Mittwoch, 11. Juni 2014

Am Marterpfahl – Frau Herden organisiert den perfekten Kindergeburtstag


Zum Mittwoch meine persönliche Kolumne. Heute wieder ein Text, den ich im letzten Jahr für das Familienmagazin Fratz schrieb: Indianergeburtstag.


„Das wird toll!“, jubelte das Söhnchen. "Stimmt doch Mama, oder?"
Der seltsame Druck in meiner Brust nahm zu. Es ging um den Indianergeburtstag in einigen Wochen. Der musste einfach viel, viel besser werden als die Fantasyparty mit Zauberer, Vampirangriff und echtem Drachen letztens bei Levin. 
Mindestens.

Ich nutzte die wenige verbleibende Zeit sinnvoll. Ich recherchierte spannende Indianerspiele und wilde Stammesrituale, kochte Bärenpfoteneintöpfe (nach Karl May ja das Leckerste überhaupt) zur Probe und bestellte eine riesige Pinata in Mexiko, ich bastelte einen lebensgroßen Pappmacheé-Büffel, bog Bögen, schnitzte unzählige gefiederte Pfeile und wickelte einen original indianischen Fußball aus unzähligen Stoffbändern.
„Mama, wir Jungs basteln doch nicht“, sagte das Söhnchen. Also packte ich die vorbereiteten 10 Kreativ-Sets wieder aus und fertigte daraus selbst noch schnell 10 bemalte Lederbeutel und 10 Krallenketten. Außerdem drechselte ich für jede kleine Rothaut ein Kriegsbeil, während der vor sich hin schmurgelnde Eintopf seinen penetranten Duft nach Wildem Westen verbreitete.

Am Tag der Tage wollte ich mich eigentlich für eine lange Zeit in die Einöde der Prärie zurückziehen, um zu ruhen. Doch dann kamen die Blutsbrüder. Mit wildem Gebrüll zog der Tross in den Park ein. Am vorbereiteten Plätzchen erkletterte einer der Schwarzfüssigen sofort die luftige Höhe einer Laterne, während die anderen mit Pfeilen um sich schossen. 
Mein Mahnen wurde von den Wilden überhört, geknebelt und an den Marterpfahl gefesselt gab ich wohl keine überzeugende Figur ab. 
Ein grober Kerl mit buntem Kopfschmuck begann aus unerfindlichen Gründen zu schreien und wurde kurzerhand von der Meute mit dem original indianischen Fußball ins weite Land Manitus geschossen. Ich wollte helfen, doch mir waren die Hände gebunden. 
Pfeile surrten an mir vorbei. Aus den umliegenden Gebüschen fiepte und röchelte es. Erst als die rauen Kerle die Pinata nicht aufgeschlagen bekamen, band man mich los. 
Unter dem entsetzten Aufstöhnen aus 10 verschmierten Schokomündern schlug ich mit dem Stock wie ein Berserker auf das bunte Krepplama ein. Hinter mir begannen ein paar kleine Stimmchen zu weinen.
Auf dem Heimweg zum Bäreneintopf kamen wir an einem Burgerladen vorbei. Ungünstigerweise erinnerten sich die nur beinahe müden Krieger ihrer Holzbeile. Mit Kriegsgeheul enterte der Stamm die fettigen Räumlichkeiten, bedrohte die Bedienung und forderte Nahrung. Ergeben bezahlte ich. Auch die zerschlagene Vitrine mit billigem Plastikspielzeug.

Als endlich alle kleinen Indianer in ihre eigenen Wigwams zurückgekehrt waren, sank ich erschöpft danieder und genehmigte mir einen großen Schluck Feuerwasser. 
„Mama, das war der tollste Geburtstag der Welt“, schwärmte das Söhnchen. 

Auweia, den gilt es im nächsten Jahr zu toppen.

Wer lieber wandern geht, mag zuvor vielleicht die letzte Mittwochs-Kolumne lesen.

3 Kommentare:

  1. Wunderbar! Ich freue mich schon auf den nächsten Geburtstag :-)
    Herzliche Grüße
    Sabine

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  2. Großartig! Ich würde gern von Dir adoptiert werden :D

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  3. Also echt... so was lässt uns Allerweltsmütter echt blöd dastehen ;-)

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