren Picknickdecken  im Kofferraum und den mit tausenden Campingstühlen gesäumten Straßen hin und her wandern. Einen Truck müsste man haben, dann hätten wir es uns auf der Ladefläche bequem machen können, dachte ich.

Endlich, endlich fanden wir einen Parkplatz, wenigstens das. Irgendwo in zehnter Reihe auf einem Feld. Wir packten unseren Bims und Babel und zogen Vertriebenen gleich los, verfolgt von den mitleidigen Blicken derer, die schon am Abend zuvor ein Plätzchen okkupiert hatten. Das Töchterchen zappelte unruhig im Tragetuch herum und krähte laut seinen Unmut heraus. Es hätte seit Stunden eine neue Windel gebraucht.
Doch dann, oh Wunder, fanden wir hinter einem Wäldchen einen grünen Weidenrand mit Kühen und freien Blick in den Himmel Richtung Sonne! Dort lagerten wir und alles wurde gut, ja geradezu magisch.

Wir bauten im lautstarken Jubilieren der Vögel, die die Dämmerung begrüssten, unser Picknick auf, wir zogen unsere Jacken über, als sich die Kühe zur Ruhe legten, wir aßen und schauten dabei durch die Brillen in den Himmel und als der kalte Wind aufkam, der die Dunkelheit vor sich herscheuchte wie einen schwarzen Mantel, der sich über alles legte, fasste etwas nach meinem Herzen und ich begann haltlos zu weinen. Damit hatte ich nicht gerechnet. Und wenn ich sage, das Tremdeum hatte mich erfasst, dann ist das die Wahrheit.

Heute habe ich keine Brille. Sie waren ausverkauft, weil das Schulamt unvorsichtigerweise dermaßen vor den Netzhautschäden warnte, dass daraufhin die Schulen in Panik gerieten. Manche sagten sogar den heutigen Unterricht ab. Meine Kinder hoffen, dass die dritte und vierte Stunde ausfällt oder sie wenigstens mal kurz in den Pausenhof dürfen, um die Sonnensichel mit dem Handy zu filmen. Ich werde in den Park gehen und den Vögeln zuhören und wünsche uns allen einen magischen Moment.