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Samstag, 16. April 2016

Viermal durch den Schwarzwald – Meine Lesetour in Südbaden

Eine Woche lang führte mich das Schicksal quer durch Südbaden, oder nicht das Schicksal sondern das Regierungspräsidium der Region und mein Beruf als Kinderbuchautorin. Kommt mit, wenn Ihr mögt, aber Achtung: Es wird emotional. 


Tag 1
Die Sonne scheint. Das ist schon mal gut. Ansonsten ist der erste Zug eine halbe Stunde verspätet, die vom netten Herrn hinter dem DB-Schalter herausgesuchte Alternativverbindung aber sowieso besser. Mein Koffer ist monsterschwer. Ich erinnere mich an das Bild eines winzigen Gepäckstücks, das ein geschätzter Kollege angeblich als Lesereisengepäck für eine Woche dabei gehabt haben wollte. "Na, Mama, ein Mann braucht weniger als du. Ich glaube nicht, dass der zwei Kuschelkissen und die Joggingschuhe mitnimmt", sagte meine Tochter noch zu Hause. Na gut, vielleicht nicht, also zumindest die Kuschelkissen nicht. Im Zug überarbeite ich Ferienhausaufgaben. Nicht meine. Im dritten Zug muss ich eine Stunde stehen. Macht nichts. Der Spiegel an der Rückwand der Fahrerkabine, in den ich die ganze Zeit starren muss, ist schlimmer. Die Sonne scheint aber noch. Im Gästehaus riecht es so penetrant nach altem Essen und Urin, dass mir ganz anders wird. Aber wenigstens ist schlagartig der Hunger nach der 4stündigen Fahrt weg. Das ist gut. Erstens gibt es hier nichts zu Essen um die Ecke, zweitens wollte ich diese unerwünschten Kilos mal wieder ernster angehen. Das Internet funkioniert einwandfrei. Das ist schön. Allerdings posten die Kollegen, die auch alle unterwegs zu sein scheinen, Katalogbilder von Paradiesen, die sie angeblich aus ihren Hotelfenstern geschossen haben wollen. Meine Aussicht durch das Fliegengitter hindurch direkt auf das Flachdach einer Tiefgarage ist so traurig, dass ich lieber ein Foto vom Zimmer mache. Das ist gelb und sehr sehr klein. Das ist nicht ganz so gut, weil ich groß bin.

