Samstag, 24. Januar 2015

Das neue ELTERN Magazin – mein ganz persönlicher Eindruck


Im Frühsommer wurde ich zu einem Kreativworkshop nach Hamburg eingeladen. Die Zeitschrift ELTERN wollte sich in eine ganz neue Richtung entwickeln und war interessiert, wie einige kreative Ladies mit dem neuen Konzept umgehen würden.

Ich muss gestehen, ich hatte die Zeitschrift zuvor noch nie durchgeblättert, nicht einmal im Wartezimmer des Kinderarztes, als ich dort noch Zeiten verbringen musste. Sie hatte mich schlicht nicht interessiert und das lag nicht daran, dass das Magazin ELTERN heißt und ich eine alleinerziehende Mutter bin.

Mama mit jeder Faser meines Herzens bin ich seit der ersten Sekunde, da ich wusste, dass ich ein Kind bekommen würde. Das wird auch nie wieder aufhören.
Ich finde meine Kinder großartig und muss aufpassen, dass ich sie nicht ständig umjubele. Ich mache mir große Sorgen um sie und habe Angst, dass ihnen etwas Schlimmes zustößt. Ich will alles richtig machen und ihnen alles Gute tun und geben, das mir zu tun und zu geben möglich ist.

Doch Mama bin ich nicht ausschließlich. Ich fühle mich wild und lebendig, ich bin neugierig auf die Welt und was das Leben bringt. Am liebsten lache ich und mache großen Blödsinn. Aber ich bin auch jemand, der weint, der sehr sauer werden kann und manchmal verzweifelt ist.
Zu Beginn des Mutterseins studierte ich Architektur, heute schreibe ich Kinderbücher. Ich bin kreativ, interessierte mich für Kunst, Kultur und Naturwissenschaften. Ich liebe das Kochen und das Reisen. Darum sind wir viel unterwegs. Allein in ihrem ersten Lebensjahr war meine Tochter 3 Monate in Sydney, 2 Monate in Kalifornien, viele Wochen in Dänemark und noch viele mehr in Lugano, wo ihre dänische Verwandtschaft lebte.
Ich bin eine Frau, die schon und noch immer die große Liebe sucht, die manchmal neidisch auf die anderen schaute, wenn die sich „schön machten“ und abends zum Tanzen gingen, während ich auf meine Babies aufpasssen musste.
Heute sind meine Kinder Teenager, wir durchkreuzen die aufgewühlten Gewässer der Pubertät. Auch ich bin älter, was mein Spiegel nicht müßig wird, mir jeden Morgen ungefragt ins zerknautschte Gesicht zu schleudern. Ich bin erfahrener und vielleicht auch ein wenig weiser. Aber in mir drinnen, bin ich irgendwie doch noch dieselbe wie vor 17 Jahren.

Die ELTERN hatte nicht in mein Leben gepasst. Das Magazin wollte mir erzählen, wie das alles geht mit dem Elternsein, wie ich zu erziehen hätte, was richtig und was falsch ist und das, wie mir schien, ein wenig von oben herab. Das ließen mich die vorsichtigen Blicke hinein empfinden. Meine Art zu leben, meine Art Mama zu sein, schien in den Augen der gestrengen Eltern-Wächterin allenfalls mangelhaft zu sein. Darum interessierte mich dann auch der Rest des Magazins nicht. Ob ich etwas verpasste, weiß ich nicht, ich vermisste nichts.

Und nun war ich also zu diesem Workshop ins Verlagsgebäude von Grunar+Jahr geladen worden, ich die noch nie ein ganzes ELTERN-Heft durchgeblättert hatte und eigentlich nichts Positives darüber zu sagen wusste. Nicht einmal das Layout oder die allzu sauberen Babyfotos auf dem Cover hatten mir je gefallen.

Der Workshop machte mir sehr großen Spaß. Viele Stunden zerfledderten wir alte Ausgaben und diskutierten darüber, was dieses Heft anders machen sollte und konnte.
Zuerst einmal musste es von seinem belehrenden Podest herunterkommen, sich neben einen aufs Sofa setzen, abends zum Beispiel, wenn man manchmal heulen könnte vor Erschöpfung oder weil alles schief gelaufen war, wie eine Freundin, die einem die Hand hält, tröstet, von irgendwoher eine Schachtel Pralinen zaubert und sagt: „Hey, bei mir war das auch so. Aber ich habe da mal gehört, dass man es vielleicht auch einmal anders probieren könnte. Wollen wir das mal machen?“ Eine Freundin, die selbst Geschichten erzählt, auch die von Unsicherheiten und vom Scheitern. Eine, die mich inspiriert und zum Lächeln bringt, die mit mir das Gefühl teilt, dass die Elternzeit eine großartige, ganz und gar einzigartige Zeit ist. „Genieße diese Zeit“, würde so eine Freundin sagen, „und wenn du dabei mal heulen musst, dann wäre hier ein Taschentuch, sorry, dass das nicht mehr so ganz sauber ist.“


