Samstag, 11. Februar 2017

Die Mutter-Kolumne – Ordnung muss sein! Egal wie

Kennt Ihr den Papalagi? Das bist Du, das seid Ihr und wir und ich betrachtet durch die erstaunten Augen eines fiktiven Südseehäuptlings. Alltäglichkeiten, die schon immer so waren, die man einfach so macht, die doch richtig sind, erscheinen in dessen Worten plötzlich gar nicht mehr so normal und logisch, allenfalls witzig oder absurd manchmal sogar falsch. So etwas mache ich jetzt auch. Jeden Monat in der eltern.family nehme ich mir eine Selbstverständlichkeit aus dem Leben mit Kindern vor und frage mich: Klar, alle machen das so, aber wieso eigentlich.


„Ordnung muss ein“, sagte ich und schaute beunruhigt durch das Zimmer meines Sohnes. Es war in einem Zustand, der für eine geistige Zerrüttung des Bewohners sorgen musste. Doch der saß mittendrin und schaute sich einen Comic an.
„Sehr richtig, liebe Frau Mama“, murmelte er unschuldig. „Ordnung ist eine Tugend.“
Ich schluckte. Das Kerlchen konnte kaum lesen, hatte sich aber binnen kürzester Zeit den salbungsvollen Sprachstil der Lustigen Taschenbücher zu eigen gemacht. Meistens fand ich das niedlich. Aber nicht immer.
„Ich wollte sagen, dass du bitte dein Zimmer aufräumen sollst“, formulierte ich noch einmal um.
„Warum?“, fragte das Kind ohne aufzublicken.
„Hier kannst du doch gar nichts mehr finden“, stellte ich fest. Leider zu unrecht.
„Das entspricht nicht der Wahrheit“, meinte es. „Ich weiß genau, wo alles ist.“
„Dann weil es hier aussieht wie in einem Schweinestall“, presste ich hervor.
„Das ist nicht nett für die Schweine“, antwortete das geliebte Kind.
Ich schluckte erneut. Solche Sätze waren der Grund, warum wir eine besondere Beratung aufgesucht hatten. Schnell kam heraus, ich brauchte Hilfe. Zum Beispiel um mit solchen Sätzen umgehen zu lernen. Außerdem hatte ich mich etwas verheddert und versprochen, dass ich zukünftig und immer seinen Schreibtisch ordentlich halten würde. Weil MIR das wichtig war, wie die Beraterin lächelnd sagte.
Fassungslos betrachte ich den kleinen Kerl, der noch immer seelenruhig in Entenhausen weilte. Kein Wunder. Hier war ja auch kein Platz dafür. Mir fehlten die Worte.
„Räum´ auf. Sofort!“ Dann knallte eine Tür.

„Ich muss ihn doch zur Ordnung erziehen“, sprach ich kurz darauf über das Telefon mit meiner Mutter.
„Das habe ich bei dir auch versucht“, sagte sie. „Es war faszinierend. Du erschufst das größte Chaos um dich herum. Aber wenn es dann mal krachte, hattest du dein Zimmer innerhalb von zehn Minuten aufgeräumt. Aber im Grunde, bin ich wohl gescheitert.“
„Wie meinst du das?“, fragte ich verärgert. „Ich bin ein ordentlicher Mensch. Eine äußere Ordnung ist wichtig, wenn man kreativ und innerlich etwas ungeordnet ist.“
Ich schaute mich um. Na gut. Da gab es einige Kramecken, die waren nicht wirklich ordentlich. Eigentlich hätte es sie gar nicht geben dürfen. Auch vor den Büchern im Regal, auf dem Schreibtisch, hinterm Schrank, unter meinem Bett ...
„Ich weiß genau, wo alles ist“, knurrte ich und legte mit dem Lachen meiner Mutter im Ohr auf.

Eine halbe Stunde später öffnete ich die Tür wieder. Dann schluckte ich ein drittes Mal. Unberührtes Inferno. Mein Söhnchen stand vor seinem überladenden Schreibtisch.
„Schatz, ich hatte doch gesagt ...“
Strahlend drehte er sich zu mir.
„Ich habe aufgeräumt. Guck, Mama.“
Vor ihm, inmitten des Durcheinanders, lagen einige Stiftstummel, Radiergummis, Büroklammern, Zettel, Murmeln, kleine Plastikfiguren und etwas Undefinierbares (Kaugummi? Brotkrumen? Knetenreste?) nach Größe, Farbe und Form sortiert. Gerührt betrachtete ich diesen Flecken Akkuratesse im Chaos. Es würde alles gut werden. Irgendwie.


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