Tag 2
Die Nacht ist wild, ich bin jedoch nur Zeuge. Um ein Uhr beginnt ein Paar im Nachbarzimmer zu streiten. Es könnte auch direkt neben meinem Bett sein. Leider sind die beiden nicht besonders fantasievoll oder eloquent und ich kann gar nichts weiter dazu lernen. Ein wirkliches Problem gibt es jedenfalls nicht, wie das ja meistens so ist. Sie haben beide Unrecht, würden es aber bestimmt nicht goutieren, ginge ich hinüber und mischte mich ein. Gegen 5 Uhr werde ich aus einem Traum gerissen. Laut diskutierend verschieben die beiden nebenan nun die Möbel. Wahrscheinlich habe ich den spannendsten Teil verschlafen. Sie scheinen auf alle Fälle ein sehr großes Zimmer zu haben.
Später beim Frühstück schaue ich mich neugierig um. Erstaunlicherweise sitzen da nur drei ältliche Paare.
Dafür dringen laute Stimmen aus der Küche. Die alte gehbehinderte Gästehausbesitzerin und ihr junger ausländischer Angestellter palavern.
„Weißt du, du kannst nicht zu Frau sagen „Ich lade dich in Restaurant“, und dann gibt es boom, boom, boom. So ist nicht Leben.“
„Nein, so ist es nicht.“
Nach der Lesung sagt die Bibliothekarin: „Ich glaube nicht, dass sich die Kinder auch nur eine Sekunde gelangweilt haben.“
Ich lächle und bedanke mich, frage mich aber, was sie gesagt hätte, wenn es anders gewesen wäre.
„Also, Frau Herden, ich habe das mal nachgemessen, die Kinder langweilten sich insgesamt 963 Sekunden.“
Dann sitze ich ein Stündchen am Wasser. Das laute Plappplapp der schlagenden Schwanenflügel auf der Wasseroberfläche beim Starten fällt mir auf. Vielleicht werde ich das einmal in einer Geschichte benutzen. Neben mir steht ein Baum voll lärmender Krähen, ihren Schein- und Nestern. Vor mit liegt ein Schiff, ein Flussentlangfahrtschiff, Zimmer neben Zimmer alle mit Balkon. Ich träume von einer Lesereise auf einem Schiff, das jeden Tag zweimal an einem Hafen festmachte, die Kinder kämen, ich läse, wir hätten Spaß und dann tuckerte ich weiter. Abends gäbe es Fisch und Wein. Könnte mir irgendjemand bitte mal so etwas organisieren?
Einige Stunden später komme ich im nächsten Ort an. Es gibt nicht viel zu sehen, darum schlüpfe ich in die Joggingschuhe, nun, da ich sie schon dabei habe. Dann laufe ich durch den Stadtgarten, der eher ein Stadtbeet ist. Das ist einerseits toll, denn die typischen Stadtpark-Gruppen – Mütter mit kleinen Kindern, verliebte Pärchen, Jungs in tiefhängenden Hosen, die gerne böse wären, der Kreis der Tippelbrüder und -schwestern, die Opas mit den Hunden, die Schulkinder – sie haben alle so wenig Platz, dass sie eigentlich ganz nahe beieinander sind und sein könnten. Blöd ist, dass ich Runde um Runde drehe und keine Strecke bekomme. Ich befürchte, dass mich morgen nach der Lesung eventuell Kinder fragen, ob ich das gewesen sei, die da mit hochrotem Kopf ständig um den Stadtgarten geschlichen sei, und warum ich das getan hätte.
Danach entdecke ich den Wellnessbereich des Hotels. Oh, ha! Ich kämpfe eine Weile kraulend mit der Gegenstromanlage und schwitze dann in der Sauna. Allerdings nur kurz, weil das so langweilig ist. Im Ruheraum lese ich die letzten Seiten eines Krimis. Gemurmel und eine schneidende Stimme dringen von nebenan zu mir.
„Wenn euch die Nudel unter den Achseln stört, dann schiebt sie euch einfach zwischen die Beine.“
Um Gottes willen! Es findet aber nur Aquagymnastik statt. Gerne hätte ich ein wenig zugeschaut, doch ich lächele nur breit und gehe schnell.

Tag 3
Wie alle riecht auch diese Bibliothek muffig. Für jeden Scheiß gibt es Duftdesigner, sogar für den Geruch von Neuwagen und Hotelfahrstühlen. Die Kunden sollen sich wohl und glamourös fühlen. Ich glaube fest daran, dass mehr Kinder läsen, wenn Bibliotheken nicht dermaßen nach Käsesocken und diesem Hauch von sehr altem Erbrochenen riechen würden. Sorry.
„Sie machen das bestimmt öfter“, sagt die Bibliothekarin nach der Lesung. Nun ja.
Ich fahre drei Stunden mit sehr langsamen Zügen durch den Schwarzwald. Hier war ich noch nie, und im ersten Moment ist mir, als sei ich Teil einer Modelleisenbahn. Eine kleine Figur im Zug, der an winkenden Frauen voller roter Bommeln vorbeifährt. Plötzlich passiert etwas Irres. Nicht mit mir und auch nicht um mich herum, sondern in mir. Ich bin auf einmal wirklich unterwegs. Allein um die Welt. Also fast. Es fühlt sich ein bisschen wie Freiheit an, obwohl die dunklen Tannen drängen und die engen Täler schluchzen. Dieses Gefühl wird sogar noch stärker, als sich ein Obdachloser neben mich setzt. (Wer einmal in Amerika mit den Greyhound-Bussen unterwegs war, weiß, wovon ich schreibe.) Von allem unbeeindruckt pupst und rülpst er vor sich hin. Doch diese frischen Gerüche können die alten seines Körpers, seiner Klamotten und vor allem seiner filzigen Mütze nicht verbrämen. Alle anderen Sitze im Wagen sind frei. Er ahnt wohl meinen Gedanken, schaut mich finster an und ich blicke schnell wieder aus dem Fenster.
Der Zielort ist trostlos.
„Seien Sie nicht entsetzt“, sagt die Bibliothekarin. „Hier steht alles leer.“
Durch die leeren Häuser des verschatteten Tals fläzt sich eine dicke Durchgangsstraße.
Der Gasthof liegt in einer Haarnadelkurve, durch die sich Millionen Fahrzeuge und Schwerlaster drängen. Ich habe mich schon immer gefragt, wer in so etwas übernachtet. Außer mir noch drei Autos voller Soldaten, alle getarnt, vom Mützchen bis zum Laptopcover.
„Hier gibt es zwei Waffenfabriken. Darum. Das ist ja eigentlich nicht so schön“, sagt die Bibliothekarin.
Nein, das ist es nicht.
Ich habe große Lust auf eine kleine Wanderung auf die Höhen.
„Sie machen jetzt aber keine große Tour und gehen mir verloren.“
„Das hatte ich nicht vor.“
„Nicht dass wir die Bergwacht rufen müssen.“
„Nur eine kleine Runde.“
„Sie krabbeln auch nicht in irgendwelchen Höhlen rum.“
„Oh, hier gibt es Höhlen, in denen man herumkrabbeln kann?“
„Sie werden da nicht reingehen! Versprochen?“
„Versprochen.“
In manchen älteren Damen und in gewissen Männern löse ich einen enormen Beschützerinstinkt aus. Das kenne ich schon.