Nun liegt sie also am Kiosk, die ganz neue ELTERN. Ich habe sie mir heute angeschaut. 
Ja, dachte ich, ja. Das Magazin ist auf dem richtigen Weg, auf einem mutigen, authentischen und lebendigen Weg, der mir sehr gut gefällt. 
Na, klar, sie ist nicht allein für eine Frau Herden gemacht. Auch vielen anderen soll sie gefallen. Und das nicht nur den Müttern, sondern auch den Vätern.

Ich bin mir sicher, wenn ich die folgenden Ausgaben zukünftig bei jemandem auf dem Sofa liegen sehe, dann werde ich mich dazu setzen, vielleicht mit einer Tasse Kaffee oder einem Glas Wein, und ich werde mehr als nur einen Blick hineinwerfen. Auch wenn ich nun der Zielgruppe quasi entwachsen bin, denke ich doch unheimlich gern an die Zeit mit meinen kleinen Kindern zurück. Die neue ELTERN hätte mich dabei vielleicht begleiten können.


Im Workshop war es eine Aufgabe, in zwei Minuten etwas zu zeichnen, das ein feines Magazin darstellt. Während die anderen Mädels Symbole wie Herzen, Wirbel und Bängs zeichneten, hatte ich vielleicht etwas falsch verstanden und skizzierte mit fliegendem Stift eine Mama im Kleid, mit zerzausten Haaren und mit Gummistiefeln angetan, knöcheltief im stinkenden Sumpf, aber von Ballons gehalten und mit einem breiten Lächeln. Denn so ist das Leben, immer ambivalent. Das macht es ja so wunderbar und aufregend. Scheinbar gefiel meine Skizze nicht nur mir, denn ich entdeckte sie auf der ersten Seite.


Das Inhaltsverzeichnis wirkt etwas verspielt, ist aber klar und macht es leicht, schnell die unterschiedlichen Aspekte des Magazins zu erfassen und zu finden.


Interessante Artikel mit kreativen Illustrationen. Hier das Titelthema "Stress lass nach!" (Auch im Heft: Reportagen, Interviews und Kolumne.)


Optisch und haptisch ein ganz eigener Part ist die Spielwiese mit kreativen Spiel-, Ausflugs-, Bastelideen, Wort- und Handspielereien und Lesetipps.



Ein ähnlich aufbereiteter klar erkennbarer und in sich geschlossener Teil ist "Wissen Sie was?", alles was man schon immer mal wissen wollte und auch einiges, das nicht, das aber trotzdem interessant ist ...



... und tatsächlich auch etwas, das man nicht zu fragen gewagt hatte.


Die Väter kommen zu Wort und werden sich hier finden können. Immerhin gibt es immer mehr, die stattdessen zu Hause bleiben.


Eine sehr feine Idee: Gerichte für groß, klein und mini aus denselben Zutaten.


Unterwegs mit Kindern. Reisen muss sein, damit das Herz groß und die Seele weit wird (und bleibt).


Mittwoch, 14. Januar 2015

Verlieben Sie sich mal wieder!


Letztens lag ein Artikel auf meinem Bildschirm, der mir erzählen wollte, warum ich mich mal wieder verlieben sollte.
Also echt! Wem muss man denn zehn Argumente aufführen, damit er mal wieder Lust darauf bekommt? Mir nicht. Darum las ich diesen Artikel auch nicht.

Ich finde einen hypernervösen Puls, einen zusammengeknoteten Magen und einen permanenten in Wellen an- und absteigenden Schwindel einfach wunderbar. Ich mag es, wenn nichts mehr funktioniert, weil mein Gehirn und die klugen Gedanken darin irgendwo sind nur nicht in meinem Kopf. Nie fühle ich mich lebendiger, nie schöner, nie wunderbarer. Das Leben scheint ein Klax und wild und aufregend. Und die Zukunft, ach, wer braucht denn so was in solchen Zeiten?

