Alle wollen glücklich sein. Ich auch. Aber weiß ich
eigentlich, was Glück für mich ganz persönlich wäre? Ich höre immer wieder,
dass man Ziele und Wünsche genau definieren soll, sie aufschreiben und
visualiseren muss, damit sie überhaupt wahr werden können. Beim großen Glück
bin ich seltsamerweise etwas lax.
Es passieren Momente, da kribbelt es in meinen Füßen und ich
denke: „Hopsala, bin ich aber gerade verdammt glücklich!“ Spüren! Drin
schwelgen! Festhalten! Na, und dann klingelt das Telefon oder mir fällt
irgendwas runter, meistens etwas mit was drin, und das muss ich dann erst mal
schnell aufwischen und so beim Wischen auf dem Boden knieend fällt mir direkt
ein, dass ich ja noch dieses oder jenes machen muss.
Also, was und wie genau meine ich das, wenn ich denke, ich
wäre so gerne glücklich? Welche Augenblicke sind das, in denen ich mich
wirklich, wirklich glücklich fühlen würde? Erinnere ich noch das Gefühl schon
gelebter Glücksmomente? Ich bin 43 Jahre alt. Es hat einige gegeben. Und ich
meine nicht die kleinen, die hoffentlich alltäglichen, wie bunte Käfer
beobachten oder in einen Schokotrüffel ohne Alkohol zu beißen, sondern die ganz
ganz großen. Als das Glück allumfassend war. Einfach so. Ohne dass man zu
jemandem Ja sagte oder ein Kind ins Leben presste. Hatte ich alles. Je zwei
Mal. Da erwartet jeder, dass das nun das ganz große Glück sein muss. Man selbst
natürlich auch. Die Ehen scheiterten, die Kinder sind mir unendliche Freud und manchmal
auch Leid. Aber bald werden sie in ihr Leben hin- und von mir fortgehen. Und noch
immer träume ich vom großen Glück. Von diesen Momenten, die einen ohne Maßen pathetisch
und euphorisch sein lassen, in denen man die ganze Welt umarmen möchte, glaubt,
alles, alles sei gut und diese irre Gewissheit hat, irgendwie kapiert worden
oder womöglich angekommen zu sein.
Da gab es so einen Augenblick an einem sonnigen Tag vor 17
Jahren, den ich so genau erinnere, als wäre er gestern gewesen. Wir lagen
draußen im Line up neben dem Pier in Ocean Beach, San Diego, auf unseren
Surfbrettern. Die Sonne glitzerte wie verrückt im Wasser, weil es später
Nachmittag war. Und dann kam die perfekte Welle, auf der quasi mein Name
geschrieben stand. Ich wendete mein Board, padelte, spürte wie mein Brett
hinten angehoben wurde und sprang auf die Füße. In dem Moment rief ein Freund:
„Yes!!! Misses Olsen!!! Go for it!!!“. Und ich ritt vor Freude kreischend die
Welle hinunter. Zwei Tage zuvor hatte ich einen Mister Olsen in Las Vegas
geehelicht. Das Ganze hielt nicht lange. Aber diesen Moment (ohne ihn) werde
ich nie niemals vergessen.
Ohne lange zu fackeln, habe ich mir mal 10 solcher besonderen
Momente überlegt, die ich gerne erleben möchte. Klar, schon im Augenblick da
ich sie aufschreibe, fühle ich mich von Glückserweiterungen und -ergänzungen
überrollt. Es gäbe so viele mehr. Trotzdem hier mal zehn spontane, ganz
persönliche und wahrhaftige Glückssituationen, mit denen von mir aus gleich
losgelegt werden könnte. Nun, Punkt 10 kann ruhig noch eine Weile warten und Gesundheit,
Friede, Freude und Eierkuchen für alle und das alltägliche Kleine seien mal
vorausgesetzt.
* einfach losfahren, immer nach Westen und dann über die
Wasser und wieder nach Westen und wir wüssten, es wird sehr lange dauern, bis
wir wieder zurück kommen, wenn überhaupt
* das „wir“ im vorherigen Glücksmoment
* morgens in ein Betttuch gewickelt und mit einer Tasse Kaffee
mit Haselnusssirup in der Hand barfuß auf die schon sonnenwarmen Holzdielen treten,
die in den Garten hinausführen und nach den Blüten schauen, die sich neu geöffnet
haben (ach, ja: und hinter dem Garten rauscht die Brandung und dann steht da
noch der Frühstückstisch mit Avocado, Senfsoße, pochiertem Ei und knusprig
geröstetem Weißbrot)
* die perfekte Welle noch einmal, es darf dann auch Frau
Herden heißen und es muss keine Hochzeit vorangegangen sein
* wenn auf die Frage eines Jungen nach einer Lesung, wie
viele Bücher ich schon veröffentlicht hätte, ein anderer „Na, 20!“ riefe
* wenn mich die Journalistin fragen würde, ob ich mir meinen
Kurt genauso vorgestellt habe, wie er nun auf der Leinwand zu sehen sei, und
ich sagte: „Ja.“
* diese Sekunde, wenn sich einem einer entgegenbeugt, mit
weichen Lippen und man weiß, er wird mich gleich das erste Mal küssen
* na gut: hemmungsloses Knutschen mit einem, der gut riecht
und andeutete, dass er einen wirklich kennenlernen möchte
* das Gefühl, irgendeine echte körperliche Herausforderung
gemeistert zu haben, sich vielleicht durch den Dschungel von Belize kämpfte,
auf einer einsamen Insel klarkam, einen Triathlon schaffte oder doch noch
Skateboard fahren lernte
* und auch: wenn mich eines Tages zwei oder gern auch mehrere
kleine Menschlein, die nach Keksen duften, aus den Augen meiner Kinder anschauten
(Okay: Und wenn mir diese eine tolle Hose wieder passen
würde, in der ich immer dachte, alles ist gut. Falls aber all die
vorangegangenen Punkte sich auch erfüllen, ohne dass mir diese Hose wieder
passen würde, dann entfällt dieser letzte, dieser elfte und überhaupt nicht
gefragte Punkt als völlig irrelevant.)
Ach was soll ich schreiben ... es war mir eine große Freude, diesen Beitrag zu lesen! Ich werde mir mal Gedanken zu meinem ganz eigenen Glück machen. Danke Antje :-)
AntwortenLöschenJa, richtige Glücksmomente sind selten. Einer erinnert mich aber immer noch: Vor ca. 20 Jahren war ich mit einer Gruppe Freunden segeln im Mittelmeer. Ich lag an Bord der Yacht und schaute in den Himmel. Weisse Yacht, blauer Himmel, glitzerndes Meer - und wir hörten ganz laut Nessun Dorma. Ein wunderwunderschöner Moment. Seufz :)
AntwortenLöschenschön...belebend, deinen glückswünschen nachzuhängen,liebe antje. heute kam dein buch an - auch ein glücklicher moment beim nach hause kommen für mich:) wenn ich nachdenke, dann fällts mir schwer, mir was bestimmtes zu wünschen - eher verdamme ich, was ich nicht (mehr) erleben möchte...
AntwortenLöschensei herzlichst gegrüßt von birgit