Tag 4
Beim Frühstück geht die Saftpresse kaputt. Ich glaube mir. Die Bibliothek ist lichtdurchflutet und riecht gut. Später erzählt die nette Bibliothekarin, dass kaum noch jemand kommt. Na so was, denke ich, dabei riecht es hier so gut.
Wir rasen die 40 km zur nächsten Lesung konsequent im 2. Gang dafür mit 5000 Umdrehungen. Ich überlege, ob ich um weniger Geschwindigkeit bitten soll, oder darum, dass sie doch schalten möge. Unbekümmert erklärt sie mir die Gegend. Die älteste Stadt Baden-Württembergs heißt wie ein Hund und hat einen absurd hohen Schlot. „Darin werden Aufzüge getestet“, sagt sie und schaltet endlich. Beinahe stöhne ich vor Erleichterung auf. Dann tritt sie voll durch und mir wird ganz anders. Ich überlege, ob die Fahrstuhlabsturzsimulationen bemannt stattfinden und was es doch für besondere Berufe gibt. Wir geraten nur einmal in echte Lebensgefahr.
Nach der zweiten Lesung sitze ich am Bahnhof, der inmitten des Nirgendwos liegt und nur eine Bushaltestelle ist. Es regnet in Strömen. Ich muss aber nur 40 Minuten warten und werde fast nicht nass. Neben mir hat jemand „FUK AYRENMEN“ an die Wand geschrieben. Ich lese es mehrmals, bis ich es kapiere. Wie blöd, wenn man nicht mal ein ordentliches FUCK zustande bringt.
Zurück durch den Schwarzwald. Die Höllentalbahn ist besonders, das „Himmelreich“ nicht. Ich bin froh, im Zug zu sitzen. Draußen regnet es.
Mir gegenüber studiert ein älterer Herr die Fahrpläne der Züge des Landes. Alle. In der Hand hält er einen Stift. Er schreibt nichts auf, er murmelt die ganze Zeit. Ich wage nicht zu fragen.
Nächster Zug, dann noch einer und noch einer und noch einer.
Abends komme ich irgendwo an. Ich glaube, hier ist es schön. Ich sehe es nicht. Bindfäden ziehen sich zwischen grauem Himmel und dampfender Wiese.