Ich wäre bereit, allein es fehlt der andere. Auch wenn ich das eigentlich nicht so richtig verstehe, hat das sicher seine Gründe. Einer könnte sein, dass ich nicht so gerne unter Leute gehe. Zumindest ergibt sich da nicht so oft die Gelegenheit. Manchmal bin ich müde, manchmal ist gar nichts los im Heimatstädtchen, manchmal regnet es, manchmal kommt ein netter Film im Fernsehen. Gehe ich doch einmal hinaus, dann meistens in Begleitung meines besten Freundes. Wäre dieser schwul, würden wir vielleicht gemeinsam nach Männern Ausschau halten. Da er das nicht ist, unterhalten wir uns und lachen zusammen. Wahrscheinlich wissen die meisten gar nicht, dass wir beste Freunde sind.

Der Alltag selbst bietet mir nicht ganz so viele Gelegenheiten eines fremden Mannes auch nur einmal ansichtig zu werden. Viele Paare sollen sich ja beruflich gefunden haben. Die Kinderbuchbranche ist allerdings fest in weiblicher Hand. Und hier in der Bude, mein Lebens- und Arbeitsmittelpunkt, hält sich auch niemand auf. Ich habe zur Sicherheit noch mal in alle Ecken geschaut, auch in die eher uneinsichtigen, da war aber keiner, der hier mal verloren ging. Manchmal klingelt der Postbote. Er ist sehr nett, ich möchte aber trotzdem nicht, dass er es zweimal täte. Alle anderen scheinen verheiratet. Ich finde das etwas seltsam, weil die Statistiken ja eigentlich anderes aussagen.

Irgendwo las ich dann doch einmal, dass die besten Orte des Kennenlernens das Fitnessstudio und der Supermarkt samstags gegen 16 Uhr seien. In einem Fitnessstudio halte ich mich eigentlich nie auf. (Der Satz stimmt auch ohne das eigentlich.) Einmal war ich zufällig samstags gegen 16 Uhr im Supermarkt. Nein, nein, nein, der Autor des Ratschlags kann nicht diesen gemeint haben. Außerdem gehe ich auch nicht gerne Einkaufen. Das Überangebot und das fahle Neonlicht verursachen mir Seh- und Balanceprobleme. Menschen, die mich im Supermarkt antreffen, vermittle ich wahrscheinlich das Gefühl schwer krank, psychisch labil oder doch wenigstens irgendwie wunderlich zu sein. Ich glaube nicht, dass ich mich in jemanden verlieben könnte, der so etwas attraktiv fände.
Manchmal versuche ich mich in einen Schauspieler zu verlieben, quasi um nicht aus der Übung zu kommen und ein bisschen aus Verzweiflung. Momentan habe ich ein Techtelmechtel mit Matthew Mcconaughey. Nun ja.

Ein anderer Artikel wollte mir gleich im Anschluss zehn Gründe nennen, warum es mit dem Verlieben gar nicht klappen kann. Nicht dass jemand bei der Lektüre des ersten Textes etwas übermütig geworden wäre. Beinahe hätte ich den gelesen. Dabei wäre das reine Zeitverschwendung gewesen.

Meinen Grund nannte ich bereits, und die anderen, die mir da eingeredet werden sollen, ahne ich. An vorderster Stelle: Sie sind zu anspruchsvoll! Ha! Ich frage mich ja schon hin und wieder, wer solche Artikel verfasst. Mir fallen da nur zwei Typen ein: entweder ein Mann mit schütterem Haar und gedrungener Statur oder eine vom Leben und der Liebe enttäuschte Frau, die sich nicht traut, daran etwas zu ändern, aber nicht müde wird, darüber zu meckern und hin und wieder resigniert zu seufzen.
Denn was hier als zu hoher Anspruch bezeichnet wird, nenne ich: Ich weiß jetzt endlich, was ich will! Und das möchte ich mir auch nicht nehmen lassen. Immerhin dauerte es verdammt lange, bis ich es wusste. Und diese Zeit des Lernens war nicht nur lange, sondern auch sehr schmerzvoll. Denn ich habe mir dieses Wissen nicht durch Beobachten und Nachdenken erarbeitet, sondern empirisch, mit Leib und Seele im Leben und Lieben, mit allem, was dazu gehört. Allerdings ohne Beobachten, Nachdenken oder vorherigem Prüfen. Es ist also ein mit Schmerzen geborenes Wissen, dem ich auf keinen Fall den Namen Hoher Anspruch geben werde. Schon gar nicht mit einem Zu davor.

