Donnerstag, 4. November 2010

Eintagsladenprotagonistin - Antje Herden


Erstaunlich, dass die Dinge nicht immer so laufen, wie man sie sich dachte. Könnte doch alles so einfach sein.
Wenn am Ende des Konzerts die Sängerin alle Bandmitglieder vorstellt, rennt der Schlagzeuger doch auch nicht schnell auf die Toilette. Der muss doch die Sängerin vorstellen, das macht sie doch nicht selber.
Ihr merkt, mein Morgen beginnt mit dem Üben in Verständnis. Denn Ihr könnt zählen. 19 Eintagsladenprotagonisten müssten es sein. Und in echt sind wir sogar 21! Wer weiß, warum es einigen nicht gelang, die Fragen zu beantworten. Vielleicht waren die zu intim, vielleicht fanden sie die ganze Idee doof, vielleicht ist einfach keine Zeit für so etwas.
Darum also heute ich. Zum Schluss.




Ihr seht schon, es wird Text lastig - aber ich bin ja auch Schriftstellerin. Natürlich stelle ich mir meine Fragen nicht selber, ist ja albern. Nein, ich bat die anderen um Fragen an mich.

Franziska fragte:
Wie kamst du auf die Idee den Eintagsladen zu organisieren?

Da muss ich mal ein bisschen ausholen. Vor vielen Jahren lebte ich in Kalifornien und begann Schmuck herzustellen, aus allem, was ich so fand. Wieder hier, hörte ich damit nicht auf. Im Gegenteil, ich verlor mich ein bisschen darin. Irgendwann hatten alle Freunde und Familienmitglieder etwas von mir und fragten auch nicht nach etwas Neuem. Also musste ich die Sachen wohl irgendwie verkaufen. Ich besuchte die üblichen Kunsthandwerkermärkte und verstand ganz schnell: Das ist nicht meine Welt. Durch das Bloggen erfuhr ich von den unglaublich tollen Craft Fairs, die überall in Amerika stattfinden. So etwas wollte ich auch machen. Nun ja ... mit einer Bekannten organisierte ich den Dreitageladen im Niederfeld 8, der auch dieses Jahr wieder stattfinden wird. Und dann trat die Centralstation in Form meiner Freundin Meike an mich heran. Et voilá ...

Jens von den Darmstädter Illustratoren fragt:
"Rauschmittel" ist so ein super Name. Kompliment! Er gefällt mir ausserordentlich gut!
Aber, wie kommst Du darauf, hat er eine tiefere Bedeutung, gibt es eine Geschichte dazu?
Was sind - ausser Farbrausch - Deine Drogen?

Der Name ist bei einem brain mit zwei Freunden entstanden. Wir saßen im Treppenhaus zusammen, versorgt mit den üblichen Stimulanzien und suchten einen Namen für meine Sachen. Um es besser zu erklären (ich erkläre furchtbar gerne), sagte ich: "Wisst ihr, der Name muss einfach zeigen, dass man in einen Rausch gerät, wenn man meine Sachen besitzt." "Rauschmittel", schrien wir dann alle drei auf einmal.
Meine echte und wahre Droge ist die Liebe: zu meinem Freund, zu meinen Kindern, zu meinen Freunden, zu meiner Familie ... und zu mir selber: meinen Träumen, meiner Fantasie, meiner Kreativität ... Meine Droge ist mein Leben, das ich so führe, wie ich es möchte, auch wenn es mich zu finanzieller Armut verdammt (Achtung, das ist in unseren Breiten natürlich Jammern auf hohem Niveau) und ich keine Altersvorsorge oder irgendeine kluge Versicherung habe.

Hier die Frage aus dem shoesenkel-Team:
Was ist dein von dir hergestelltes Lieblingsprodukt? (Bild)

Momentan das hier: mein Töchterchen hatte die Idee, ich habe sie umgesetzt und mein Freund fand die passenden Worte - ein echtes Familienstück




Welche drei Produkte von den Eintagesladen-Ausstellern würdest Du auf eine einsame Insel mitnehmen und warum?

*ein Kleid von Katja (das trüge ich dann auch noch, wenn ich wieder zurück wäre, so eines hätte ich sowieso schon ewig gern, die einsame Insel wäre also nur ein vorgeschobenes Argument)
* Eure Schnürsenkel (man könnte sie als Wäscheleine benutzen; oder als Band, um gesammeltes Holz zusammenbinden und so besser tragen zu können; man könnte Muscheln und Steine mit Loch auffädeln und eine Kette draus machen, falls doch mal einer vorbei käme)
* die Wendesattelmütze von Dagmar (natürlich nicht für einen Fahrradsattel, auf der einsamen Insel hätte ich ja gar kein Fahrrad, aber sie erscheint mir auch ohne Fahrrad so ungemein praktisch, als Haube zum Beispiel, wenn es regnet oder man einen bad hair day hat, als kleinen Sammelbeutel für Strandgut, man könnte auch angefangene Nahrungsmittel damit etwas abdichten, zum Schutz vor Insekten, mir fiele sicher noch einiges ein)

Tanya fragt:
Huhu Antje, hier meine Frage an Dich: Was wolltest Du als Kind werden?

Erst Winnetou dann Tiefseetaucherin / Haiforscherin und dann Ärztin. Aber nur so lange, bis ich mal mit meinem Vater über das Gelände der Medizinischen Akademie in Magdeburg schlenderte (wir waren da oft, er leitete dort das Labor) und er mir erklärte, was im Keller der Pathologie lag.

Und Franzi fragt:
Verbringst du mehr Zeit mit dem Schreiben oder mit Deinen Rauschmitteln?

Eigentlich mit dem Schreiben. Da versuche ich ganz diszipliniert zu sein und mich jeden Tag sobald die Kids aus dem Haus sind an den Schreibtisch zu setzen und erst wieder aufzustehen, wenn sie wiederkommen. Ist nicht gut für den Rücken. Aber jeden Tag in meine eigenen Geschichten abzutauchen, fühlt sich prima an. Man verlässt so ein bisschen den eigenen Körper.

Wenn jedoch Veranstaltungen wie der Eintagsladen anstehen, dann dreht sich tage- manchmal wochenlang alles nur um die Rauschmittel, die Wohnung sieht aus, als wäre das Chaos hier in die Lehre gegangen und meine Mitmenschen brauchen viel Geduld.

Ihr Lieben, so weit so gut. Ich danke Euch. Wir sehen uns alle am Sonntag in der Centralstation.



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