Tag 5
Etwas fliegt gegen das Fenster. Kurz verliere ich mich in der Phantasie, der Prinz stünde unten und würfe kleine Steine. Kennt man ja. Dann packt mich der Schmerz. Tagelang schleppte ich mein Gepäck durch Südbaden, in Züge hinein, Bahnsteige herab, enge Gasthaustreppen hinauf. Meine Schultern sind verrissen. Keine Ahnung wie das heute mit dem Jubeln klappen soll und ob ich Rockstar sein können werde. Das Geräusch am Fenster reisst nicht ab. Ich lunze durch die geklöppelte Gardine. Eine Bachstelze stürzt sich wieder und wieder Brust voran vom Blumenkasten gegen die Scheibe. Himmel, wir sind wirklich viele.
Nach der zweiten Lesung reden wir über Pubertät, ich weiß nicht, wie wir darauf kommen.
„Ich will das nie kriegen“, stöhnt ein Junge. „Das ist schrecklich.“
Wir sind einer Meinung. Alle. Doch plötzlich höre ich mich sagen, wie wichtig auch diese Entwicklungsstufe sei. Trotz allem. Völlig klar, was hier passiert. Ich vermisse meine Kinder unendlich. Mit allem.
„Mein Vater hasst die Pub- … Pub- … na eben das bei meinem Bruder so sehr, dass er Pupsität dazu sagt.“
Die Kinder lachen.
„Na, ein Pups ist sie ja nicht gerade“, sage ich. „Ich würde sie eher Furzität nennen.“
Es dauert einen Moment. Dann lachen die Kinder noch lauter.
Die Bibliothekarin findet später viele Worte des Lobs.
„Danke schön“, sage ich.
Danke Gene, Eltern, Schöpfer, Schicksal. Dass ich Schreiben und Vorlesen kann. Dass ich so mein eigener Mensch sein darf. Dass mich neueste Smartphones, große Fernseher, dicke Autos, schicke Schuhe und teure Kosmetika, all diese Substitute, noch nie interessiert haben.
Von Südwesten prophezeiten sie tagelangen Regen. Ich befinde mich im äußersten südwestlichen Zipfel und sie haben leider recht. Bus, dann Zug, wieder Bus, noch einmal Zug. Scheißkoffer. Dafür erhasche ich einen kurzen Blick auf die Rheinfälle. Wunderbar, kann ich die auch abhaken.
Die Sonne bricht durch. Ich bin nicht nur in der Schulter verrissen, sondern auch in meiner Brust. Wie die durchgeknallte Bachstelze. Habe zugleich unendliche Sehnsucht nach der weiten Welt und nach Zuhause.
Meine letzten Gastgeber sind Eheleute, die privat ein Zimmer vermieteten. Dort drin wohnt allerdings schon jemand. Darum quartieren sie mich in ihr Schlafzimmer ein. Ich habe ein schlechtes Gewissen und frage mich, wo sie wohl schlafen werden. Immerhin sind sie älter als ich.
Ich verdrücke mich in das Örtchen. Es liegt auf einem Felsen und ist eine blitzeblank geputzte Mittelalter-Kulisse. Ich entdecke ein Oma-Café mit Apfelrahmtorte und Aussicht. Die kleinen Dinge eben.

Tag 6
Die letzte Lesung der Tour endet in einer Stunde Fragerunde. Ich habe ein enormes Redebedürfnis, die Fünftklässler stört das nicht. Weil ich das darf, reden wir über blöde Lehrer und bekloppte Schulleiter, aber auch lange über Bücher. Als mir die Bibliothekarin einen Beutel mit Reiseproviant in die Hand drückt, plappere ich wie aufgezogen weiter, weil ich sonst heulen würde.
Plötzlich hämmert es an die Tür. Zwei Polizisten in voller Montur stehen davor. Ich habe solche noch nie als meine Freunde und Helfer wahrgenommen.
„Ist regulär geöffnet?“, fragt der eine.
„Nein, wir hatten gerade eine Lesung für Kinder.“
„Aha. Wann ist denn geöffnet?“
„Um drei.“
„Gut, dann kommen wir um drei wieder.“
„Was wollten die denn?“, frage ich.
„Das haben sie nicht gesagt.
„Vielleicht war ihnen langweilig.“
„Hier in Engen ist ja nichts los. Vielleicht wollten sie ein Buch ausleihen.“
„Bestimmt einen Krimi.“
Wir prusten los.
Ich komme das vierte Mal durch Villingen und muss einen hysterischen Lachanfall unterdrücken. Ich möchte für eine sehr sehr lange Zeit nicht mehr in den Schwarzwald, dessen Tannen auch nur Fichten und Kiefern sind. Zum Glück gibt es ein Klo im Zug. Es ist eine komplizierte Angelegenheit mit vielen Knöpfen. Als sich die elektrische Tür wieder öffnet, platze ich in eine völlig absurde Situation. Zwei ausländische Jugendliche stehen mit erhobenen Händen vor mir. Ein voll bewaffneter Polizist (schon wieder!) mit Einweghandschuhen angetan schaut gerade in die Unterhose des einen. Sie blicken erschreckt in meine Richtung und grinsen ertappt. Alle drei. Neben ihnen liegen einige Geldbörsen am Boden. Auf einer sumpfigen Wiese stehen 19 Störche.
Ich schleppe den Koffer die achtundachtzig Stufen in unsere Bude rauf. Schließe die Tür auf. Von Dankbarkeit erfüllt sinke ich auf die Knie. Vor mir im Teppich sind zwei riesige Brandlöcher. Die waren da vor sechs Tagen noch nicht. Zuhause, endlich zuhause!