Ich weiß, dass in solchen Artikeln auch dazu geraten wird, sich einmal selbst zu betrachten. Alles klar, das mache ich gerne. Ich mag eigentlich, was ich da im Spiegel sehe. Endlich, möchte ich sagen. Die Jahre des Zweifelns – erstaunlicherwiese waren das ja exakt die, in denen es überhaupt gar nichts zu Zweifeln gegeben hätte, wie ich heute auf Fotos erkennen muss – sind beinahe vorbei. Klar sehe ich, dass mein inneres Alter (25) und mein äußeres Erscheinungsbild (43) nicht mehr so richtig deckungsgleich sind. Das gefällt mir auch nicht. Aber ich erkenne noch ganz deutlich das Potential. Darum habe ich wieder mit dem Joggen angefangen, quäle mich tagsüber durch zwei Wasserflaschen hindurch, lege mich manchmal vor zehn zum Schlafe nieder – davon möchte ich aber vehement abraten, jeder weiß, dass so etwas völlig kontraproduktiv ist und allzu oft in mitternächtlichem Wehklagen und einer Flasche Verzweiflungswein in den frühen Morgenstunden endet – und denke an ganz viele positive Sachen. Matthew Mcconaughey zum Beispiel.

Nein, nein, nein – ich brauche keine Argumente für das Verlieben noch Fremdgründe, warum es nicht klappt. Aber vielleicht einen Fremden.

Mittwoch, 7. Januar 2015

Mehr Glamour – der alljährlich scheiternde Versuch


Vorgestern schrieb ich im Facebook über meinen ersten 2015er Jogginganlauf. Darin erwähnte ich auch meine schlabbrige Jogginghose, die ich dabei trug. Die hatte ich bewusst gewählt. Zum Ersten hält die ein wenig warm und war auch gerade sauber, außerdem besitze ich keine Lauffunktionskleidung. Ich laufe nämlich weder besonders oft noch sehr weit. Selbst als wir uns vor ettlichen Jahren kilometer- und stundenlang durch die heimischen Wälder quälten, trug ich eine Jogginghose dieser Art. (Vielleicht gab es damals aber auch noch keine Lauffunktionskleidung für Jedermann, das weiß ich nicht mehr.)
Jedenfalls kommentierte ein lieber Kollege, dass ich im beschriebenen Outfit auch zu einer Lesung hätte unterwegs gewesen sein können. Beweise der Richtigkeit dieses Kommentars sind die unzähligen Lesebilder, die ich im letzten Jahr veröffentlichte. Eigentlich um das Vorlesen populär zu machen und dem Ganzen mehr Glamour zu verleihen.
In der Jogginghose?, mag der eine oder die andere zu recht fragen.

Darum also der große Plan: Mehr Glamour! Mae West sagte einmal: „Wie Nächstenliebe sollte auch Glamour in den eigenen vier Wänden beginnen." Also räumte ich zuallererst unsere Bude auf.
“Und? Was sagt ihr?”, fragte ich den gemütlich flegelnden Nachwuchs erwartungsvoll erregt.
“Wozu?”, kam die gleichgültige Antwort.
“Na, zu der supertoll aufgeräumten Wohnung, in die der Glamour nun einziehen wird!”
“Ach, du hast aufgeräumt?” Und nach einem lässigen Blick durchs Ambiente: “Toll.”
Als die beiden etwas später irgendwoanders hingegangen waren, hatten sie auch das glamourbereite Aufgeräumte mitgenommen und etwas dagelassen, das mir ein leicht verzweifeltes Stöhnen entlockte. Ich zog die Jogginghose an und räumte es wieder weg.

Für den Glamour am Leibe hatte ich mir drei Kleider gekauft. Zumindest schon einmal das. Die lagen allerdings noch unanprobiert etwas traurig herum, während ich die Jogginghose nicht nur zum Laufen und Aufräumen trug. Dabei hatte ich unter dem Kommentar des lieben Kollegen mit diesen neuen Kleidern sogar schon angegeben.
Nach dem Aufräumen schlüpfte ich also probeweise hinein. Doch dann legte ich sie schnell in die Einkaufstasche zurück. Eines war kein bisschen glamourös, eines hatte ein sehr auftragendes Muster und eines sah an den Schultern irgendwie komisch aus. Das musste ich mir trotz hoffnungsvollem Gezupfes schließlich eingestehen.