Mittwoch, 28. Oktober 2015

Der superbesondere Ort – Völklinger Hütte mit Urban Art

Vorgestern kam ich ganz ergriffen aus dem Kino. Wir hatten den "Marsianer" gesehen und ich wollte mal wieder sofort los, Welten entdecken oder meinetwegen auch Orte auf der unseren. Mir liegt das im Blut, in den Genen, im Herzen oder wo auch immer so etwas herkommt. (Einst dachte ich ja, das wäre etwas sehr menschliches, in uns allen verankertes, heute habe ich verstanden, dass die meisten lieber Fernsehen gucken oder am Computer sitzen. Das ist sehr sehr seltsam). Lesen ist ein wunderbarer Weg, neue Orte zu entdecken, Reisen der noch bessere. Manchmal genügt sogar ein Tag.

Wir besuchten das Unesco Weltkulturerbe Völklingler Hütte. Das ist sowieso eine Reise wert, ach, was sage ich, es ist einer der magischsten Orte, die ich je sah. Momentan und noch bis zum 15. November findet dort die Urban Art Biennale 2015 statt. Besser geht es nicht.

Die Hütte wurde 1873 als Stahlwerk errichtet und gute 110 Jahre später wieder stillgelegt, heute ist sie zum Glück für uns alle Museum mit 7 km langen Wegen durch rostigen Stahl und unheimliche Hallen, zwischen Industrieruinen hindurch, unter und auf Eisenbasiliken entlang und hinauf und mitten ins Paradies hinein. Durch einen unglaublich tollen Zufall (vielleicht der Zeitpunkt am Vormittag unter der Woche?) waren wir ganz allein dort und tiefe Nebel hingen zwischen den Hochöfen. Ich lief den ganzen Weg quasi auf Zehenspitzen vor atemloser Ergriffenheit. Dazwischen dann die Kunst. Mehr geht nicht.

Doch. Mein 14-jähriger Sohn, der sich in diesem Alter befindet, da man ihn schwer begeistern kann, meinte, der Ort sei sehr sehr cool. Noch cooler wäre er allerdings gewesen, wenn wir ihn zufällig mitten im Wald gefunden hätten. Nun ja ...

















Dienstag, 28. Oktober 2014

Unterwegs – Frau Herden auf dem LirumLarumLesefest in Freiburg



Um es mal gleich vorweg zu nehmen: Ich bin ziemlich enttäuscht von den Kulturdamen Freiburgs. Die haben sich nämlich in die hübschen Köpfe gesetzt, niemals denselben Autoren ein zweites Mal zum LirumLarumLesefest einzuladen. Na, toll! Ich war schon da und das solls jetzt gewesen sein?
Es war nämlich schlicht und einfach richtig, richtig schön. Ein Lesefest, das nicht nur die Kinder, denen wir vorlasen, genießen konnten, sondern auch wir Autoren.