Außerdem drang ganz deutlich ein Lachen vom Sofa. Da saß doch noch jemand, hatte sich ungesehen in die Kissenlandschaft gemorpht und zockte irgendwas auf dem Smartphone. Das Lachen tat mir weh. Denn der, der dort saß, war eigentlich jemand grundsätzlich Wohlwollendes, zumindest von mir und meiner guten Laune Abhängiges, wollte von mir versorgt und gepflegt werden und war mein eigen Fleisch und Blut.
„Hast du etwa gerade gelacht? Über mich?“
„Nein, warum sollte ich?“
„Vielleicht wegen der Kleider.“
„Quatsch. Aber vielleicht sind die ein bisschen eng.“
„Eng?“ Also, das war mir gar nicht aufgefallen. „Hey, ich habe sieben Kilo abgenommen!“
„Echt? Das sieht man gar nicht.“
„Vielleicht weil der Zeitraum von fünf Monaten etwas lang war und du mich jeden Tag siehst“, fauchte ich.
„Mama, beruhig dich mal. Ich fand dich vorher doch auch nicht zu dick.“ Dann stand er auf und kam auf mich zu. „Ich glaube, du brauchst jetzt mal eine Umarmung.“ Nicht mehr lange und er wird größer sein als ich. Seltsam. “Mama, ehrlich, du siehst toll aus. Egal was du anhast.“
Glamour funktioniert irgendwie anders, aber die Nächstenliebe ist hier in der Bude ganz groß.

Sonntag, 4. Januar 2015

Lebensweisheiten über der Modale – Frau Herden und Khalil Gibran


Wer bekommt ihn nicht, diesen Drang zum neuen Jahr die Bude zu lüften und ein wenig aufzuräumen? Mir fiel dabei dieses Bild in die Hände. Das hatte ich einst über die Wickelkommode gehängt.
Die stand erst in einer Sousterrain-Wohnung von 33 qm, die ich mir mit dem nigelnagelneuen Töchterchen teilte, später in einem kleinen Häuschen am Rande und dann in einer Altbauwohnung inmitten der Stadt wo sie nun dem Ablegen des Söhnchens beim Säubern diente.
Inzwischen sind wir vier (Töchterchen, Söhnchen, die Kommode und ich) noch zweimal umgezogen.

Mir gefiel die kleine (ja, was ist es eigentlich? Ein Rat? Ein Gedicht?) Lebensweisheit des libanesischen Philosophen Khalil Gibran sehr, darum hatte ich sie aufgeschrieben und gerahmt. Damals wusste ich noch nicht, dass es manchmal sehr schwer sein würde, sich als Mama daran zu halten.

Als die Wickelkommode wieder nur noch Kommode war (Weichholz, Ende 19. Jahrhundert, von mir damals 16-Jährigen gekauft und in stundenlanger Arbeit nach der Schule von drei Farbschichten befreit, geschliffen und gewachst), war das kleine Bild untergetaucht oder verschollen, irgendwo im herumgeschleppten Hab und Gut.

Als ich es gestern wieder in Händen hielt, musste ich lächeln. Heute sind die Kinder beinahe groß und ich bin Kinderbuchautorin geworden, damals vor 17 Jahren nicht einmal ein Traum von mir.
Als Mutter sollte ich dem Gedicht nach meinen Kindern Liebe geben, aber nicht meine Gedanken. Das wollte mir nicht immer gut gelingen und ich haderte mit Herrn Gibran.
Auch heute, als Kinderbuchautorin, erzähle ich nicht nur Geschichten, sondern vermittle und präsentiere in diesen Geschichten auch meine Gedanken, und das dort, im Haus von Morgen, und nicht nur in meinen Träumen.
Darüber muss ich noch ein wenig nachdenken.

Die alte Kommode haben wir übrigens immer noch. Sie steht im Flur und birgt Beutel, Taschen, Mützen und noch nie getragene Schals und Handschuhe.

Vor langer Zeit, der Sohn war noch ein Söhnchen und wir waren einmal weniger umgezogen, lag etwas darauf, von dem das Kind wollte, dass ich es holen würde.
"Wo ist es denn?", fragte ich.
"Auf der Modale."
"Ähm, wo bitte?"
"Na, auf der Modale!"
Ich bekam einen sehr ärgerlichen Blick zugeworfen, der sagte: Was soll deine unsinnige Fragerei?! Doch ich hatte nicht die geringste Ahnung, wovon mein Söhnchen sprach.
"Schatz, ich hole es dir gerne, aber bitte, wo ist es?"
"AUF DER MODALE!", schrie der kleine Schatz.
"Was ist eine Modale?", fragte ich leise.
"NA, DIE MODALE! IM FLUR! DIE MODAA... NEE, DIE AMODEL! MAMA! DU WEISST DOCH, WAS ICH MEINE!"
Nein, das tat ich nicht, aber ich beobachtete fasziniert mein Kind, dass so wütend wurde, weil ich nicht kapierte, was es meinte.
"DIE AMODEL! MAMA! DIE ... DIE ... DIE WICKELAMODEL!!!"
Da fiel bei mir endlich der Groschen.

Meine Freundin Manuela Olten hat übrigens genau über diese Wut, wenn die Eltern ihr Kind nicht sofort verstehen, ein wunderbares Bilderbuch gemacht. Mama?