Das ging schon mit der perfekten Hotelwahl los. Ich hatte den Eindruck, dass die Stadt Freiburg all die Autoren, die je vorbeikamen, in das charmante Park Hotel Post unterbrachte. Die Zimmer tragen die Namen großer Schriftsteller, das Haus quillt über vor Büchern. Und es gibt dicke Gästebücher, in die man sich trotz liebevoller Aufforderung beinahe nicht getraut, hineinzuschreiben, weil dort schon so viele Menschen des Wortes etwas hinterlassen haben. Zum Teil lustige zum Teil aber auch sehr kluge Dinge. Dass ich auch noch eines meiner Bücher signieren sollte, das nun einen Platz im Buchregal der signierten Bücher der illustren Hotelgäste fand, Himmel, das war mir angesichts der Bücher von Daniel Kehlmann, Marcel Reich Ranicki, Uwe Timm, Paul Maar oder Cornelia Funke beinahe peinlich. Darüber tröstete allerdings der Begrüßungssekt und die stetig gefüllten Schalen mit Schokolade und Obst.



Wie geschrieben, ich bin traurig, dass ich dort wohl nicht so schnell wieder hinkommen werde. Und ich habe noch gar nicht den (freien!) Mittagstisch erwähnt, den wir gemeinsam mit den Kulturdamen und den anwesenden Autoren im Theatercafé einnahmen. Sicher nicht die schlechteste Küche der Stadt, außerdem eine wunderbare Gelegenheit zum gemeinsamen Klönen und Quatschen.


Die fünf Lesungen, die ich in den Tagen gab, haben (wie immer) Spaß gemacht. Vor allem wohl mir. Ich bekam sogar ein schönes Kompliment, ganz unabhängig von meinem Tun.
Denn nach einer der Lesungen und dem anschließenden Quiz mit zwei dritten Klassen ergab sich folgendes Gespräch:
Autorin: "Und hat jemand eine Frage an mich?"
Junge 1: "Ja. Wie ist deine Telefonnummer?"
Autorin: "Öhm..."
Junge 2: "Wie alt bist du?"
Autorin "43."
Klasse: "So alt!"
Junge 3: "Hast du sonst noch irgendwie Familie oder bist du noch alleine?"
Junge 2: "Du siehst aber noch süß aus."







Auch die Stadt Freiburg konnte ich beschauen. Sie gefällt mir. 







Gefallen hat mir auch, dass ich in mehreren Buchhandlungen Displays zum Lesefest entdeckte. So zum Beispiel in der Kinder- und Jugendbuchhandlung Fundevogel in der Marienstraße, dem charmantesten Buchladen Freiburgs übrigens, und in der Buchhandlung Rombach in der Bertholdstraße. Für alle, die das nicht wissen: Das ist nicht immer so. 


Trotz allem Schönen: Einen Wehrmutstropfen gibt es immer auf Lesereisen. Und das ist die große Einsamkeit, die einen nach vollbrachtem Tagewerk, nach lustiger Mittagsgesellschaft und nach einem beschaulichen Spaziergang durch die hübsche Stadt erwartet. Zwei Stunden konnte ich jeweils noch mit Schreiben füllen, bis das Hirn nicht mehr mitdenken wollte. Und dann?
Ich bin niemand, der alleine und im Dunkeln in eine fremde Stadt eintaucht. Weder steht mir der Sinn nach einem Einzeltisch im Restaurant noch nach einem Glas Wein an der Bar irgendeines Clubs. Was also tun? Es bleibt das Hotelzimmerbett und die flimmernde Glotze davor. Das dann gerne auch bis zwei Uhr morgens, weil sich Schlaf in der Fremde so schwer einstellt. Manchmal möchte ich dann ein bisschen in mein Kissen heulen, das ich mir immer von zuhause mitnehme. Aber es hilft ja nichts. Im Gegenteil. Ich bin sogar dankbar, dass ich am nächsten Morgen wieder mit vielen Kindern herumalbern und lachen, dass ich ihnen aus meinem Buch vorlesen und so den Lebensunterhalt für mich und meine Kinder verdienen kann. Und das letztendlich mit meinem Traumberuf. Danke dafür!

Mittwoch, 10. September 2014

Mit Gleichaltrigen unterwegs – Frau Herdens Familien-Surf-Campingurlaub am Atlantik kann nicht mithalten



„Ferienlaaager, Ferienlaaager – wie wunderbaaaaaar ...“, sangen meine Schwester und ich lautstark und mit Inbrunst. Weil wir uns darauf freuten. Denn das DDR-typische Ferienlager war klasse. Wir fuhren jedes Jahr für 17 einmalige Tage der langen Ost-Sommerferien nach Westerhausen in den Harz. Lagen diese 17 Tage am Anfang des Sommers, war auch gegen unseren sehnsüchtig-fröhlichen Gesang nichts einzuwenden. Lagen sie jedoch am Ende der Ferien, bedeutete das, mein Schwesterherz und ich ließen unsere Hymne vom Rücksitz des Trabis erschallen, der uns durch das bulgarische Rila-Gebirge oder die hohe Tatra kutschierte, aus unserem kleinen roten Zelt, das in einer einsamen polnischen Flussaue stand, oder aus den Paddelbooten, die uns die Moldau hinuntertrugen – in einer Zeit also, die meine Eltern ihren Sommerurlaub nannten und den sie lange und liebevoll für die Familie geplant hatten. Aua!

Daran dachte ich, als ich irgendwann in den letzten Wochen eine Tasche für meinen Sohn packte, der in ein Jugendzeltlager an die Ostsee fahren wollte. Ich dachte auch daran, was für ein Vergnügen es für mich gewesen war, meinen Koffer für das Ferienlager selbst zu packen. Oh, welch köstliche Vorfreude! Meine liebe Frau Mama hatte eine Packliste in den Kofferdeckel geklebt, der ich Punkt für Punkt folgte. Der Koffer selbst war aus Echt Vulkanfieber. Das stand auf einem kleinen Schild. Ich wusste nicht, was Vulkanfieber ist, stellte mir aber etwas Unglaubliches vor, das unter größter Gefahr und in mörderischer Hitze auf einer einsamen Ozeaninsel ans Tageslicht gebracht wurde.


Die praktische Reisetasche meines Sohnes packte ich, weil er selbst einfach zuviel Programm hatte. Nach dem Verwandtenbesuch in Dänemark war er sogleich am nächsten Morgen nach Köln zum Videoday, der überraschenderweise zwei Tage und eine halbe Nacht dauerte, aufgebrochen. Davon zurückgekommen bliebe keine Zeit zum Sachenpacken, denn schon am nächsten Morgen in aller Herrgottsfrühe ging es an die Ostsee.

Vielleicht waren das fehlende Taschepacken, die fehlende Muße zur Vorfreude oder auch die Übermüdung daran Schuld, dass mich am ersten Abend des Camps dann verzweifelte Einsatz-Hilferufe per SMS erreichten. Insgesamt waren es zehn. Einer davon lautete: Ich will nach Hause! Ein anderer: Mama????? Mein liebendes Mutterherz machte einen nervösen Satz, Unruhe erfasste mich, die sich in der folgenden Nacht ins Unermessliche steigerte. Himmel, das Kind litt in der kalten Fremde! Am nächsten Tag setzte ich eine mittelgroße Maschinerie in Gang, die viele Leute involviert und sehr viel gekostet haben würde, um meinen Sohn zu retten. Nur seinen abendlichen Telefonanruf wollte ich noch abwarten. Als der nicht kam, rief ich ihn an.
„Wie geht es dir, mein Schatz?“, schrie ich panisch ins Telefon.
„Gut“, antwortete der Sproß knapp. „Aber du kannst mich hier nicht anrufen. Wir haben Nachtruhe.“ Klick.

Ich hörte dann erst wieder etwas von ihm, als er sechs Tage später mit dem Zug aus Hamburg auf dem Heimweg war. Es ging darum, wer ihn vom Bahnhof abholen könnte. Und schließlich – erst tröpfelnd, dann immer ausführlicher –erzählte er vom Jugendlager im nachfolgenden atlantischen Familien-Surf-Campingurlaub. Irgendwann fragte ich mich sogar etwas ärgerlich, wie all diese ultracoolen und superlustigen Erlebnisse in sieben Tage gepasst haben sollen. Dann musste ich grinsen. Ferienlager, eben.

Freitag, 15. August 2014

Smucke Steed – die wunderbare Pension in Glücksburg

Urlaub sollte ja schon am ersten Tag beginnen. Das ist manchmal gar nicht so einfach, zum Beispiel wenn man zwei Tage hinfahren muss in diesen Urlaub im allernördlichsten Zipfel Dänemarks. 






Als mir meine liebe Kollegin Alice Panthermüller, die ja bekanntlich aus Flensburg kommt, die nigelnagelneue Pension "Smucke Steed" in Glücksburg (also auf 2/3. Weg) empfahl, freute ich mich sehr. Ich reservierte flott ein Freundschaftszimmer mit Zustellbett für die Kids und mich.




Ein wenig über Straßenniveau in einem Park liegt die feine alte Villa. Beigefarbene Hortensien weisen den Weg zum Eingang oder direkt auf die romantische Terrasse hinterm Haus. Ein wahrhaft "schöner Ort". Auf einer Wiese unter Bäumen stehen gemütliche Liegen, auf die ich mich sofort niederlassen und schmökern wollte.










Die hohe Eingangshalle begrüsst mit freundlichem, naturnahem, skandinavischem Design: Leinenlampen, Birkenäste, Kissen, Kerzenleuchter, Körbe, Betonschreibtisch passend dazu die Farbkompositionen von Johanna Putensen.
Hinterm Schreibtisch sitzt Sönke Roß ganz leger in Jeans und Shirt und begrüßt uns mit einem verschmitzten Grinsen. Wir fühlen uns sofort sehr wohl.






Unser Zimmer ist genauso schön wie die Halle: großzügig, mit liebevollen Details versehen und mit zwei herrlichen Betten bestückt. Und einem, zwar bequemen, aber eben doch nur Zustellbett. Das gibt einen kurzen Disput, bis uns einfällt, dass wir ja auch auf der Rücktour wieder hier pausieren werden und dann eben das andere Kind im "Königsbett" schlafen darf. Die Königin darf natürlich beide Male.








Die Tochter duscht noch schnell im modernen Bad und ich freue mich über die Seife, auf der genau das steht, was ich jeden Morgen predige.
"Haste gesehen?", frage ich.
Sie grinst nur.




Als es sich die Kids später (nach einem langen abendlichen Spaziergang am direkt um die Ecke liegenden Strand) auf dem Sofa vor dem Fernseher mit Hollunder- und Rhabarber-Limonade gemütlich gemacht haben, sitze ich noch ein Weilchen auf der Terrasse in einem der schönen Bambussessel, schaue über die wilde Wiese unterhalb des Hauses zur Bucht hinüber, sehe den letzten orangefarbenen Strahlen der Sonne zu und trinke ein Glas Rotwein, das ich mir ebenso wie die Biolimo aus dem Kühlschrank neben der Küche genommen habe.






Am nächsten Morgen erwartet uns nicht nur die hübsche charmante Frau Roß, sondern auch ein richtig tolles Frühstück. So eines, das man seinen Freunden servieren würde. Typisch nordisch gibt es vielerlei Arten von Räucherfisch mit Sahnemerettich und Currysoßen, eine wunderbare Käse- und Wurstauswahl, zur Freude der Tochter einen richtig leckeren Avocado-Dipp, Marmeladen, Müsli, Obstsalat aus frischen Früchten, Quark, Brot und Brötchen und natürlich auch Schokoladencreme. Auch Eier aller Arten können wir bei Sönke Roß bestellen, dazu Cappuccino, heiße Schokolade und Milchkaffee.




Wem der Stil des Hauses gefällt, der findet überall im Haus ausgelegte Design- und Architekturbücher und schöne Sitzgelegenheiten, um darinnen zu schmökern.






Ich selbst habe auch mal unter die Zahnputzbecher nach dem Namen geschaut.




Alle weiteren Informationen findet Ihr hier. Vielleicht sollte ich schon mal das Zimmer für den nächsten Sommer buchen. Nicht, dass es sich noch rumspricht, wie wunderbar diese kleine feine Pension ist. Danke, liebe Familie Roß!